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Bestärkt von meiner Therapiesitzung durchwühlte ich meinen Kleiderschrank und entschied mich letztlich für das Outfit, das ich vorhin bereits beim Einkaufen getragen hatte: Schwarze Bermuda-Shorts mit einem weißen Shirt und einem Lockeren Hemd. Ich wollte schließlich nicht den Eindruck erwecken, ich hätte mich extra wegen unseres Dates umgezogen. Es war ja nichtmal ein Date, sondern ein Treffen unter Freunden. Waren wir jemals überhaupt Freunde? Partner? Wir hatten es nie definiert daher verwirrte mich unsere Beziehung zueinander noch mehr doch ich versuchte, mich an Mrs. K's Worte zu erinnern und ihren Rat zu befolgen. Es bringt nichts, alles bis ins letzte Detail zu zerdenken, denn am Ende kommt es meist doch anders, als wir vermuten. Warum also nicht gleich gar keine Gedanken machen? Auch, wenn das leichter gesagt als getan war schaffte ich es, ohne Panikattacke bei dem Café anzukommen.

Es sah noch genauso aus wie vor fünf Jahren und war wie immer gut besucht. Ich drückte gerade die Glastür auf, sah gleichzeitig Ezra, der mir aus einer der hinteren Ecken zuwinkte. Er hatte ein kleines Zweisitzer-Sofa reserviert, vor dem ein kleiner runder Tisch stand. Also kein Sicherheitsabstand. Wir würden zu zweit auf diesem Sofa sitzen, was meine Nervosität nicht unbedingt geringer machte.

„Hey, du bist früh dran" sagte ich, als er in Hörweite war. Ich war bereits zehn Minuten zu früh, also musste er mindestens eine viertel Stunde vor der vereinbarten Zeit angekommen sein.

„Na du? Meine Vorlesung war früher aus, also bin ich schon etwas eher da gewesen. Hier, die Karte. Ich hab schon rein geschaut" Ich nahm die schwarze Ledermappe entgegen, setzte mich neben ihn und achtete dabei darauf, dass wir uns auf gar keinen Fall berührten. Ich blätterte kurz in der Karte, als die Bedienung auch schon vor uns stand, bewaffnet mit einem Tablet um die Bestellungen aufzunehmen.

„Hallo Professor. Heute wieder das gleiche wie immer?" fragte das rothaarige, zierliche Mädchen überfreundlich. Ich schloss daraus, dass Ezra wohl öfter hier war, vermutlich war sie auch eine Studentin von ihm.

„Ja danke sehr aufmerksam. Und du, Hay?" wandte er sich mir zu und ich konnte nicht übersehen, dass sein Blick kurz meinen Körper hinabhuschte und schließlich wieder an meinen Augen hing.

„Eh ... Achso ja. Ich nehme einen Iced Latte und habt ihr noch Zitronenkuchen?" fragte ich.

„Heute ist ihr Glückstag, gerade waren noch genau zwei Stücke da, die jetzt wohl ihnen gehören." grinste Sie, klopfte in ihr Tablet unsere Bestellung und machte auf dem Absatz kehrt.

Als sie außer Reichweite war wünschte ich mir, sie wäre einfach geblieben und ihre quirlige Art hätte die Situation aufgelockert, denn es begann ein komisches und wirklich unangenehmes Schweigen zwischen uns. Ich zupfte am Saum meiner Short herum und sah überall hin nur nicht in die Richtung des Brünetten.

„Also ... Was musst du in deiner Wohnung noch machen?"

„Hm?" entgegnete ich, da er mich gerade aus meinen Gedanken gerissen hatte.

„Du meintest doch, du hast Urlaub weil du noch was in deiner neuen Wohnung machen wolltest. Und ... was willst du noch machen?"

„Achso. Ich würde gern noch ein paar Bilder aufhängen, vielleicht ein paar Pflanzen kaufen und so. Es ist irgendwie noch nicht so wohnlich, deshalb fühl ich mich manchmal noch nicht so wohl dort. Aber ich hatte bisher ehrlich gesagt nie so viel Platz für mich alleine und hab auch durch meine Zeit im Ausland nicht wirklich viele Sachen ... Ja, ich weiß auch nicht." erzählte ich.

Bevor Ezra antworten konnte kam unsere Bestellung und ich war dankbar über die Ablenkung, etwas Essen zu können. So konnte ich mich wenigstens ein bisschen vor meinem Gedankenkarusell ablenken und würde vielleicht doch nicht den Verstand verlieren. Und Oh Gott - der Zitronenkuchen war himmlisch.

„Der ist Mega oder? Ich esse immer ein Stück, wenn ich hier bin. Und ich bin quasi Stammkunde, also essen ich den Kuchen ehrlich gesagt recht oft." plapperte Ezra.

„Da bin ich fast ein bisschen neidisch. Ich wünschte, ich hätte den Kuchen früher entdeckt"

„Aber jetzt kannst du ihn ja immer essen, wenn du willst. Das freut mich wirklich, Hayden" Ich verstand die Anspielung an früher sofort. Ganz vorsichtig tastete sich Ezra an mich heran und war bemüht nichts falsches zu sagen. Natürlich hätte ich früher niemals diesen Kuchen bestellt und, dass ich es heute ohne schlechtes Gewissen tun konnte machte mich ehrlich stolz. Und es freute mich umso mehr, dass Ezra das auch erkannte.

„Danke, ja. Ist viel Zeit vergangen ... Ich mein, ich komm jetzt besser klar."

„Das hab ich schon am Wochenende beim Essen gemerkt. Du wirkst ...ich weiß auch nicht. Ich hatte das Gefühl ich würde den Hayden sehen, den och früher immer nur für den Hauch einer Sekunde sehen konnte, ehe du ihn wieder weggesperrt hast. Das ist cool, Hayden. Wirklich"

Mein Herz sprang mir fast aus der Brust, als ich seinen Worten lauschte. Ich spürte regelrecht die Wärme, die er in mir entfachte, genauso wie damals. Nur, dass mir damals diese Wärme immer zu viel war, weil es in mir oft zu kalt war. Rückblickend war ich oft in seiner Gegenwart einfach in Schockstarre.

„Danke, Ez. Und es freut mich ... nun ja ..." versuchte jetzt ich mich, langsam heranzutasten. „.. Jedenfalls freut es mich, dass es dir auch gut geht. Bei dir scheint es auch gut zu laufen. Selbständigkeit, der Job an der Uni und ... Andrew hieß er, richtig?" fragte ich, obwohl ich mir zu einer Millionen Prozent sicher war, wie er hieß, aber das wollte ich mir nicht anmerken lassen. Ich beobachtete Ezra genauestens, daher fiel mir auf, dann sein Blick plötzlich ein bisschen trüber wurde, der Glanz ging seinen sonst so strahlenden Augen einfach verloren und ich spürte, dass ich vielleicht zu neugierig gewesen war. Es ging mich schließlich nichts an. Vor allem Andrew nicht.

„Hayden, weißt du ..." „Nein, vergiss es. Tut mir leid, ich war zu neugierig." Unterbrach ich ihn um zu verhindern, dass er sich um meinet Willen rechtfertigte. Wenn er mir von ihm erzählen wollte, dann könnte er das jeder Zeit von sich aus.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt