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Wie vorausgesagt beginnt Bucky zu klammern. Jede Minute des Tages verbringt er möglichst damit, Körperkontakt zu mir zu halten. Auch wenn es nur Händchenhalten ist. 
Kompliziert wird es, wenn einer von uns zur Toilette muss. Bucky hat kein Problem, wenn ich bei ihm daneben stehe und weiterhin seine Hand halte. Für mich ist das jedoch sehr unangenehm. 
Zudem möchte ich meine Privatsphäre, wenn ich mein Geschäft erledige. Was jedoch nicht funktioniert, wenn Bucky einen halben Nervenzusammenbruch hat, wenn er mich aus den Augen verliert. 
Somit sitze ich ab jetzt jedes Mal mit leicht unangenehmem Gefühl auf dem Töpfchen und versuche die Tatsache zu ignorieren, dass Bucky neben mir steht und meine Hand hält. 
Aber das ist nur ein Beispiel, was sich ab jetzt verändert. Auch wagt er sich nicht mehr aus dem Raum und greift jeden an, der auch nur den Kopf hineinstreckt. 
Starkes territoriales Verhalten ist vor allem für die üblich, die lange Zeit keine geschützte Zone für sich hatten. Und ich denke Bucky hatte unter der Glaskuppel keine Möglichkeit sich zurückzuziehen oder zu verstecken. 

Durch sein Verhalten leben wir ab jetzt abgeschottet und nur in diesem einen Raum. 
Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir noch ein wenig mehr Zeit haben, um ihn in eine kleine Wohnung umsiedeln zu können. Dann hätten wir etwas mehr Platz und er würde sich vielleicht nicht eingesperrt fühlen. 
Das müssen wir noch immer tun, damit er mehr Bewegungsfreiheiten hat. Nur wird es jetzt um einiges Komplizierter. 

Seufzend sehe ich zu Bucky herüber, welcher an meine Schulter gelehnt sein Buch weiterliesst. Er ist völlig gebannt davon, jedoch nur solange er an mich gelehnt bleibt. 
Kaum bewege ich mich, schreckt er auf und krallt sich an mir fest. Ich habe nicht einmal versucht von ihm wegzukommen. Immerhin weiss ich, wie sehr er mich nun braucht und was ich ihm antun würde, wenn ich es verweigere. 
Somit lese ich entspannt neben ihm ein eigenes Buch und geniesse die Ruhe. 
Bis ich bemerke, dass er gar nicht mehr liesst, sondern in Gedanken versunken ist. Behutsam lege ich mein buch zur Seite und beobachte ihn. 
Wieder spielt seine rechte Hand an seiner Lippe, während sein Blick auf einen unbestimmten Punkt vor ihm gerichtet ist. 

Schweigend warte ich ab, bis er wieder auftaucht. Er blinzelt verwirrt und sieht sich kurz hektisch um. 
Erst als er meine Präsenz neben sich spürt und zu mir schaut, beruhigt er sich. Er atmet tief aus und drückt seine Wange gegen meinen Bizeps während er nach Augenkontakt sucht. 
"Alles in Ordnung?", flüstere ich ihm grinsend zu. 
Bucky nickt angespannt und senkt den Blick auf meinen Hals. Ich glaube ihm nicht, aber ich weiss nicht, was nachhaken bringen würde. Wenn er mir nicht sagen will, wie es ihm geht, dann zwinge ich ihn nicht. Ich vertraue darauf, dass er sich bei mir meldet, wenn er ein Problem hat. 
"Bist du stolz auf mich?", fragt er unvermittelt nach. 
Überrascht sehe ich zu ihm, doch er weicht meinem Blick aus. Seine Hand spielt nervös mit meiner und ich merke, wie vorsichtig er ist. 
"Aber ja doch. Du machst es so gut, wie du nur kannst, da bin ich mir sicher", muntere ich ihn genauso leise wie er auf. 
Bucky lächelt kurz schüchtern, spannt sich aber sogleich wieder an.
Seufzend drehe ich mich zu ihm um und meine: "Ich habe es dir schon hundert Mal gesagt und ich werde es auch weiterhin sagen. Das was du durchgemacht hast, war die Hölle. Aber du hast sie überlebt und überstanden. Das ist alles was zählt. Du reagierst ganz natürlich und ich habe kein Problem damit. Immerhin bin ich auf Traumata spezialisiert." 
Unvermittelt schmiegt Bucky sich näher an mich und reibt seine Schläfe an meiner Brust. Seufzend drücke ich ihn mit meinem Arm unter seinem Rücken weiter an mich. 
"Du machst es so gut, wie du kannst, Bucky. Das weiss ich. Und ich bin stolz auf dich", versichere ich ihm. 
Bucky schmunzelt dankbar und entspannt sich merklich. Lächelnd drücke ich ihm einen unschuldigen Kuss auf die Stirn. Sofort schmilzt Bucky in meinen Armen und kann sich völlig entspannen. 
Ich aber, muss mich zusammenreissen, um nicht zurückzuschrecken. Ich sollte ihn nicht küssen.
Das ist gegen die Regeln! 
Genauso sollte ich mich nicht in ihn verlieben! Das darf alles nicht passieren! Ich muss mich stärker zusammenreissen! 

"Darf ich dir eine Übung zeigen, Bucky?", hake ich rau nach. 
Verwundert sieht er zu mir auf und nickt. 
"Denke über diese Situation nach. Was passiert? Wie fühlst du dich dadurch? Wie handelst du? Mache dir so viel Bewusst wie möglich. Reflektiere die Situation", weise ich ihn an. 
Bucky nickt und wendet seinen Blick, welcher gebannt an meinen Lippen hing, wieder ab. Vorsichtig sieht er sich um und scannt das Zimmer ab. 
Schweigend sehe ich ihm zu. 
Diese Übung ist wichtig für ihn. Wenn er lernt die Situation zu reflektieren und einzuschätzen, kann er in einem weiteren Schritt gegen Angstzustände vorgehen. Denn er lernt die Situation zu kontrollieren und sich damit selber Sicherheit zu schaffen. 
Bekommt er das hin, ist es nicht mehr lange, bis er in den Alltag zurück eingegliedert werden kann. 
Bucky möchte den Mund aufmachen, doch ich unterbreche ihn: "Du musst mir deine Erkenntnisse nicht mitteilen. Versuche einfach, diese Übung immer mal wieder zu wiederholen. Sie könnte dir sehr behilflich sein." 
Verblüfft sieht Bucky zu mir. Möglichst beruhigend lächle ich zurück und versuche ihn ruhig zu halten. 
Dann nickt er und lehnt sich zurück an mich. Zufrieden lächle ich und lege meinen Kopf auf seinem ab. Bucky seufzt auf und entspannt sich. 
"Es wird alles gut Bucky. Dafür werde ich sorgen", flüstere ich ihm zu. 
Ich spüre, wie er unter mir nickt und schliesse meine Augen. Langsam wird mir langweilig hier drin. Bucky schlägt sich super und es gibt kaum Aufregung. 
Aber mein Buch ist zu Ende und ich habe es bereits vier Mal wiederholt. Jedoch kann ich mir kein neues holen, weil Bucky dann durchdreht. Egal ob ich den Raum verlasse, oder es mir jemand bringt. 
Ich bin mit Bucky hier drin gefangen und es gibt keinen Ausweg. Das verabscheue ich nicht, immerhin liebe ich meine Arbeit und kenne es schon. Dennoch hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, bevor diese Phase angefangen hat. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt