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„Ich bin hier weil ich dir die Sache mit Drew erklären will." Das hatte ich befürchtet, also nickte ich nur zustimmend.
„Ich wollte nicht, dass du das heute morgens hörst. Das war nichts." „Er hat gesagt, dass er dich liebt Ez. Das ist nicht nichts." hielt ich dagegen.
„Ich weiß, aber ... hör zu. Die Sache zwischen ihm und mir lief ein Jahr lang und für mich war es nach einiger Zeit etwas festes, weil ich Gefühle für ihn hatte und das habe ich ihm damals auch gesagt. Er hat mich monatelang hin gehalten, mit anderen Männern geschlafen und alles drum uns dran. Ich hab dann irgendwann versucht es zu beenden, weil es mir nicht gut getan hat. Das ist erst gut gegangen, bis er vor meiner Tür stand und sagte, er würde mich lieben. Natürlich hab ich ihm noch eine Chance gegeben, dann noch eine und noch eine. Aber bis auf die Tatsache, dass er sagt, er würde mich lieben hat er sich nicht geändert."
„Also ist es nicht vorbei." stellte ich sachlich fest. Mein Eis war halb aufgetaut, kaum angerührt. Mir war kotzübel, weil ich ihm dabei zuhörte, wie er mir davon erzählte, dass er Gefühle für einen anderen hatte. Obwohl ich ja nicht erwarten konnte, dass er ähnlich abstinent war wie ich in den letzten Jahren.
„Doch, ist es. Wirklich, Hay." Er sah mich direkt an aber ich konnte überall hin sehen, nur nicht zu ihm. „Nachdem wir uns wiedergetroffen haben bin ich wieder zurück gefahren. Eigentlich wollte ich ihm eine letzte Chance geben, aber dann hab ich dich getroffen nach so langer Zeit und dann hat es sich nicht richtig angefühlt, also hab ich es endgültig beendet. Seitdem hab ich nicht mehr mit ihm geschlafen oder sonst was. Außerdem war es eh schwierig, weil ich jetzt hier lebe und er aber nicht mitkommen wollte und ich dort nicht glücklich war. Er hat es akzeptiert und dann, och glaub als ich für meinen Fotografie-Job wieder zuhause war stand er einfach vor der Tür aber ich habe nicht aufgemacht. Und heute hat er eben wieder angerufen. Es tut mir wirklich leid, dass du das hören musstest, ich wollte dir kein falsches Bild vermitteln. Ich hab vorhin mit ihm telefoniert. Ich hab seine Nummer blockiert. Ich will ihn echt nicht, Hay."
Schweigen.
Einerseits war ich erleichtert, das die Dinge anders waren als befürchtet. Aber Ezra hatte ihn geliebt. Er hatte mit mir abgeschlossen und weiter gemacht und natürlich war das normal, aber in mir bäumte sich eine Unsicherheit aus, dass Drew sich irgendwann wirklich ändern könnte und Ezra dann zu ihm gehen würde.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Ez. Ich weiß nicht mal, warum du mir das alles erzählst. Ich mein ... wir hatten Sex, ja. Aber du bist mir nichts schuldig, weißt du?" „Warum ich es dir erzähle? Fuck Hayden, ich dachte du hättest es echt begriffen, vor allem nach letzter Nacht. Das war doch nicht einfach nur Sex, das war ... mehr als das." Und jetzt schwenkte mein Blick doch ganz automatisch zu ihm und den tollen Augen, die mich so eindringlich und ernst ansahen, dass ich wieder Gänsehaut bekam. Obwohl wir 28 Grad hatten. Ja richtig, es war so viel mehr als Sex.
Für uns beide.
„Was wolltest du mir neulich nicht am Telefon sagen? Wir sind jetzt beide hier, du kennt es also jetzt sagen oder?"
„Dass es wegen dir nicht mehr funktioniert hat mit Drew. Ich hab dich gesehen und hab in dem Moment verstanden, dass ich Drew nicht mehr hinterherrennen sollte. Weil es was gibt, jemanden gibt, der so viel besser ist als er. Verstehst du? Ich will ..." „... also bin ich ein Ersatz? Damit du von dem toxischen Typen loskommst?" Ich wollte solche Dinge nicht sagen. Wirklich nicht. Aber ich war gerade wieder in meinen Selbstschutzmechanismus übergegangen. Ich konnte mich nicht weiter öffnen. Zumindest nicht im Moment.
„Du macht es mir gerade echt schwer. Nein, du bist kein Ersatz. Oh Gott, wenn dann war er doch der Ersatz. Ich bin ehrlich, ich dachte, das zwischen dir und mir ist längst vorbei. Ich wusste, dass wir uns irgendwann wiedersehen aber eigentlich wollte ich, dass wir uns einfach für den jeweils anderen freuen können, dass alles wieder gut geworden ist. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich nach fünf verdammt langen Jahren wiedersehe und alles wieder hochkommt. Du hast mich damals echt verletzt, weißt du? Und trotzdem sitzen wir beide jetzt hier." Jetzt wandre er den Blick ab. Sein Augen waren glasig und mein inneres zerriss vor lauter Widerspruch. Ich haderte zwischen Flucht und Emotion-Tsunami und versuchte, irgendwie die Mitte zu finden. Die Waage zu halten.
„Ich wollte dich nicht verletzen, Ezra. Aber ich war nicht ... ich war so mit mir und meinem Trauma beschäftigt, dass ich es nicht besser konnte. Ich wollte wirklich, aber es ging damals nicht. Es tut mir echt leid." murmelte ich und meinte jedes Wort so, wie ich es sagte. Mrs. K und ich hatten stundenlang über Ezra und mich gesprochen. Endlos lange hatte ich erzählt, geheult, wieder erzählt und noch viel mehr geheult. Und wir haben es immer und immer wieder durchgespielt und Ezra's Person betrachtet und ich konnte irgendwann ein wenig besser verstehen, wie es für ihn gewesen sein muss. Diese Entschuldigung jetzt auszusprechen half mir dabei, ein bisschen mehr zu heilen.
„Ich weiß doch Hay. Wirklich." Ein leichtes Zucken mit den Mundwinkeln und das, was ich sah war doch fast ein kleines Lächeln. Nur ein Ansatz dessen.
Aber so schön.
Ich wollte noch so viel mehr sagen. Dass es mir doch genauso ging und auch bei mir alles wieder hochgekommen ist und, dass er mir so viel bedeutet und ich ihn bei mir haben will. Ganz nah, ganz viel. Vielleicht war es aber zu viel für heute. Vielleicht mussten wir einen Schritt nach dem anderen machen. Nicht gezogen über Monate hinweg, aber eben auch nicht, wie jetzt, über ein paar Stunden. Verarbeiten. Atmen. Darüber schlafen.
Wir redeten noch eine ganze Zeit und er erzählte mir mehr über Drew. Drew, der ihm so schöne Augen gemacht hatte und ihm Sicherheit gab, aber Spaß daran hatte, jedem anderen Mann, der interessiert war, das ebenfalls zu geben. Und, der sich nach einiger Zeit als toxisch herausstellte und dafür sorgte, dass Ezra und wer weiß, wie viele weitere, ihm hinterherrannten und er sich daran ergötzte, wenn andere flehten. Ich hasste ihn. Vor allem dafür, dass er das alles mit Ezra getan hatte, denn er hatte es einfach nicht verdient. Das hatte niemand.
Wie es jetzt weiterging? Erstmal gar nicht, denn obwohl ich ihn am liebsten gebeten hätte, bei mir zu bleiben kam ich gar nicht erst dazu.
Zwei Wochen.
So lange würde er nach Italien reisen. Heute Abend noch. Seine Koffer waren schon in seinem Auto, denn in wenigen Stunden würde der Flieger gehen und er wär erstmal in viel zu weiter Ferne.
Blöde Uni-Exkursion. Warum musste er ausgerechnet jetzt für zwei Wochen auf eine Exkursion an die Partner-Uni unserer Hochschule reisen?
Wiederwillig brachte ich ihn wieder zur Tür, nachdem wir eine halbe Ewigkeit und doch viel zu kurz auf meinem Balkon gesessen hatten und der kleine Tisch zwischen uns sich immer größer angefühlt hatte.
„Also dann" sagte ich, als wir an der Türschwelle meiner Wohnung standen, verlagerte unsicher mein Gewicht vom einen Bein auf das andere. Wie verabschiedet man sich von jemandem, mit dem man sich gerade ausgesprochen hatte nachdem man letzte Nacht unglaublich intensiven Sex hatte? Von dem man noch immer nicht wusste, was wir eigentlich waren? Wenn es für DAS überhaupt einen Namen gab.
„Ich meld mich, wenn wir gelandet sind." „Hab' ne schöne Zeit und ich denk wir ... sehen uns dann?" Das war bescheuert. Wie wir umeinander herum schlichen mit unseren Worten.
„Darf ich dich ...-." „- unbedingt" unterbrach ich ihn schnell. Endlich. Komm.
Blitzschläge durchzogen mich - wieder einmal - als er mir einen keuschen Kuss auf die Lippen drückte und seine Hand die ich an meiner Hüfte spürte mich zu sich zog. Noch einen kurzen Moment diese Wärme, diesen Körper spüren.
Es waren nur zwei Wochen.
Danach könnten wir einfach weiter machen, definieren was das ist.
Einander spüren.
„Ich meld mich ok?" sagte er noch, bevor er im Treppenabgang verschwand und ich kurz überlegte, ihm hinterherzueilen.
Noch ein Kuss. Kitschig, wie in einer Seifenoper hätte ich mich an ihn geschmiegt und noch einen weiteren Kuss gestohlen. Und noch einen. Und vielleicht noch einen, immerhin waren es ganze zwei Wochen.
Aber wir waren nunmal nicht in einer Seifenoper, auch wenn es sich ehrlich gesagt so anfühlte.
Manchmal.
Als würde irgendjemand sich diese Geschichte einfach ausdenken, weil es dieser Person Freude bereitet mir ein möglichst turbulentes Leben zu bescheren.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt