𝟰𝟯 𝘼𝙡𝙡𝙤𝙬

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Es klopfte an der Tür.
Ich setzte mich Kerzengerade auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

"Ja?",versuchte ich so wenig genervt wie möglich rauszukriegen.

Maria öffnete die Tür.
"Ich bin's.",grinste sie unsicher.

Sie hatte wahrscheinlich befürchtet, dass ich gerade nicht gut drauf war.

Sie setzte sich zu mir aufs Bett.

"Hast du geweint?",fragte sie mich.

Ungerne wollte ich es zugeben, aber es war nunmal offensichtlich.
"Ja.",sagte ich knapp.

"Hm.",machte sie und nickte mit zusammen gepressten Lippen.

"Hm.",machte ich es ihr nach.

"Du weinst nicht wegen Bryan, oder?",fragte sie auf einmal.

Ich schluckte aber antwortete nicht.

Ich verzog schmerzvoll das Gesicht und nickte, während Tränen unkontrolliert mein Gesicht runter liefen.

Sie kam sofort zu mir und zog meinen Kopf an ihre Schulter.

"Du kommst da schon durch.",sagte sie hoffnungsvoll.

"Woher willst du das wissen?",fragte ich schluchzend.

"Hallo?",fragte sie mich als wär ich nicht ganz dicht.

"Sieh dir an was du bisher durchgestanden hast! Und du bist nicht mal hier aufgewachsen.",sagte sie aber ließ nicht von mir los.

Moment mal.

Ich hob meinen Kopf und war ihrem dabei unerwartet nah.

"Du weißt es?",fragte ich.

Sie lächelte mich wissend an.
Ich war so blöd.
Natürlich wusste sie es!
Und sie liebte Rob trotzdem?
Wie konnte man jemanden lieben, obwohl man wusste wie böse er war?

"Ich habe echt sehr schlechte Dinge getan, seit ich hier bin.",flüsterte ich und versuchte die Tränen nicht an die Oberfläche zu lassen.

"Ich weiß.",sagte sie nur.

Ich schüttelte verwirrt den Kopf.

"Wieso hasst du uns nicht?",fragte ich sie.

Sie fing an zu lächeln.
"Was denkst du wo ich herkomme? Vor meiner Geburt gehörte meine Familie schon zu den El Perez. ",sagte sie.

Verdammt, die arme.

"Okay, hör mal zu, kleines.",sagte sie und richtete sich auf um mir in die Augen zu sehen.

Man, diese Frau ließ einen wirklich an seiner Sexualität zweifeln.
Ich war kurz vorm durchdrehen, aber ich schaue sie an und kann nur daran denken wie schön sie ist.

Sie war so feminin und zierlich aber gleichzeitig so düster und irgendwie gefährlich. Sie hatte so eine Coolness in sich, als ob sie nie etwas aus der Bahn bringen könne.

Ihre schwarzen, langen, glatten Haare fielen ihr über die Schulter und ihre Fuchsgleichen Augen waren so groß, dass sie einen sofort in den Bann zogen.

Bei ihr hätte ich kein schlechtes Gewissen, wenn sie mich küssen würde.
Tja, im nächsten Leben vielleicht.

Warte, hatte ich ein schlechtes Gewissen Bryan geküsst zu haben?
Verdammter Kopf, hör auf zu denken!

"Weißt du was ich glaube, Adriana? Ich glaube alle Menschen in diesem Haus landen wahrscheinlich in der Hölle.",fing sie an und schon nach dem Satz zog ich die Augenbrauen hoch.

Ich wartete auf die Worte die mich jetzt irgendwie aufmuntern sollten, doch es kam nichts.

"Ja. Das war's.",sagte sie.
Ich musste lachen.
"Das war's?",fragte ich.

"Das war's. Sie landen alle in der Hölle und sie kommen damit klar. Meine Familie ist religiös. Ich glaube ans gute und ich glaube an Vergebung. Ich glaube aber nicht, dass es was bringt vor dem was hier passiert davon zu laufen.",sagte sie.

"Sie tun unschöne Sachen und sind auch echte Vollidioten manchmal, aber sie lieben einander. Und sie lieben dich.
Sie sind nicht böse und das bist du auch nicht. Du hast keinen Menschen ermordet, du hast jemanden beschützt. Du bist zäh und das wichtigste, niemand von uns ist alleine.",sagte sie.

Ich atmete durch.

"Ich weiß nicht, ob ich es schaffe dieses Leben zu leben.",gab ich zu.

"Wir alle schaffen das. Warum du nicht?",fragte sie und diese Worte brachten mich wirklich zum Nachdenken.

Sie hatte Recht.
Warum ich nicht?

"Man, wie hat Rob dich nur abbekommen?",fragte ich kopfschüttelnd.

Sie grinste.
"Mit einbisschen Manipulation schafft man hier alles.",sagte sie und zwinkerte mir zu.

Ich lachte auf.

"Jetzt erzähl mir was da mit Bryan ist.",sagte sie und legte sich unter meine Decke.

Ich seufzte.
"Eigentlich sollte da gar nichts laufen! Wir wollten Freunde sein. Ich brauche gerade keine Beziehung. Ich brauche mich selbst zurück!",sagte ich und ließ mich in meine Kissen fallen.

Es war so befreiend mit ihr über wirklich alles sprechen zu können.

"Du bekommst dich nie wieder zurück. Such nicht danach. Du wirst dich verändern aber das würdest du auch, wenn du noch in New York leben würdest. Das Leben ist eine Sammlung von Änderungen, es geht nur darum zu wachsen und verstehen und tun was du für richtig hälst.",sagte sie und sah mich streng an.

Nun drehte ich meinen Kopf nachdenklich zu ihr.
Ich schaute sie überrascht an.

"Was? Ich könnte dich natürlich anlügen und sagen du wirst wieder die kleine Ghetto New Yorkerin von vor einem halben Jahr, aber das wirst du nicht. Du verrenst dich nur in etwas, was gar nicht mehr existiert.",sagte sie ohne die Miene zu verziehen.

"Du versuchst die Dinge zu verdrängen anstatt sie zu verarbeiten und daraus zu wachsen. Du suchst nach der alten, unschuldigen Person aber ich habe nicht das Gefühl, dass du das leiden konntest.",sagte sie.

Sie hatte Recht. Ich konnte es nicht leiden. Ich habe mich gehasst.

"Ich habe es gehasst, dass ich alles habe mit mir machen lassen.",sagte ich zustimmend.

"Siehst du. Ich sage nicht, dass du dich verändern musst. Was ich meine ist,  nicht alle Veränderungen sind schlecht.",sagte sie.

"Gib Bryan vielleicht mal eine Chance. Und viel wichtiger, gib dir eine Chance.  Verbiete es dir nicht glücklich zu sein.",sagte sie nach einer kurzen Pause.

Ich nickte.

"Du hast Recht.",sagte ich und sie nickte zustimmend.

Eine kurze Zeit später sah ich sie perplex an.

"Hast du mich gerade Ghetto New Yorkerin genannt?",fragte ich dann lachend und steckte sie gleich mit an.

Gangsters don't cryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt