28

37 9 0
                                    

Wir unterhielten uns gut, Während Rose von ihrem Alltag als Mutter erzählte und feuchte Augen bekam, als sie uns das Video von Louises ersten Schritten zeigte erzählten Lilly und Lucas von ihren Jobs und ich sog all das einfach in mir auf, genoß es hier zu sein und mich irgendwie angekommen zu fühlen.

„Jetzt aber mal zu dir Hayden." richtete Lucas das Wort an mich. „Erzähl, was hast du alles getrieben? Du warst im Ausland richtig? Und wo überall? Und wie konntest du dir das überhaupt leisten, immerhin waren wir alle scheiß arme Studenten damals." Die Frage war berechtigt, schließlich war ich sogar auf Unterhalt von meinem Vater angewiesen gewesen und hatte durch das Studium nur selten die Zeit, Nebenjobs zu machen.

„Ich war zuerst in Spanien, bin zwei Wochen an der Küste entlang gereist mit meinem Rucksack und hab in einem Hostel schließlich die Besitzerin kennengelernt. Sie hat mir angeboten zu bleiben und im Hostel zu helfen. Von da an ging das immer durch Kontakte so weiter. Ich war dann bei Bekannten auf einer Farm und bin schließlich weiter nach Portugal. Ich konnte da zum Glück schon einigermaßen Spanisch und konnte dadurch bei einer Familie als Babysitter leben. Und so ging das irgendwie dann weiter und als die Pandemie und der Lockdown in Europa kam, war ich gerade in Italien. Von da aus hab ich dann auch an den virtuellen Kursen teilgenommen und von dem Geld gelebt, was ich in Spanien und Portugal verdient hatte. Ich musste zuvor ja zum Glück nie irgendeine Miete zahlen und in Rom lernte ich dann einen Italiener kennen - Diego - und gründete mit ihm eine WG für ein Jahr." „Diego?" Unterbrach mich Lucas und zog die Augenbrauen fragend hoch. War ja klar.

„Der süße Diego war auch schwul müsst ihr wissen." fing Lilly an zu brabbeln „Aber unser Hayden hier hat ihn einfach nicht ran gelassen, stimmt's?" Ich nickte, denn es stimmte. Diego war ein Bild von einem Mann und dazu noch wahnsinnig charismatisch und ein wirklich guter Mensch. Wir lernten uns während dem Lockdown in einem Hotel kennen und er war der erste Mann seit Ezra, den ich an mich ranlassen wollte. Doch jedes Mal, wenn wir uns trafen bekam ich danach Flashbacks von dem Brünetten, den ich auch 1,5 Jahre später noch so sehr vermisste. Einmal - wir waren spät nachts unterwegs - ergriff Diego die Initiative und als ich die Lippen des attraktiven Italieners auf meinen spürten und seine Hand in meine Hose wanderte wusste ich: Ich war nicht bereit für einen neuen Mann an meiner Seite. Es blieb bei diesem einen unangenehmen Zwischenfall, wir zogen in einer WG und wurden gute Freunde, verbrachten ein schönes Jahr zusammen ehe Diego, der dann mit seinem Studium fertig war, ein Jobangebot in Österreich bekam und sich unsere Wege wieder trennten.

„Jedenfalls war ich ein Jahr in Italien bevor ich dann irgendwie in Thailand gelandet bin." Irgendwie war gut gesagt, denn ehrlich gesagt wusste ich nicht, wohin, nachdem Diego fort war und bin zufällig im Internet auf die Information gestoßen, dass trotz Pandemie gerade die Einreise nach Thailand gelockert wurde also packte ich meine sieben Sachen und flog gefühlt auf die andere Seite der Welt. Uns erst als ich im Land der Sonne war, wo ich so viele Menschen traf, die trotz der schweren Zeit und den allgemeinen Umständen in diesem Land so dankbar waren und stets lächelten, begann ich endlich - nach fast zwei Jahren, mich mir selbst zu stellen. Die ganze Zeit zuvor hatte ich einfach ausgeblendet, wie es mir ging, lebte in meiner Bubble und verdrängte meine Probleme, die immer noch da waren. Nicht nur einmal hatte ich eine Panikattacke, übergab mich nach dem Essen oder zweifelte den Sinn meines Lebens an. Ich musste wohl nach Thailand kommen und die Menschen dort treffen, um mutig zu sein. Ich dachte in dieser Zeit wieder viel an Ezra, las seine letzte Nachricht an mich hunderte Male durch und begann dort erst zu verstehen, was er mir eigentlich sagen wollte.

Trau dich, Hayden. Du hast es verdient zu heilen. Sei mutig und rette dich selbst.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich eher überlebt.

Und, obwohl ich in Thailand alleine war, war ich nicht mehr einsam. Denn ich erkannte, dass ich mich hatte. Ich war immer noch da und ich war stärker, als ich all die Jahre dachte. Ich fing an, meine Bachelorarbeit zu schreiben, arbeitete in Hostels in den Bergen, am Strand, in Städten und prägte mir die thailändische Kultur, den Buddhismus und die Lebensweise der Menschen ein.

After the Storm - Man x ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt