Kapitel 59

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Heute kam ich vor Draco auf der kleinen Lichtung neben der alten Waldhütte an. Ich war weder früher als sonst, noch hatten wir das Treffen abgesagt.

Wir hatten uns seit Schuljahresende jede Woche hier getroffen. Wir unterhielten uns, schwelgten in Erinnerungen oder brachten uns gegenseitig kleine Zauber bei.

Mit einem mulmigen Gefühl kletterte ich aufs Dach und setzte mich. Wo blieb er nur? Irgendwas stimmte hier nicht. Ich suchte den Himmel nach einer Eule ab, die vielleicht einen Brief von ihm dabei hatte, doch nichts.

Als mir das heraufbeschwören von Vögeln und anderen Kleintieren zu blöd wurde, sprang ich vom Dach hinunter und tigerte nervös auf und ab. Der Tag neigte sich dem Ende und immer noch war keine Spur von Draco zu sehen.

Die dunklen Schatten der Bäume eroberten immer mehr die kleine Lichtung und so apparierte ich schließlich zurück in mein Versteck. Genervt schleuderte ich eine Dose von meinem Tisch und beobachtete, wie ihr Inhalt langsam den Stein entlang lief.

Warum war er nicht da? Warum hatte er mir keinen Brief schreiben können? Ein Brief.

Mit einem Ruck zog ich meinen Koffer hervor und kramte darin nach einem Pergament und meiner Feder. Ich wollte Klarheit. Was war los?

Meine Finger trafen etwas glattes und ich zog es verwirrt hervor. Die Maske, die ich Bellatrix Lestrange im letzten Sommer abgenommen hatte, starrte mich an. Mein Blick glitt zu dem dunklen Umhang, welcher neben dem schmalen Gang an einem Hacken hing.

Bevor ich mir zu viele Gedanken um die Konsequenzen eines solchen Ausflugs machen konnte, streifte ich ihn mir über. Die Maske bedeckte mein Gesicht und ich warf einen letzten Blick in den kleinen Spiegel.

Ich war nicht mehr zu erkennen und so straffte ich meine Schultern, nahm meinen Zauberstab und verließ das Versteck. Das ungute Gefühl war in meinen Hals gewandert und schnürte mir die Kehle zu, als ich auf den Kiesweg vors Manor apparierte.

Jetzt gab es kein zurück mehr. Den Kopf erhoben lief ich mit sicherem Schritt auf das eiserne Tor zu. Ob es mich überhaupt hineinließ?

Bevor ich es jedoch erreichte, traten zwei Gestalten hinaus. Ihre Köpfe bewegten sich hin und her. Sie suchten die Umgebung ab, als wollten sie nicht, dass jemand weiß, dass sie hier waren. Als sie mich entdeckten, wurde eine von ihnen ruhiger.

Mein Schritt wurde langsamer, bis ich schließlich vor Narzissa und Lucius stehen blieb. Mein Pate sah schlimm aus. Seine Gestalt war abgemagert, sein Gesicht gealtert und über sein Kinn zog sich ein ungepflegter Drei-Tage Bart.

Narzissa sah daneben wunderschön aus. Obwohl auch sie älter wirkte. Sie hatte definitiv einige Falten mehr und der besorgte Blick in ihrem Gesicht verstärkte das Ganze noch.

„Gut, dass Sie da sind, Doktor", begrüßte mich Lucius mit leiser Stimme.

Ich nickte nur. Mir war nicht wohl dabei, ihnen gegenüber zu stehen. Ich konnte nicht einschätzen, ob ich ihnen vertrauen konnte oder ob sie mich sofort an Voldemort verraten würden.

Wieder wirbelten dunkle Wolken um die Dächer des Manors und hier schien es mehrere Grade kälter, als im Rest von England. Er war also hier.

„Kommen Sie. Draco ist in seinem Zimmer." Narzissa wollte nach meinem Arm greife, doch ich wich zurück.

Ich räusperte mich und erwiderte mit verstellter, dunklerer Stimme: „Ich bevorzuge die Behandlung meiner Patienten im Freien. Sie sollen einen sehr schönen Garten haben?"

Für einen kurzen Moment wechselten Lucius und seine Frau einen verwirrten Blick. Dann wandten sie sich wieder an mich.

„Na schön, aber Sie können ihm helfen? Richtig, Doktor? Und der dunkle Lord muss davon nichts erfahren?" fragte Lucius und seine Stimme war noch leiser als zuvor.

Lucinda - The Mask of a SlytherinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt