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Die nächsten zwei Tage ist es nun Bucky, der mir ausweicht. Oftmals zieht er sich ins Schlafzimmer zurück und schliesst die Tür. Dahinter kann ich ihn weinen hören. Aber tun kann ich für ihn nichts. 
Es ist wichtig für Bucky, dass er sich jederzeit zurückziehen kann. Auch wenn die Themen nicht richtig sind, für ihn ist es ein wichtiger Teil. Steve hat ihn verlassen und er hat gehofft, dass er in der Liebe zu mir Trost findet. Aber ich kann ihm damit nicht helfen, weil es nicht erlaubt ist. 
Somit kann ich nur abwarten, bis Bucky von selbst wieder zu mir kommt. Auch wenn sein Vertrauen in mich ein wenig zerrüttet wurde, muss ich mich darauf verlassen, dass er zu mir kommt, wenn es ihm zu schlecht geht. 

Somit kauere ich wieder einmal neben der Tür und höre Bucky zu, wie er hinter der Tür schluchzt. Ich kann mir vorstellen, dass er sich in Gedanken dafür die Schuld gibt. Wahrscheinlich glaubt er, dass wenn er es nicht ausgesprochen hätte, hätte ich ihn auch nicht zurückweisen können. 
Die Tür geht schneller auf, als ich erwartet habe und Bucky sieht mit verweinten Augen zu mir. Erschöpft sehe ich zu ihm auf und warte ab. Ich weiss nicht, was ich mir gerade davon erhoffe. 
Wortlos setzt sich Bucky vor mir auf den Boden und sieht zu mir. Ebenso schweigend beobachte ich ihn, während er langsam auf mich zu kommt. 
"Darf ich dich noch umarmen? Oder-" 
"Natürlich darfst du", unterbreche ich ihn. 
Wehleidig sieht Bucky zu mir auf. Genauso verletzt sehe ich zu ihm zurück und lächle ihn beruhigend an. Gleichzeitig öffne ich meine  Arme und er krabbelt sofort zwischen sie in eine Umarmung. Vorsichtig drücke ich ihn an mich. 
"Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Aber unsere Gefühle sind nicht erlaubt. Ein Therapeut darf sich nicht in seinen Patienten verlieben", erkläre ich mich ihm. 
Schniefend sieht Bucky zu mir auf. Sein Blick ist klarer als zuvor, doch noch immer kullern Tränen über seine Wangen. 
"Also fühlst du doch etwas für mich?", hakt er schwach nach. 
Nickend bestätige ich es ihm. Bucky lächelt und drückt seinen Kopf wieder gegen meine Brust. Seufzend grinse ich und fahre mit meiner Hand durch seine Haare. 
"Wir können es geheim halten. Du hast doch gesagt, wie schnell ich Fortschritte mache. Wir könnten warten, bis ich offiziell geheilt wurde und dann eine Beziehung starten", schlägt er mir vor. 
"Wenn du bis dahin noch Interesse an mir hast, dann vielleicht. Auch wenn das vielleicht noch immer nicht ganz erlaubt ist", gebe ich nach. 
"Wir werden schon einen Weg finden", beurteilt Bucky. 
Summend lächle ich ein wenig und versuche mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. Mir ist die Beziehung zu ihm verboten, selbst wenn er irgendwann als Geheilt eingestuft wird.
Mit jedem, den ich in diesem Beruf kennenlerne und der für eine gewisse Zeit von mir abhängig ist - auch wenn es nur ein Tag sein sollte - darf ich nicht in eine romantische Beziehung treten. Weil es ein Missbrauch meiner Macht über diese Person wäre. Auch wenn ich mir wünsche, dass es nicht so wäre und ich mit Bucky zusammen sein dürfte. 

°°° 

Nach einiger Zeit löst Bucky sich wieder von mir. Er sieht schüchtern und beschämt zu Boden und spielt nervös mit den Händen. Möglichst gelassen sehe ich ihn mir an. 
Wieder einmal fällt mir seine Schönheit auf. Sein Kinn und seine Jawline, welche sein Gesicht so verlockend gestalten. Zudem die langen, prachtvollen, braunen Haare, die sein Gesicht sanft umspielen. Diese strahlend blauen Augen, welche noch immer so viel Leid ausstrahlen. 
Bucky verdient mehr. So viel mehr. 
Aber ich kann es ihm nicht geben. Ich kann ihm dieses Leid nicht nehmen und das Trauma durch schöne Erinnerungen ersetzen. Ich kann ihm nur helfen, alles so gut es geht zu verarbeiten. 
Auch wenn ich mir wünschte, dass wir uns unter anderen Bedingungen begegnet sind. 

"Können wir heute einen entspannten Tag machen?", bittet er mich unvermittelt. 
Schmunzelnd lächle ich ihn an und meine: "Haben wir jemals keinen entspannten Tag?" 
"Ja, wenn die Psychologin vorbeikommt. Doktor Reynor", erwidert er. 
Seufzend streiche ich seine Seiten hinab und ziehe ihn auf meinen Schoss. Bucky kichert und setzt sich beinahe direkt auf meine Mitte. Ihm ist wohl bewusst, dass mein tiefes Ausatmen damit zu tun hat. Sein freches Grinsen verrät es mir. 
"Du weisst, dass sie das nur macht, um dir zu helfen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht wirklich toll für dich ist, darüber sprechen zu müssen. Aber es ist nötig, damit du weiterhin so gute Fortschritte machen und das alles hinter dir lassen kannst", erkläre ich ihm eindringlich. 
Seufzend nickt er und lehnt sich nach vorne. Seine Stirn trifft auf meine Schulter und ich lege sanft eine Hand in seinen Nacken. Bucky erzählt mir oft, wie sehr er die Sprechstunden mit Doktor Reynor hasst. Und ich kann es nachvollziehen. Ich würde es auch hassen, wenn ich über solch schreckliche Dinge, die mir zugestossen sind, sprechen müsste. 
"Zu deinem Glück hast du heute keine Sprechstunde. Ein anderer Tagesplan als entspannt war für heute gar nicht vorgesehen", flüstere ich ihm aufmunternd zu. 
Bucky grinst und legt seine Lippen an meinen Hals. Verdammt, das fühlt sich gut an. Leider kann ich es auch diesmal nicht zulassen. 
"Okay, stopp, Bucky. Hör auf!" 
Bucky seufzt enttäuscht und zieht sich zurück. Jedoch bleibt er auf meinem Schoss sitzen. Lachend sehe ich zu ihm und er lächelt unsicher zurück. 
"Ich wünsche mir auch, dass wir offen damit umgehen können. Aber wenn ich gegen die Regeln verstosse, verliere ich vielleicht meinen Job. Und ich weiss, dass du Probleme damit hättest, jemand neues an dich heranzulassen", offenbare ich ihm die Wahrheit. 
Buckys Lächeln versteift sich kurz, eher er nach meiner Hand greift und diese an seine Schläfe führt. Bei der Berührung schliesst er die Augen und seufzt wohlig auf. 
"Und was wäre mit dir? Du würdest deinen Job verlieren und müsstest einen neuen suchen. Hier geht es nicht nur um mich", widerspricht er mir. 
"Doch, genau das tut es. Ich würde zurechtkommen. Aber ich könnte nicht damit leben, dass ich weiss, dass ich dir so viel unnötigen Stress eingebrockt habe, weil ich mich nicht zurückhalten konnte", erwidere ich sanft. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt