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Ich wollte es nicht zugeben, aber Ezra und ungefähr alles, was mit ihm zutun hatte beschäftigte mich das gesamte Wochenende. Es machte keinen Sinn, dass er mir Signale sendete und wirkte, als würde er auch noch an mir hängen und gleichzeitig baut er sich eine Beziehung mit einem anderen auf.
Seit einem Jahr.
Ich wollte nicht mehr, dass mich etwas so sehr einnahm. Es tat mir nicht gut, die Sache so zu zerdenken aber ich war auf er anderen Seite absolut nicht bereit Ezra selbst drauf anzusprechen. Erwachsen, wie ich war reagierte ich dennoch kaum noch auf seine Nachrichten - wozu auch? Eine Männer-Freundschaft wollte ich mit ihm auf keinen Fall. Das konnte ich noch nicht.
Vielleicht würde ich es auch niemals können.
Am Samstag schickte er ein Foto von seinen Cornflakes und später von der Location, in der er fotografierte. In der Nacht schrieb er mir, dass er Feierabend hätte und jetzt noch mit einem Freund ein Bier trinkt. Ich war mir mittlerweile sicher, dass sein „Freund" Drew war und das machte es nicht besser. Allmählich war ich nicht nur genervt sondern ernsthaft verletzt - wie konnte ausgerechnet Ezra so mit mir spielen?Würde ich vielleicht wissen, wenn ich einfach mal meinen Mumm zusammennehmen würde und fragen würde.
Ich war sehr erwachsen. Absolut.
Sonntag schrieb er mir, dass er auf dem Weg zurück wäre und ich kommentierte dies nur mit einem Daumen nach oben. Als er dann fragte, wie es mir ging schrieb ich Gut. Fragte aber nicht, wie es ihm ging.
Wir würden uns ohnehin bald sehen, Lilly hatte kommende Woche Geburtstag und hat und schon vor Tagen in eine WhatsApp-Gruppe mit dem Namen „Dirty-Thirty" eingeladen, weil auch sie die 30er-Marke jetzt überschreiten würde. In der Einladung stand was von Club und Ezra hatte kurze Zeit später zugesagt, also komme ich einem Treffen ohnehin nicht aus dem Weg.
Ich gammelte auf meinem Sofa, wie es typisch für Sonntag war, zappte durch das Free-TV Angebot und blieb bei einer Wiederholung einer Late-Night-Show hängen, wo gerade zwei bekannte Sängerinnen in einem Hip-Sync-Battle gegeneinander antraten und überlegte kurz Lilly zu schreiben, da sie mittlerweile wieder vom Wellness zurück sein müsste. Andererseits hatte ich keine Lust, darüber zu reden. Was auch Immer mit mir los war.
Oder wer.
Und wenn man vom Teufel spricht, vibrierte mein Handy verräterisch auf dem Sofa neben mir.
Also doch der Teufel.
Ist bei dir heute was geplant? Mein Besuch bei Hannibal ist überfällig und ich hätte Zeit. Der lächelnde Emoji hinter der Nachricht wirkte wie ein Psychopath und in mir kam erneuter Unmut auf. Kaum ist er nicht bei Drew bin ich wieder aktuell, was?
Sorry, muss passen. schrieb ich kurzangebunden.
Was ist los, Hayden? Kam es keine Minute später zurück und ich fühlte mich wiedermal ertappt, weil Ezra selbst beim Schreiben erkennen konnte, wenn etwas im Busch ist.
Alles gut, Ezra log ich also um mich vor der Wahrheit zu drücken, dass absolut nichts gut war seitdem ich den Brünetten wieder getroffen hatte.
Als sein Name auf dem Display auftauchte überlegte ich einen Moment, es einfach zu ignorieren. Meine insgeheime Sehnsucht nach ihm bewegte mich dazu, doch auf den grünen Hörer zu drücken.
„Du hast genau Fünf Minuten, mir zu sagen was los ist. Dann bin ich nämlich mit dem Auto offiziell am Ortsschild vorbei und innerhalb weniger Minuten bei dir um es herauszufinden. Sprich mit mir Hay." tönte seine Stimme, unterstrichen von Fahrgeräuschen, da er sicherlich mit Freisprechfunktion fuhr.
„Dir auch einen Schönen Sonntag Ezra. Ich sagte doch, dass alles ok ist - warum rufst du also an?"
„Weil es nicht ok ist. Im Ernst du schreibst entweder gar nicht zurück oder nur irgendwelche Emojis die nur 50-jährige verwenden. Ich meine, wer nutzt heute noch den Daumen nach oben?" erzählte er losgelöst, immerhin er schien bei bester Laune zu sein.
„Findest du das nicht echt übergriffig, mir das einfach so zu unterstellen? Das kannst du besser, Ezra" darauf nur ein Seufzen. Dann Stille.
„Du musst es sagen, wenn wir nicht mehr miteinander reden sollen. Ich hab's dir doch gesagt, dass ich weiß wie komisch es zwischen uns ist. Sag mir, ich soll es lassen dann halt ich mich einfach fern, komm auch nicht mehr zu den Treffen mit den anderen. Sind ja immerhin deine Freunde, das versteh ich." Er klang genervt, obwohl ich derjenige war, der alles Recht hatte, genervt zu sein. Verstand er es wirklich nicht oder war er einfach nur ignorant? Am liebsten hätte ich aufgelegt, aber das würde auch kein Problem lösen also atmete ich. Zwei, drei mal zog ich die Luft tief in meinen Körper und konnte endlich wieder einen klaren Gedanken fassen,
„Es ist einfach komisch, Ez. Wir sehen uns fünf Jahre nicht, nachdem ich dich einfach so geghosted habe und dann tauchst du auf und gibst mir Signale, die ich nicht verstehe und ich fang an, dich in jedem meiner Gedanken zu haben und dann erzählt Dave mir, dass du und Drew was Ernstes habt und ich fühl mich wie der letzte Idiot." „Moment. Dave hat was?"
„Den Rest ignorierst du einfach? Im Ernst, ich dachte ich kenn dich ein bisschen, aber fünf Jahre scheinen eine lange Zeit zu sein. Weiß Drew, dass du noch zu mir Kontakt hast? Oder war das eine unwichtige Info, weil wir nie zusammen waren?"
Atme Hayden. Atme. Ich wusste genau, dass ich emotional wurde und ich meine Gedanken gerade ungefiltert und ohne Rücksicht von mir ließ, obwohl ich mir nie Ezra's Seite angehört hatte. Ich wusste nur keinen anderen Weg in diesem Moment.
„Sorry" sagte ich weil Ezra noch immer nichts gesagt hatte.
„Nein, es ist ... fuck Hayden du bist ... nein vergiss es. Nicht am Telefon. Ich will dir nicht sowas sagen, wenn wir über zwei Plastik-Geräte miteinander verbunden sind. Aber eins will ich gerne klarstellen. Ich bin nicht mit Drew zusammen. Ich war nicht mit ihm zusammen und das werd ich auch in Zukunft nicht. Ich weiß nicht, was Dave dir erzählt hat aber nach unserem Wiedersehen letzten Monat hab ich ihn getroffen und es beendet, weil ... egal. Es hat nicht funktioniert, nichtmehr nachdem wir uns wiedergesehen haben. Ich hab ihn nicht gesehen, als ich die ganze Woche hier war, weil ich ihm per Facetime gesagt habe, dass er mich nicht mehr kontaktieren soll. Weißt du noch, als wir im Café waren? Dieses Telefonat meine ich. Aber Hay, lass uns nicht weiter am Telefon darüber sprechen okay?"
Ich verarbeitete die Informationen, die ich eben erhalten hatte, verknüpfte Synapsen, zog neue Schlüsse und kam zu einem wichtigen Fazit: Ich war ein riesiger Vollidiot. Nicht nur, dass ich Ezra nicht einmal gefragt hatte, was das mit Drew ist. Nein, ich hab einfach eine Geschichte zurechtgelegt in der ich das Opfer bin und er der Bösewicht ohne daran zu zweifeln. Ich hätte mir das meiste meines Ärgers sparen können und jetzt war ich Ezra eine echte Entschuldigung schuldig.
„Tut mir leid Ezra, ich bin zu weit gegangen." murmelte ich also und legte mich mit dem Hand am Ohr auf dem Sofa ab.
„Ich dachte du kennst mich ein bisschen besser, Hayden. Aber ist schon gut, ich hab es ja auch nie klargestellt. Ich wusste nicht, wie ich dem Typen mit dem ich mal was hatte sagen sollte, dass der Typ mit dem ich gerade was hatte nicht mehr aktuell ist. War ne komische Situation, sorry."
„mhmm" brummte ich, weil mir allmählich die Worte ausgegangen waren. Es könnte so einfach sein, wenn man einfach miteinander spräche.
Wir Menschen werden aber mit zunehmendem Alter nur noch gut darin ÜBER Menschen zu reden und nicht mehr MIT ihnen. Das spürte ich gerade am eigenen Leib. Mrs. K würde mich kreuzigen für meine Engstirnigkeit.
„Aber wo wir gerade so reden. Sollen wir einfach in Zukunft weniger darüber nachdenken, was mal war und mehr daran denken, was noch kommt?" schlug ich vor, weil ich innerlich wirklich Mrs. K vor mir hatte, die mir vielleicht doch lieber die Rübe abreißen würde. Mit diesem Spruch sollte ich zumindest wieder etwas gut gemacht haben.
„Das klingt gut, Hay. Ich bin übrigens mittlerweile zuhause." „Cool." „Hmm, was Machst du?" „Ich lieg auf dem Sofa. Sorry, dass es mit Hannibal heute nichts wird, ich schick dir dafür ein Foto ok?" bot ich an, da mir noch immer nicht wirklich nach seiner Anwesenheit war, es wäre komisch sich jetzt nach diesem Telefonat direkt zu sehen.
„Ein Foto von dir oder von Hannibal?" Ich hörte das lächeln in seiner Stimme wieder und spürte, wie es auf mich abfärbte.
„Eigentlich von Hannibal, kannst aber auch von uns beiden eins haben?" stieg ich deshalb darauf ein. Weil es sich jetzt leichter anfühlte.
„Aber bitte extra Fotos. Von jedem eins wär toll."
Als wir kurze Zeit später aufgelegt hatten schickte ich ihm erst ein Foto von Hannibal, der noch quicklebendig war, worauf ich ehrlich gesagt ziemlich stolz war. Obwohl meine Arbeitskollegen mir auch nochmal bestätigt hatten, dass Aloe-Vera-Pflanzen fast unkaputtbar waren. Sie kannten mich wohl noch nicht so gut.
Für das Foto von mir brauchte ich erst ungefähr 35 Anläufe, die allesamt grauenhaft waren und selbst ein Bilder erkannt hätte, dass sie total gestellt wirkten. Also warf ich das Handy erst frustriert auf mein Sofa, kuschelte mich wieder in meine Decke und schoss kurze Zeit später einfach ein Foto von mir ohne Pose, ohne Schnick-Schnack und drückte auf senden. Was sollte ein möglichst ästhetisches Selfie schon bringen?
Ja, ich war definitiv noch verliebt in den Kerl. Sowas von verliebt.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt