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Sam konnte es einrichten, dass ich mir vor der Operation alles ansehen darf. Um mir möglichst viel meiner Angst zu nehmen. 
Somit führt er mich behutsam durch den Raum, begleitet von medizinischem Personal, welches bereitwillig alle meine Fragen beantwortet. Wohl gemerkt stelle ich sie an Sam, welcher sie weiterleitet. Ich traue mich nicht mit jemand anderem als mit ihm zu sprechen. 
Schon gar nicht mit Ärzten. 

Doch als ich Skalpelle zu Gesicht bekomme ist es mit mir völlig vorbei. Scharfe, glänzende Klingen liegen in einer Schale. Bereit meine Haut ein weiteres Mal aufzuschneiden und neue Schmerzen zu verursachen. 
Stockend und zitternd versuche ich vor ihnen zurückzuweichen. Versuche aus dem Raum zu kommen und mich irgendwo zu verstecken. 
Doch bevor ich mich auch nur umdrehen kann, um davonzurennen, stolpere ich über einen Tisch. Es scheppert und ich falle hilflos zu Boden. 

Ein Blitz des Schmerzes durchjagt mich, als ich auf den Flügeln aufkomme. Schreiend rolle ich mich so schnell wie möglich zur Seite und zusammen. 

Völlig überfordert lege ich die Arme um meinen Kopf und beginne am ganzen Körper unaufhörlich zu zittern. Ich beginne nach Luft zu schnappen und versuche nicht völlig ausser Kontrolle zu geraten.
Über mir höre ich Sam fluchen: "Welcher Idiot hat die Skalpelle bereits hierher gebracht!?"
Hektik bricht um mich herum aus. Sam scheucht alle von mir weg, während einige versuchen das Chaos um mich zu bereinigen.
Zitternd drücke ich mich so nahe an den Boden, wie ich nur kann. Mein Herz springt mir gleich aus der Brust und Pumpt viel zu viel Blut durch meinen Körper.
Vor Angst schluchzend und um Luft ringend sehe ich mich gehetzt um. Überall sind Leute, einige tragen hellblaue und dunkelblaue Kleidung. 

Und sie werden mich wieder aufschneiden! Sie werden mir weh tun und alles wird wieder von vorne anfangen! 

"Bucky! Bucky, hey sieh zu mir. Nur zu mir, okay? Ich bin hier, schau nur zu mir", befielt Sam über mir. 
Aus Angst vor den Folgen, wenn ich nicht gehorche, tue ich es. 

Meine Augen schweifen dennoch automatisch durch den Raum. Fangen die Leute und ihre Bewegungen auf.
Wie sie glänzende Dinge vom Boden aufheben. Sicherlich weitere Skalpelle. 
Erschrocken rolle ich mich enger zusammen und drücke die Augenlider aufeinander.

"Bucky, es ist alles gut. Niemand ist hier um dir weh zu tun, erinnerst du dich? Wir sind hier, damit deine Flügel weniger schmerzen und frei sind. Du bist in Sicherheit, du bist nicht mehr in dem Labor!", beschwört Sam mich von neuem. 
Schaudernd sehe ich zu ihm hinauf. Mein Körper bebt, das Herz rast und meine Augen können nicht mehr kleiner sein als ein Teller. 
Sam jedoch bleibt ruhig, greift nach meiner oberen Hand und zieht sie langsam von meinem Kopf weg. Sein Blick bleibt in Kontakt mit meinem und vermittelt mir auch damit Sicherheit. 

Ich schaffe es mich von seinem Blick fesseln und ablenken zu lassen. Ganz vorsichtig streift Sam mit seiner anderen Hand über meine Wange und sofort fühle ich mich wieder etwas mehr geborgen. Dankbar schliesse ich die Augen und geniesse es, dass er mich bereits so gut kennt. 
"Tut mir leid, ich dachte es wäre eine gute Idee dir zu erklären, was passieren wird. Ich habe nicht daran gedacht, was das in dir auslösen könnte", bemerkt Sam leise. 
Gleich darauf schieben sich mir wieder Bilder in den Kopf. Die Skalpelle, welche gefährlich glänzend darauf warten mich ein weiteres Mal zu foltern. 
Unwohl öffne ich wieder die Augen, sehe jedoch nur geradeaus an die Wand. Ich will nicht, dass Sam sich weitere Sorgen macht. 

Seine Hand gleitet von meiner Wange über meine Schultern. Erleichtert seufze ich auf und schliesse wieder die Augen. Sam summt beruhigend und massiert meine Schulter ein wenig. 
Um mich herum klirren die Instrumente ein wenig, was mich erneut schaudern lässt. Der Drang meine Augen zu öffnen und wenigstens sehen zu können, was passiert, wird grösser. 
Doch Sam lenkt mich wieder ab: "Achte auf deine Atmung, Bucky. Es ist alles gut, hörst du? Du wirst absolut nichts mitbekommen und so viel Schmerzmittel erhalten, wie du brauchst." 
Mehr mechanisch als wirklich einverstanden nicke ich. Meine Augen sehen wieder in die Weite, weil ich mich nicht traue, ihn anzusehen. 
"Kannst du aufstehen? Wir sollten zurück in das Zimmer, ja?", bemerkt Sam vorsichtig. 
Erneut nicke ich mechanisch und versuche mich auf die Beine zu kämpfen. Sam hilft mir so gut wie er kann und stützt mich auf meinen schwachen Knien. 
Noch immer heillos überfordert sehe ich mich in dem Raum um. Er ist anders, als im Labor. Die Wände sind weiss, steril und mit weissen Kacheln gepflastert. 
Der Gedanke, dass ich in ein paar Momenten hier aufgeschnitten liegen würde, lässt mich beinahe wieder zusammenbrechen. Nur Sam hält mich davon ab, indem er mehr meines Gewichtes aufnimmt und trägt. 
"Ist gut. Komm Bucky, wir verschwinden von hier", murmelt er mir zudem zu. 

Vor dem Operationssaal wartet ein Rollstuhl auf mich. Ich war zu schwach, um bis hierher laufen zu können, weshalb ich einen erhalten habe. 
Behutsam hilft der Dunkelhaarige mir, mich in diesen zu setzen. Die Stange mit der Infusion halte ich weiterhin in der Hand. 
Nur wage bekomme ich mit, wie Sam mich durch die Flure, zurück in mein Zimmer, schiebt. Meine Sicht ist vernebelt durch Tränen und die Trübheit in meinen Gedanken. 
Die Erkenntnis, was passieren wird, hat vollständig eingesetzt. Ich werde wieder operiert. 

°°° 

Vorsichtig hilft Sam mir zurück auf das Bett und kniet sich vor mich hin. Schüchtern sehe ich zu ihm und verschränke meine Finger ineinander vor meinem Körper. 
"Es ist alles okay, ja? Bei diesem Eingriff wird nicht mehr passieren, als dass wir deine Flügel befreien. Damit du nicht mehr so starke Schmerzen hast. Mehr geschieht dir nicht, ja?", verspricht er mir leise. 
Wortlos nicke ich und versuche weiterhin ruhig zu atmen. Das Zittern meiner Hände bekomme ich kaum noch mit. 
"Wir können das auch verschieben, wenn du willst. Es muss nicht heute sein. Ich will nur deine Schmerzen schnellst möglich unter Kontrolle bekommen", erklärt er mir weiter. 
Verstehend nicke ich erneut. Sam lächelt schwach und greift nach meinen Händen. Beinahe sofort beruhige ich mich ein wenig mehr. 
Die Erleichterung bei seinem Angebot ist nicht zu beschreiben. Ich könnte den Schmerz hinauszögern. Ich könnte mir noch eine kurze Zeit von vorgetäuschtem Frieden verschaffen. 
Aber Zeitgleich schmerzen meine Flügel noch immer von dem Sturz. Und das könnten sie verbessern. Leiden müsste ich ja sowieso. 

Entschieden schüttle ich den Kopf und versuche meine neuen Tränen zurückzudrängen. Wenn ich es hinter mir habe, lassen sie mich vielleicht für eine Weile in Ruhe. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt