„Also hattet ihr zweimal Sex? Direkt nacheinander?" Lilly lehnte sich auf mich und nahm mir die Chipspackung aus der Hand.
Ich musste es mit ihr teilen. Ich musste jemandem von all dem erzählen, um mir zu beweisen, dass es wahr war. All das geschah wirklich, es war kein ewig andauernder, wunderbarer Traum. Ich nickte zustimmend.
„Also du und Ezra. Das ist unerwartet. Ich hab nie mitbekommen, dass ihr euch SO nahesteht - ihr beiden seid scheiß-talentierte Schauspieler."
Die letzte Stunde hatte ich ihr alles erzählt. Und wenn ich alles sagte, dann meinte ich wirklich ALLES. Die WG-Party, unsere Zeit auf dieser Bank am See, das Date und nicht zuletzt der Höhepunkt von vergangener Woche - oder besser gesagt die DREI Höhepunkte.
Wortwitz und so.
Hast du's überlebt? Ezra wusste, dass ich ihr von uns erzählte, was auch immer UNS bedeutete.
Ich tippte. Ich bin noch an einem Stü...
Eine unbekannte Nummer rief mich an. Lilly sah mich prüfend an und nickte mir schließlich stumm zu und formte mit ihren Lippen lautlos das Wort LAUTSPRECHER als ich ranging.
„Hallo?"
Meine Kinnlade fiel urplötzlich hinab. Ich kannte diese Stimme, doch hatte sie ewig nicht gehört. Bekannt und doch wildfremd. Anhand meiner Reaktion erkannte meine beste Freundin sofort, wer es war. Sie ist ihm nie begegnet, aber kannte alle Geschichten.
Es war mein Vater. Zuletzt hörte ich seine Stimme als wir uns vor Gericht trafen, weil er sich weigerte mir während meines Studiums Unterhalt zu zahlen. Ich wollte eigentlich kein Geld von ihm, aber wir hatten nicht sonderlich viel Geld, ich arbeitete schon nebenbei aber konnte mir die Wohnung dennoch gerade so leisten. In einem kleinen Raum mit zwei Anwälten und einem Richter hatte ich seine Stimme zum letzten Mal gehört. Es war über drei Jahre her.
„Ich wollte nur hören, wie es dir geht" sagte er. Scheinheiliger Mistkerl.
„Mir geht's bestens" „Das freut mich. Nun ... ehm, sag studierst du noch?"
„Noch ein Jahr, ich bin gerade an meinen Vertiefungsmodulen" erklärte ich knapp. Mein Herz schlug ohrenbetäubend in meinem Inneren und ich zerquetschte unbewusst Lilly's Hand, die auf meinem Knie gelegen hatte.
Gefühlt endlos lange hielt er das Gespräch künstlich am Laufen. Inhaltslos. Ich hatte mittlerweile eine Vorstellung warum er anrief, wartete bis er endlich die Bombe platzen ließ.
„Also jedenfalls, wegen des Unterhalts ... ich hab mit meinem Anwalt gesprochen. Wenn du'S nicht in Regelstudienzeit schaffst, dann bin ich nicht mehr verpflichtet zu zahlen. Ich wollte dir das nur sagen." rückte er endlich mit seiner eigentlichen Intention heraus.
Ich wusste es. Trotzdem schmerzte es wie ein Stich direkt in die Brust. Mein Keifer arbeitete angestrengt.
„Tut mir leid, dass ich dich belaste" murmelte ich.
„So meinte ich das..." ich legte auf. Lilly sah mich an. „Arschloch."
„Arschloch" erwiderte ich.
Er hatte meine Mutter verlassen, da war ich gerade Sechs. Ich kam in die Schule und hatte bereits ein Elternteil verloren. Trotz geteiltem Sorgerecht sah ich ihn nur sporadisch, als Mum Stephen kennenlernte hörten auch die Besuche von ihm auf, weil er meiner Mutter keine freien Wochenenden gönnte. Seitdem sah ich ihn nur an Hochzeiten oder Beerdigungen. Oder eben, wenn ich das Geld einforderte, das er mir irgendwie schuldete. Ich hätte es wissen müssen, trotzdem hatte ich für den Hauch einer Sekunde die Hoffnung, er würde uns irgendwann vielleicht vermissen. Ich wollte keine Entschuldigung, ich wollte keine Entschädigung. Ich wollte einfach, dass er auf uns zuging. Ich wollte einen Vater haben. Stephen war toll, keine Frage. Aber er war nunmal nicht mein Vater. Und die Tatsache, dass der eigene Vater einen nicht liebte, tat weh.
Wieder eine Enttäuschung. In mir brach etwas.
Erneut.
„Hayden ich ..." „Lass es." unterbrach ich meine Freundin, ehe sie mir ihre verständnisvollen Worte mitteilen konnte. Ich wollte es nicht hören. Konnte Nettigkeit gerade nicht ertragen. Nicht einmal von ihr.
Ich stand auf, durchquerte ihre Wohnung und zog mir wortlos meine Schuhe an. „Ich muss los." Murmelte ich, als ich bereits die Türklinke in der Hand hatte.
„Dein Date mit Ezra oder?" Das hatte ich vergessen. „Aber Hayden, wenn etwas ist dann melde dich bitte. Immer." Ich spürte die Wärme, die ihre Hand auf meiner Schulter auslöste, doch konnte auch diese nicht ertragen.
Es war so abgefuckt.
Ich ging ohne ein weiteres Wort. Nach Hause und bekam es nichtmal hin, Ezra abzusagen. Es war mir egal, ob ich ihn enttäuschte. Würde ich sowieso früher oder später.
Ich war eine so große Enttäuschung, nichtmal mein eigener Vater wollte mich.
Wieso also Ezra?
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After the Storm - Man x Man
RomanceHayden ist gefangen in seinem Leben, das bestimmt wird durch seine vielen Dämonen. Als er in dieser einen Nacht zum ersten Mal auf Ezra trifft, beginnt ein Sturm aufzuziehen. Ein gewaltiger, der sein Leben prägen würde - für immer. Es war nur ein ha...