Kapitel 26

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Es war erschreckend. Seit sich Draco so offen gegen mich ausgesprochen hatte, war ich nicht mehr unsichtbar. Ständig bekam ich dumme Sprüche, wurde angerempelt oder man versuchte mich, mit Blicken zu erdolchen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass so viele meiner Hausgenossen etwas gegen mich hatten.

Und als dann noch alle erfuhren, dass ich gemeinsame Sache mit Potter gemacht hatte und auch mit den anderen DA Mitgliedern bestraft wurde, war ich endgültig eine Ausgestoßene. Niemand in meinem Haus wollte etwas mit mir zu tun haben.

Nur Blaise versuchte, auf mich zuzukommen. Doch seit ich seinen Streit mit Draco mitbekommen hatte, stieß ich ihn von mir. Ich redete mir ein, dass ich es zu seinem Schutz tat, doch in Wirklichkeit war es wohl ein Selbstschutz.

Er würde fragen, was los wäre und ich wollte nicht darüber reden. Ich fiel in das Loch, in das ich wohl nach dem Tod meiner Mutter schon hätte fallen sollen.

Ich vermisste sie schrecklich. Das Gefühl der Einsamkeit war zu meinem Begleiter geworden und der Kloß in meinem Hals wollte nicht so recht verschwinden.

Seit Umbridge Schulleiterin war, hatte sich vieles verändert. Die Bilder wurden abgehangen, weshalb das Schloss mit einem Mal kühl und bedrückend wirkte. Von der Herzlichkeit und der Wärme war kaum noch was übrig.

Jeden Nachmittag versammelte sich die DA in der Großen Halle, damit wir unsere Strafarbeit erledigten. Einen Satz immer und immer wieder schreiben, mit der Feder, die sich in die Haut ritzte. Viele gaben sich Mühe, keine Miene zu verziehen, doch die meisten scheiterten kläglich.

Fast jeder von ihnen trug einen kleinen Verband um die Hand, der nur für Verteidigung gegen die Dunklen Künste und die Strafarbeit abgenommen wurde. Ich hatte aufgegeben, meine Hand zu verbinden. Es würde nur eine weitere Narbe sein, die das Entziffern der Wörter erschwerte.

Irgendwie hatte sich der Alltag in kürzester Zeit so gewandelt, dass ich mich zurückversetzt fühlte in die Zeit bei meinem Vater. Nur das mir jetzt der Ausgleich in Form der paar schönen Stunden bei meiner Mutter fehlte.

Stattdessen lernte ich und lernte und lernte. Zwischendurch die Strafe und dann wieder lernen. Alles im Alleingang. Auch wenn so viele andere Schüler um mich herum waren, fühlte ich mich allein. Ich wollte nicht allein sein, aber ich wollte auch nicht darüber reden. Ich wollte meine Mutter zurück.

Manchmal wurde ich angesprochen, aber das bekam ich nur in Trance mit. Wenn Blaise mich nach dem Tag fragte, Neville wegen der nächsten Nachhilfestunde Termine vorschlug oder mich Lehrer auf meine Unaufmerksamkeit hinwiesen. Ich hörte, dass sie mich meinten. Ich hörte, was sie sprachen. Ich verstand die Worte. Und doch kam kein einziges bei mir an. Es war, als wäre ich in ein Loch aus Dunkelheit und Trauer gestürzt.

Nachts konnte ich nicht schlafen und am Tag fiel es mir schwer, die Augen offen zu halten. Ich fühlte mich alleine mit meinen Gedanken. Alleine mit meiner Situation. Nicht zu selten überlegte ich, ob damals nicht doch alles besser gewesen ist. Als ich noch bei meinen Eltern war.

Wenn ich dann mal in den Schlaf driftete, träumte ich von damals. Ich saß wieder in dem Kellergewölbe und übte unentwegt Zauber, während mein Vater mich aus wütenden Augen musterte. An der Steintafel hinter ihm war die Bewegung und der Zauberspruch aufgezeigt und trotzdem schaffte ich es nicht.

Zwar konnte ich jedes Mal sagen, dass es ein Traum war, denn dieser Mann war tot. Er hatte das eingefallene Gesicht mit den leeren Augenhöhlen und der grauen Haut. Außerdem hätte er mir niemals gezeigt, wie man einen Patronus heraufbeschwört. Das konnte er vermutlich selber nicht.

Ich hockte auf dem kleinen, dreibeinigen Hocker und schwang den Zauberstab. „Expecto Patronum", flüsterte ich immer zu, doch nichts geschah. So sehr ich mich auch konzentrierte. Es wollte einfach nicht gelingen. Und mit jedem Versagen wurde der Blick von meinem Vater wütender.

Lucinda - The Mask of a SlytherinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt