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Ich schlief circa fünf Stunden. Als ich mein Handy checkte war es 10:48 Uhr und Ezra schnarchte noch leise neben mir. Noch keine Nachricht von Lilly.
Ezra lag auf dem Bauch, den Kopf in meine Richtung gedreht und sein Gesicht war selbst schlafend und vollkommen entspannt und überzogen von Druckstellen von der Bettwäsche unglaublich schön. Ich drehte mich ebenfalls auf den Bauch und beobachtete ihn einfach eine Weile - wie der letzte Creep, aber es war mir egal. Meine Gedanken kreisten immer wieder um die letzte Nacht während ich beobachtete, wie sein Körper sich unter seinem regelmäßigen Atem immer wieder hob und senkte.
Es war definitiv mehr als einfach nur Sex. Für mich war es alles, es bedeutete mir so viel endlich etwas zurückbekommen zu haben, das mir fünf Jahre lang gefehlt hat. Mein Kopf dröhnte und der Rücken sowie mein Hinter schmerzten, waren übersäuert von der nicht gewohnten Aktivität vor ein paar Stunden. Dabei war es doch nur ein einziges Mal.
Als der Brünette tief seufzte und am Aufwachen zu sein schien wandte ich meinen Blick unauffällig ab.
„Gaff ruhig weiter, ich halt das aus" brummte er mit seiner tiefen Morgenstimme, die im südlichen Teil meines Körpers direkt wieder ein Zucken auslöste.
Verdammt. Dieser Typ.
„Morgen" murmelte ich und war direkt wieder fasziniert von diesen Augen, die selbst kurz nach dem Aufwachen strahlten. Ich war sowas von verliebt. Ich konnte meine eigenen Gedanken nicht mehr ohne ein imaginäres Augenrollen ertragen.
„Wie spät haben wir?" „Gleich 11." „Hmmmm fuck. Ich bin in einer Stunde bei Dave's Familie zum Essen eingeladen." stellte Ezra fest, drückte mir kurz seine Lippen auf die Schläfe und rollte sich zum Bettende. Er stand auf und ging ins Bad, als wäre es das selbstverständlichste, dass er splitterfasernackt vor mir herumlief. Meine Ohren wurden heiß und ich sah instinktiv weg, weil es mir plötzlich wieder unangenehm war.
Als ich nach ihm im Bad war und in die Küche lief roch ich schon frisch gekochten Kaffee und hoffte doch, dass er auch eine Tasse für mich hatte. Ich war kurz vor der Tür, als ich Ezra's Stimme und die eines anderen Mannes am Telefon hörte.
Das war nicht Dave und mit Sicherheit auch nicht Luke. Ich wollte nicht lauschen, aber blieb dennoch stehen.
„Nein, ich war gestern Lilly's Geburtstag feiern. Und warum hast du überhaupt angerufen?"
„Ich wollte nochmal mit dir sprechen, Ez." Ez. So vertraut. Ein Freund? Nein, ich ahnte, wer da über den Lautsprecher ertönte.
„Hör zu Drew. Ich hab es dir doch gesagt, ich ..." „...Ezra ich hab dir gesagt, dass es mir leid tut, dass ich mich nicht ausschließlich auf dich fokussiert hatte. Aber ich will dich, ich liebe dich." Drew. Liebe.
Fuck.
Meine Füße setzten sich automatisch in Bewegung und ich betrat die Küche, obwohl ich gerade lieber weggelaufen wäre. Ich hätte das nicht hören sollen. Nein - ich wollte das nicht hören. Ich wollte den Schmerz nicht spüren und es machte es nicht besser, dass Ezra sofort als er mich sah den Lautsprecher ausmachte und sich das Handy ans Ohr presste.
„Ich kann gerade nicht. Bis dann".
Dann legte er auf und auch das machte es nicht besser. Absolut nicht
„Hay, ich weiß das kam jetzt sicher blöd rüber aber..." „... bitte, nicht Ezra. Alles gut, wir sind nicht zusammen oder so. Ich ... ehm. Es geht mich nichts an und du bist mir keine Rechenschaft schuldig ok?" spulte ich meine Gedanken einfach ab. Ich wollte nicht aus der Emotion heraus eine Diskussion anfangen. Nicht nach dem, was letzte Nacht war. „Es ist halb 12 vorbei und ich muss meinen Schlüssel bei Lilly holen. Reden wir später?" schlug ich vor und war insgeheim wahnsinnig stolz, wie sehr ich mich im Griff hatte.
Mir war nur ein ganz kleines Bisschen zum Heulen zumute. Das war ein Fortschritt.
Ezra beließ es dabei und ein Teil von mir wünschte sich, er hätte sich doch gerechtfertigt, denn den gesamten Weg, den ich nachdem wir uns viel zu distanziert verabschiedet hatten zu Lilly lief kämpfte ich jetzt doch gegen die Tränen und mein Gedankenkarussell an.
Verdammte Gefühle.
Ich drückte auf die Klingel und der Summer ging keine zehn Sekunden später. Sie war also schon zuhause.
Als ich die Treppen hochsprang und sie mich wie immer im Bademantel empfing und mich in eine herzliche Umarmung zog fiel ein bisschen von meinem Ballast ab.
„Ich würde dir gern von meiner wirklich heißen Nacht erzählen aber du siehst selbst aus als hättest du was zu sagen" fing sie an als sie mir eine Tasse Tee reichte und sich zu mir auf's Sofa setzte.
„Ich hab letzte Nacht mit Ezra verbracht" brachte ich die Sache auf den Punkt und Lilly's Gesichtszüge durchspielten sämtliche Emotionen, die ich kannte innerhalb weniger Sekunden. Selbst sie war ausnahmsweise mal sprachlos.
„Was zum ... wie? Also ich will nicht wissen, wie ihr Sex hattet - wobei doch eigentlich schon aber das tut hier nichts zur Sache. Wie kam's dazu? Und vor allem, wie gehts dir jetzt?"
„Nicht gut. Also in Bezug auf die Nacht und Ezra und den Sex geht's mir gut. Aber vorhin hat dieser Drew angerufen und seitdem ist es komisch."
„Ist es komisch oder interpretierst du nur einfach zu viel rein?" bohrte sie Lilly-typisch nach.
„Beides. Er war auf einmal voll distanziert und wollte sich rechtfertigen aber ich wollte es vorhin ehrlich gesagt nicht hören. Vielleicht hatte ich Angst, er würde mir sagen, dass das mit Drew nicht abgeschlossen ist. Ich hatte echt schiss."
Lilly lehnte sich gegen mich. „Oh mein Süßer. Du bist so eine Dramaqueen. Ruf ihn an und frag. Oder noch besser, lade ihn zu dir ein, frag ihn und hab danach noch mehr Sex mit ihm. Ich seh dir an der Art wie du sitzt an, dass es gut war. Fuck ich bin so neugierig Hay."
Meine beste Freundin erzählte mir von ihrer Nacht - natürlich mit Alex - und ließ dabei kein Detail aus. Wirklich kein einziges.
Ich gab ihnen zwei Wochen, bis sie es offiziell machen würden. Maximal.
Zwei Wochen dauerte es hingegen nicht, bis ich die Sache mit Ezra klären konnte. Das dauerte genau genommen nur wenige Stunden.
Ich war gerade nach einem Stück Geburtstagskuchen von Lilly zuhause angekommen, hatte geduscht und mich in frische Kleidung geschmissen, als es an der Tür klingelte und der Brünette plötzlich vor mir stand, obwohl wir nicht mal geschrieben hatten.
„Es ist übergriffig, einfach vor anderer Leute Wohnung zu stehen ohne sich anzukündigen" sagte ich trocken, um möglichst gekonnt zu überspielen, dass ich ihn am liebsten mit Fragen bombardiert hätte.
„Ich hab Eis dabei. Zwei Eimer Ben & Jerry's von der Tanke die ein Vermögen gekostet haben. Hast du n Balkon?" fragte er und drängelte sich an mir vorbei in die Wohnung und obwohl das die Definition von übergriffig war machte es mir tatsächlich nichts aus. Ich schmunzelte und folgte ihm, wie er ohne mein Zutun den Balkon entdeckte und sich auf dem Weg dorthin im Wohnzimmer flüchtig umsah.
„Cookie Dough oder Chocolate Brownie?" fragte er nachdem wir uns auf den Loungemöbeln breit gemacht hatten. Ich hatte für meinen Balkon zwei Rattan-Sessel und einen Glastisch gekauft. Genug Sicherheitsabstand also.
Oder doch zu viel?
„Cookie Dough" sagte ich und streckte meinen Arm aus, um mir einen der Becher zu nehmen, obwohl ich absolut keinen Appetit hatte. Aber ich hatte gehört, Eis half gegen fast alles, also setzte ich meine Hoffnung in die Süßspeise.
Ewig dauernde Minuten vergingen, bis Ezra endlich von seinem Eisbecher aufblickte, der mittlerweile halb leer war.
Wow.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt