In den nächsten Tagen wurden viele Schüler von ihren besorgten Eltern frühzeitig aus Hogwarts abgeholt. Außerdem tummelten sich die seltsamsten Hexen und Zauberer in Hogsmeade. Jeder von ihnen wollte Dumbledore die letzte Ehre erweisen.
Im Schloss liefen nun auch mehrere Ministeriumsvertreter umher. Anscheinend hatten sich diese irgendwo in den Räumlichkeiten einquartiert. Dabei machten sie einen großen Bogen um die Kerker, weshalb wir Slytherins nur wenig davon mitbekamen.
Am Morgen nach dem Kampf hatte ich durch den Tagespropheten erfahren, dass nicht Draco den Todesfluch gesprochen hatte, sondern Snape. Nicht, dass das irgendwas an meinem schlechten Gewissen änderte, schließlich hatte ich meinem Hauslehrer Bescheid gegeben.
Die Beerdigung des Schulleiters wurde am letzten Tag des Schuljahres abgehalten, deshalb fuhr der Hogwarts Express später ab. Während viele der Feier beiwohnten, blieb ich in meinem Schlafsaal und packte meine letzten Habseligkeiten zusammen. Ich brachte es nicht über mich, dorthin zu gehen und mit den anderen zu trauern.
Als erste stand ich vor dem Tor und wartete auf die Kutschen, die uns zum Bahnhof in Hogsmeade bringen sollten. Ich hatte mal wieder das Sweatshirt meiner Mutter an und zog es immer wieder schützend über meine Hände. Mein Koffer stand neben mir und ich hatte den Blick auf den trockenen Waldboden gerichtet.
„Lou?" Neville stellte sich neben mich. „Ich dachte, du wärst schon abgereist."
„Nein." Meine Stimme war leise und ich traute mich nicht, den Blick zum Gryffindor zu heben. Er war kurz nach mir aus dem Krankenflügel entlassen worden, aber wir hatten uns seit dem Kampf nicht mehr unterhalten.
Eigentlich hatte ich seitdem mit niemandem mehr gesprochen. Stattdessen hatte ich mich im Schlafsaal hinter meinem Vorhang versteckt und war nur zum Essen kurz in die Große Halle gehuscht.
„Alles in Ordnung?" Neville schob sich vor mich und hob vorsichtig mein Kinn an. Er sah besorgt zu mir hinunter und ich konnte noch die getrockneten Tränen unter seinen Augen sehen. Anscheinend war er gleich nach der Beerdigung hierher geflüchtet.
„Ja."
„Warst du auch am See?" fragte er weiter und versuchte sich dabei an einem kleinen Lächeln.
„Nein." Bei meinen einsilbigen Antworten konnte ich Nevilles Unglauben verstehen, aber ich schaffte es nicht, einen richtigen Satz zu formulieren.
„Es ist hart, sein Tod. Irgendwie unwirklich", murmelte mein Gegenüber und wandte den Blick ab.
„Es ist meine Schuld", hauchte ich nach einem kurzen Moment der Stille, „Ich habe ihm Bescheid gesagt. Snape, meine ich."
„Nein", mischte sich eine andere Stimme in das Gespräch ein und Luna stellte sich auf meine andere Seite. Sie hatte ein trauriges Lächeln auf den Lippen.
„Sie hat recht, rede dir das ja nicht ein. Niemand trägt daran die Schuld. Niemand außer Snape", stimmte Neville der Ravenclaw zu, „Ich habe Professor McGonagall gehört. Sie hat Flitwick angewiesen Snape dazu holen. Also hättest du ihm nichts gesagt, hätte Flitwick es getan."
„Er wäre immer gekommen." Luna legte zaghaft ihre Hand an meinen Arm und ich schenkte ihr ein kleines Lächeln. Der Gedanke, dass ihm irgendwer sowieso Bescheid gegeben hätte, beruhigte mich ein bisschen.
Die erste Kutsche rollte vor und wir stiegen gemeinsam hinein. Bevor ich jedoch die Tür schließen konnte, landete eine große Eule auf der Stufe und sah neugierig zu mir hinauf. An ihrem Bein trug sie ein sorgfältig zusammengerolltes Pergament.
Ich trat zur Seite und ließ sie ins Innere neben Neville auf die Bank hüpfen. Die Kutsche setzte sich in Bewegung und ich nahm ihr den Brief vom Fuß.
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Lucinda - The Mask of a Slytherin
Hayran Kurgu„Unsere Herkunft definiert nicht wer wir sind" Lucinda wurde in einem zwiegespaltenen Haushalt geboren. Ihr Vater, ein traditionsbewusster Zauberer, der sich viel auf seine edle Reinblütigkeit einbildete. Ihre Mutter, die, besonders nach der Zwangsh...