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„Ciao, come stai oggi?"
„Mein Italienisch ist auf die Worte Pasta, Pizza und Tiramisu beschränkt, vergiss es also gleich wieder"
„Du Spielverderber! Warst du nicht ne Zeit lang in Italien? Egal, Wie war's bei deiner Mum?" fragte Ezra mit dieser ehrlich interessierten Stimme, dass ich am liebsten jedes Detail und jede meiner Empfindungen mit ihm geteilt hätte. Aber ich wollte diese Leichtigkeit zwischen uns an diesem Abend einfach beibehalten. Und ganz nebenbei war Italien mit Sicherheit nicht die sozialste Zeit in meinem Leben und Diego sprach ausgezeichnet englisch, also habe ich die Sprache tatsächlich nicht gelernt - was ich mittlerweile bereute.
„Es war ganz okay. Erzähl mir lieber von deinem Pistazien-Gelato." wechselte ich das Thema.
„Vergiss Pistazie. Ich hab vorhin nach dem Abendessen Kokos gegessen. Kennst du diese Kokoskugeln, die mit Creme und einer Mandel gefüllt sind? Ich sag's dir das hat 1:1 so geschmeckt. Sorte Nummer dreizehn ist der neue Favorit." erzählte Ez und mir kam der Gedanke, ob er sich wirklich sicher war, auf einer Uni-Exkursion zu sein und nicht einfach eine Karriere als Food-blogger aufzubauen.
„Das hätte ich gern probiert" „Lass uns irgendwann zusammen nach Italien, ich zeig dir die heißesten Spots." Zusammen. Urlaub, Wie ein Paar? Ich tat mich immernoch so schwer, die Inhalte seiner Sätze richtig zu deuten. Vermutlich interpretierte ich immernoch viel zu viel. Außerdem kannte ich vermutlich mehr Spots als er in Italien - wie er selbst zu Beginn des Gesprächs sagte: ICH hatte eine Zeit lang dort gelebt.
„Jaden hat mich heute was witziges gefragt." „Was denn?" rascheln am Ende der Leitung. Ob er schon im Bett lag?
Ich wusste nicht, warum ich ihm jetzt doch davon erzählte.
„Er hat gefragt wer bei uns im Bett welchen Part einnimmt" wieder rascheln. Und dann war seine Stimme plötzlich viel lauter. Als hätte er den Lautsprecher ausgeschalten.
„Fuck, hat er echt? Dein Bruder ist ein seltsamer Typ." „Schon oder?" Ich schmierte mir nebenbei eine Scheibe Toast, da ich nach dem Kuchen vom Nachmittag nicht wirklich Hunger hatte.
„Also ... willst du auch mal ran? Ich hab nie drüber ..." „... nein Ezra. Will ich echt nicht. Wirklich nicht." blockte ich direkt ab und sicher war ich jetzt komplett rot angelaufen. Zum Glück nutzten wir heute kein Facetime.
„Okay verstanden. Was machst du grad?" „Ich war grad Duschen und mach grad essen. Du?"
„Bist du nackt?" ignorierte er meine Frage. „Hä?" „Naja, du warst Duschen, das ist also gar nicht so abwegig oder?"
„Ich hab n Handtuch rum. Du hast genau angerufen, als ich aus der Dusche kam. Ist deine perverse Neugierde damit befriedigt?" „Also bist du faktisch nackt. Nackt und in ein Handtuch gehüllt. Oh maaaaaan. Ich hab Kopfkino, Hay. Warum bist du soweit weg?" Er war doch derjenige, der nach Italien geflogen ist um 100 Sorten Eis zu probieren.
„Vielleicht war das mit dem Handtuch auch ne Lüge" log ich. Bisschen Spaß musste sein. Ich biss mir auf die Lippe.
„Hayden. Hör auf. Oder nein, hör nicht auf. Ich krieg allein bei dem Bild in meinem Kopf wie du in deiner Küche stehst, so wie Gott dich schuf. Du lehnst an der Arbeitsplatte und schmierst deinen Toast und dann komm ich und ... ach fuck, das ist wie in jedem zweiten 0815-Porno. Trotzdem macht's mich grad irgendwie geil." 0815-Porno hin oder her. Auch mich ließ das nicht kalt.
„Du sagst nichts. Dich macht's auch an hab ich recht? „Halt die Klappe Ezra." ich legte das Messer weg. Ich hatte keinen Hunger mehr, weil mein Ständer jetzt nämlich gegen mein Handtuch presste.
Danke auch Ezra.
„Auch wenn es mir auf der Zunge liegt werd ich dich jetzt nicht fragen, wie die Handlung in deinem 0815-Porno weitergeht Ezra."
„Ach weißt du, ich reib mich so richtig aufdringlich an dir und wir küssen uns und Pi Pa Po. Am Ende nehm ich dich mit Sicherheit auf der Arbeitsplatte."
Fuck.
Dieses Kopfkino.
„Ezra." Meine Stimme versagte auf halben Weg. „Ich ... bitte können wir das Thema wechseln?" bat ich, obwohl ich das ziehen in meinen Lenden genoss. Aber ich wollte es nicht so. Ich wollte ihn und, dass er mich berührte. Es wäre nicht das selbe.
„Okay, ich muss eh gleich Schluss machen. Wir haben morgen eine Firmenführung schon ziemlich früh. Ich wär zwar gern dabei, wenn du es dir gleich selbst besorgst, aber wie es der Zufall so will bin ich gerade viel zu weit weg."
„Ezra" sagte ich mit mehr Nachdruck.
„Ist gut. Schlaf schön Hay. Sehen wir uns nächstes Wochenende?" „Unbedingt. Gute Nacht"
Und natürlich konnte ich nicht warten und beendet das, was Ezra gerade mit seiner Stimme begonnen hatte mit meiner Hand selbst. Auch wenn mir seine Hand lieber gewesen wäre.
Oder sein Mund.
Fuck, ich war komplett verloren.
Warum konnte ich mir noch immer keinen Reim auf die ganze Sache machen? Alle um mich herum - sei es Lilly, Jaden oder Mrs. K - sagten ständig, ich solle einfach mit ihm reden. Anders würde ich es schließlich nie herausfinden.
Ich fühlte mich als würden zwei Hayden auf meinen Schultern sitzen. Der Eine, mit rosa-roter Brille und einem pinken Plüschmantel, der gar nicht mehr klar denken konnte vor lauter Verliebtheit und Verlangen auf den Brünetten. Der Andere, gehüllt in Nebel und dunkle Farben, der noch immer an dem Verlust von vor fünf Jahren hing und immernoch die Lücke spürte, die ich über Jahre hinweg versucht hatte zu schließen. Es war ein Prozess. Ich hatte Zeit zu heilen und war stabil wie lange nicht. Die Angst vor einer erneuten Verletzung, diesmal noch brachialer weil ich mich weniger schützte als damals - war allgegenwärtig.
In Nächten wie dieser spielte ich wieder alle möglichen Szenarien immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Eines in dem wir zusammen waren, uns liebten und alles gut war. Eines, das gezeichnet war von Abschied und Schmerz. Dabei war das Leben doch nie schwarz oder weiß. Es war immer alles, so viele Farben und Mischungen von Tönen und all das ergab das Gesamtkonzept eines Lebens. Es hab so viele Facetten dazwischen, so viele Möglichkeiten und so viele Chancen und Gefahren, dass es unmöglich war, alles zu bedenken.
Am Ende kam es immerhin meistens anders als man es dachte.
Es gab also nur zwei logische Konsequenzen: Erstens, ich floh und schützte mich vor allem was kommen könnte. Oder Zweitens, ich würde es nehmen wie es kommt. Ich wusste was ich wollte und es war Ezra. Ezra und all seinen Fassaden, seinem unverschämt guten Aussehen und seiner positiven Art. Mit diesen tiefen und lebendigen Augen, die bis in meine Seele blicken konnten, schon damals. Ich musste nur mutig genug sein, mich fallen zu lassen. Er musste irgendwas an mir finden. Irgendwas positives, sonst würde er sich nicht so verhalten. Er war nicht der Typ dafür, Spielchen zu spielen.
Und selbst wenn es keine Liebe war, sondern nur Affektion. Oder vielleicht ein bisschen die Guten alten Zeiten, die wieder hochgekommen waren. Ich konnte es nicht beeinflussen.
Man kann nicht für andere entscheiden, ihnen eine Richtung aufzwängen. Kurzfristig mit Sicherheit, aber auf lange Sicht hatten wir eben alle unsere eigenen Sehnsüchte und Wünsche.
Wenn ich es also sowieso nicht ändern konnte, was hatte ich dann zu verlieren?

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt