Am nächsten Mittwoch hatte ich mehr Schwierigkeiten aus dem Gemeinschaftsraum zu verschwinden. Mir fiel keine plausible Erklärung ein, bei der ich alleine gehen müsste. In die Bibliothek wollte Daphne mich begleiten und auch eine Runde spazieren gehen, fand keinen Anklang.
Bis ich irgendwann wütend wurde und etwas zu forsch rief: „Ich möchte einfach mal allein sein!" Dass alle Slytherins, die im Gemeinschaftsraum saßen, sich zu uns drehten und verstummt waren, interessierte mich nicht. Ich hatte meine Hände zu Fäusten geballt und war aus dem Raum, in die Flure gestapft. Kaum war die Wand hinter mir verschlossen, hatte ich auch schon ein schlechtes Gewissen.
Daphne war das einzige Mädchen, das auf mich zugekommen war und mir so gut sie eben konnte zur Seite stand. Ich hatte in ihr, trotz der kurzen Zeit, eine gute Freundin gefunden und jetzt setzte ich das alles aufs Spiel, nur um Teil der DA zu sein. Teil einer Gruppe, dessen Mitglieder von den meisten Slytherins verachtet wurden. Nur weil ich Schwierigkeiten hatte herauszufinden, wer ich jetzt sein wollte, wo ich nicht mehr unter dem Druck meines Vaters stand?
Hätte ich doch besser mit jemandem über diese ganzen Zweifel reden sollen? Würde es sich dann nicht so anfühlen, als könnte ich jeden Moment unter der Last zusammenbrechen? Hätte ich Daphne von meiner Teilnahme an der DA erzählen sollen? Würde sie es verstehen? Sie hatte die Gryffindors nie als ‚Feinde' betitelt, aber gut auf sie zu sprechen, war sie trotzdem nicht. In Gedanken versunken schlenderte ich in den siebten Stock, wo ich mich kurz orientieren musste, aber dann den Weg zum Wandteppich recht schnell fand.
Als ich durch die Tür in unseren Trainingsraum schlüpfte, versuchte ich das Durcheinander in meinem Kopf zu verdrängen. Das hatte hier nichts verloren. Ich steuerte wieder auf das Sitzkissen von Luna zu und setzte mich neben sie. Stumm lauschte ich dem Gespräch, das sie mit einer älteren Ravenclaw führte und driftete dabei wieder in das Gewirr aus Fragen.
Als Potter mit dem Training begann, versuchte ich wirklich, ihm meine volle Aufmerksamkeit zu schenken, doch ohne Erfolg. Ich hatte echt Probleme die Augen offen zu halten und das bequeme Sitzkissen machte es mir nur noch schwerer. Die letzten Nächte wurde ich mal wieder von Albträumen heimgesucht, obwohl ich eigentlich gehofft hatte, sie losgeworden zu sein.
Es kam Bewegung in die Mädchen, die neben mir auf dem Kissen saßen und so stand ich auch auf. Ich streckte mich und schob alle schlechten Gedanken erneut bei Seite. Mein Blick glitt über die Gruppe und suchte einen ganz bestimmten braunen Haarschopf.
Kurz hatte ich bedenken, dass er sich einen anderen Partner suchte, doch dann entdeckte ich ihn auf der anderen Seite des Raumes. Er stand neben einem Regal, in das er etwas gestellt hatte, was ich von hier nicht erkennen konnte. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich merkte, wie das Chaos in meinem Kopf endgültig in den Hintergrund rückte.
Mit schnellen Schritten lief ich zu ihm und versuchte über seine Schulter zu spähen, um herauszufinden, was er da so spannendes im Regal hatte. „Was ist das für eine Pflanze?" fragte ich und musterte den kleinen Setzling. Es sah aus, wie ein knorpeliger Kaktus, nur dass es keine Stacheln, sondern kleine Beulen trug.
Neville zuckte erschrocken zusammen und wirbelte herum. Als er mich entdeckte, entspannte er sich ein wenig. Trotzdem war da wieder diese Grundspannung, die er auch in der letzten Woche hatte. Wahrscheinlich war er noch misstrauisch mir gegenüber, aber ich werde ihn schon noch vom Gegenteil überzeugen.
„Das ist eine Mimbulus Mimbeltonia. Die sind sehr selten", erklärte er stolz und drehte sich zurück zu seiner Pflanze. Sie schien förmlich unter der liebevollen Zuneigung von Neville zu pulsieren. Irgendwie fand ich es knuffig, wie er sich so um diese Pflanze sorgte.
Trotz allem musste er sich jetzt von dem Gewächs abwenden und den Entwaffnungszauber üben. Dabei versuchte ich ihn so gut ich eben konnte zu unterstützen, aber irgendwie wollte es nicht so recht klappen. „Du hast zu viel Bewegung in deiner Hand. Versuch sie mal ruhiger zu halten und mach nur so. Expelliarmus", erklärte ich und führte den Zauber einmal vor. Sofort flog der hölzerne Zauberstab unserer Übungspuppe durch die Luft. Geschickt fing ich ihn auf und steckte ihn zurück an seinen Platz.
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Lucinda - The Mask of a Slytherin
Fanfiction„Unsere Herkunft definiert nicht wer wir sind" Lucinda wurde in einem zwiegespaltenen Haushalt geboren. Ihr Vater, ein traditionsbewusster Zauberer, der sich viel auf seine edle Reinblütigkeit einbildete. Ihre Mutter, die, besonders nach der Zwangsh...