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Ezra erzählte mir zum ersten Mal von seiner Familie. Seine Eltern waren Anwälte und hatten fest im Sinn, dass er irgendwann die Kanzlei von ihnen übernimmt. Seit er ihnen verkündete, er würde Fotografie und Kunst studieren wollen, war das Verhältnis zwischen ihnen wohl sehr angespannt. Als er sich außerdem noch kurz vor dem Beginn seiner Abschlussarbeit als homosexuell outete, hängte der Haussegen endgültig schief und er flog zuhause raus. Er sagte an Silvester, er sei seit er 14 war geoutet - das war er auch, nur nicht bei seiner Familie. Also suchte er sich ein Thema in Kooperation mit der Uni, an der auch Dave studierte um eine Zeit lang Abstand von seinen Eltern zu gewinnen.

Auch Ezra hatte ein Päckchen zu tragen. Er wirkte immer so unbeschwert und stark, doch auch er war nur ein Mensch, der es nicht immer leicht hatte.

„Mum und ich haben uns an Weihnachten ausgesprochen. Dad ist immer noch ein bisschen komisch, aber das wird schon wieder. Meine Schwester Mable ist erst 16 aber spricht schon seit zwei Jahren davon, dass sie einmal eine erstklassige Anwältin werden möchte. Die Nachfolge ist gesichert, also werden sie drüber hinweg kommen." ergänzte Ezra während er seine Augen auf den See gerichtet hatte. Plötzlich fühlte ich mich viel zu weit von ihm entfernt, das Essen zwischen uns störte mich. Ich griff über die Lebensmittel hinweg und legte meine Hand langsam auf die seine und er verschränkte unsere Finger.

„Du bist echt krass, Ezra" murmelte ich vor mich hin. Sein Mundwinkel zuckten kaum sichtbar, aber ich sah ihn die ganze Zeit an, also fiel mir jede noch so kleine Detail auf. Wir saßen lange auf der Bank, sprachen über Gott und die Welt bis es schließlich dämmerte und die Kälte allmählich ungemütlich wurde.

„Lass uns zurückgehen" sagte der Brünette und fing an, alles zusammenzupacken während ich mich fragte, ob unser Date schon vorbei war.

Ich nahm den Rucksack mit den Decken und wir liefen zurück. An Ezra's Auto angekommen verräumte er alles im Kofferraum und ich stand an das Auto gelehnt, wartete ab.

„Also." sagte er ohne es weiter auszuführen. Er tat es schon wieder - ich hasste es auf die Folter gespannt zu werden.

„Also?"

Er schnaubte belustigt und schüttelte seinen Kopf, den ich am liebsten abreißen würde weil ich es hasste, wenn man meine Neugierde absichtlich ausnutzte.

„Also, willst du mich noch rein bitten? Ich würde dich ja mit zu uns nehmen aber Dave ist dort und seine Eltern und ..."

„... und du willst nicht gestört werden?" beendete ich seinen Satz.

„Vielleicht. Also?"

„Mhmm... vielleicht?" spielte jetzt auch ich mit. Nimm das, du gutaussehender Adonis.

Ezra griff nach meinem Handgelenk, zog mich zu sich und plötzlich trennten uns nur noch Millimeter. Überrascht hielt ich den Atem an. Er schaffte es immer wieder.

„Vielleicht muss ich dir einen kleinen Anreiz geben?" murmelte er an meine Lippen ehe sie sich endlich berührten. Er griff in mein Haar, zog mich so nah zu sich wie es nur möglich war. Ein ersticktes Stöhnen ertönte aus meinem Mund und einen Moment später spürte ich seine Zunge in meinem Mund. Wir küssten uns leidenschaftlich, voller Hingabe und ich vergaß, dass ich mir eigentlich bis gerade eben den Arsch abfror.

Ich wollte mehr. Viel mehr als das. Ein letztes Mal drückte er mit seinen Lippen gegen meine und löste sich schließlich von mir.

Er grinste. Ich grinste. Ich nickte mit meinem Kopf in Richtung meiner Wohnung und wir gingen endlich rein. Mir wurde erst bewusst, wie kalt es die letzten Stunden war, als wir die warme Wohnung betraten und ich augenblicklich spürte, wie sehr mich die wohlige Wärme umgab.

„Tee? Dann wärmen wir vielleicht schneller auf" schlug ich vor, als ich unsere Jacken aufgehängt hatte.

„Hayden"

„Hm?" Ezra's Arm tauchte direkt vor meinem Kopf auf, stemmte sich in den Türrahmen, durch den ich gerade gehen wollte. Ich drehte mich zu ihm um, wurde keine Sekunde später gegen eben diesen Türrahmen gedrückt und spürte erneut Lippen auf meinen. Diesmal jedoch wilder. Voller Verlangen. Ich ließ mich in den Kuss sinken, schmeckte Ezra in meinem Mund und alle meine Sinne waren wieder auf den Brünetten geschärft.

„Ich kenne da etwas anderes, das und beim Aufwärmen hilft."

Seine Lippen auf meinen, auf meinem Hals. Hinter meinem Ohr. Überall. Mein Verlangen wuchs von Sekunde zu Sekunde und ich fühlte mich bereit. So bereit, wie ich mich lange nicht mehr für etwas fühlte und ich wusste in diesem Moment nichts, was ich mehr wollte, als Ezra endlich so nah wie möglich zu sein. Als seine Hände meinen Oberkörper hinab wanderten zuckte ich zusammen. Wenn wir das tun, dann wird er mich sehen und zwar komplett. Würde ihm gefallen, was er sieht? War ich gut genug? attraktiv genug? Begehrenswert? Was, wenn er mich abstoßend findet ohne meine Klamotten, die meinen Körper versteckten? Welchen Part übernimmt er? Kann ich ihm überhaupt Befriedigung verschaffen? Mein Herz klopfte gegen meine Brust, aber nicht vor Aufregung sondern aus Angst. Angst, nicht gut zu sein. Wie immer spürte Ezra, dass ich plötzlich ganz wo anders war und löste sich wieder von mir, ging durch die Tür in mein Wohnzimmer. Ich hätte schreien können, stattdessen blieb ich einfach verdutzt an Ort und Stelle stehen und sah ihm hinterher.

„Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber mir ist wieder warm." sagte er, während er sich kurz zu mir umblickte und mir übertrieben zuzwinkerte. Ich war dankbar für diesen lockeren Spruch, der verbarg, dass wir beide ganz genau wussten, warum er das getan hatte.

Ich wollte das. Aber gleichzeitig hatte ich Angst, dass es das erste und letzte Mal sein würde.

„Vollidiot" murmelte ich und folgte ihm in die Küche, wo ich Tee aufsetzte. Mit unseren Tassen bewaffnet machten wir es uns auf der Couch gemütlich und ich verschüttete fast den kochend heißen Tee, weil ich in Gedanken immer noch bei unserem Kuss war.

„Es ist okay" sagte Ezra, der mich, als er bequem saß, in seine Arme zog. Ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge, zog den Ezra-typischen Duft ein und ließ mich gegen ihn sinken. Allein seine Nähe reichte aus, um meine Gedanken für einen Moment zu verbannen. Bei ihm konnte ich einfach sein. Hayden. Nicht mehr und nicht weniger, warum hatte ich also wegen Oberflächlichkeiten Angst? Eine Zeit lang war es einfach still, jeder ging seiner Gedanken nach. Wir tranken unsere Tassen leer und der Abschied fühlte sich plötzlich zum Greifen nahe an. Ich wollte nicht, dass er geht. Ich wollte ihn bei mir haben und da weiter machen, wo wir aufgehört hatten, ihn berühren. Ihn spüren. Doch irgendwann war der Zeitpunkt gekommen und er teilte mir mit, dass er langsam gehen werde. Dann stand er auf und wir betraten den Flur um uns voneinander zu verabschieden.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt