Teil 64.1 - Carl the human insect!

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Müde drehte Effy sich im Bett, zog die Decke noch ein kleines bisschen höher, um die Wärme besser genießen zu können. Durch die nur angelehnte Tür der Gruft drangen die Stimmen ihrer beiden Mitbewohner aus der Küche, welche offensichtlich bereits vollständig wach und bester Laune waren.

„Graveyard Funnies proudly presents: Carl the human insect!", erschall laut und deutlich Jans Stimme, als wäre er ein Zirkusdirektor, der die nächste Nummer ankündigte. Effy vermutete, dass sie Beiden für ihren am Samstagabend bevorstehenden Auftritt ein paar Ansagen probten, und wurde nicht enttäuscht, als auf die Verkündigung ein langgezogener, röhrender Rülpser durch die gesamte Wohnung hallte.

„Der Brunftschrei des Kartoffelkäfers! This is Carl!", erklang wieder Jans Stimme, gefolgt vom schallenden Gelächter der zwei Musiker. Schmunzelnd drehte das Mädchen sich um, versuchte dem Lärm zum Trotz noch ein paar Minuten Schlaf zu ergattern, doch diese Hoffnung wurde nicht erfüllt.

Mit leichten Kopfschmerzen erhob sie sich schließlich und schlurfte hinüber ins Bad. Die Nachtruhe war eindeutig zu kurz gewesen, auch wenn der Wecker unter Belas Bett bereits zwei Uhr nachmittags anzeigte.

Noch immer schlaftrunken stieg das Mädchen unter die Dusche und genoss die Ruhe, während das lauwarme Wasser Chlorreste und Müdigkeit den Abfluss hinabspülte.

Zumindest hätte es dies getan, wäre der Ablauf nicht verstopft gewesen. So jedoch stieg der Wasserpegel von Minute zu Minute an, bis es Effy an die Kniekehlen reichte und sie schließlich den Wasserhahn abdrehte.

Das kleine Bad war mittlerweile in dichte Dunstschwaden gehüllt, welche ihm die tropische Atmosphäre eines Dschungels kurz vor dem Mittagsregen verlieh.

Auf den Fliesen bildete sich eine große Pfütze, da das Mädchen den Fluten entstieg und sich das am saubersten anmutende Handtuch vom Boden griff. Ihr Blick streifte dabei die Reflexion des Badezimmerspiegels über dem Waschbecken, welche nur noch die verschwommene Silhouette einer dunklen Gestalt zeigte.

Den Kopf leicht schief gelegt trat das Mädchen näher, ließ die Finger über das kühle Glas gleiten und schenkte dem unscharfen Schemen ein Paar nachdenklich dreinblickende Augen. Das Blau der Iriden strahlte ungewöhnlich hell im seitlich durch das schmale Fenster einfallende Sonnenlicht.

Aus der Unschärfe tauchten nach und nach die Konturen eines in den letzten Zügen noch kindlichen Gesichtes auf. Der Schwung der dunklen Augenbrauen verlieh ihm auch ohne Schminke etwas Markantes. Volle Lippen kräuselten sich versuchsweise zu einem selbstgefälligen Lächeln. Ein leichtes Heben des Kinnes, ein verführerischer Wimpernaufschlag.

Dann verschwand der Ausdruck, als habe man ihn ebenso sorgfältig weggewischt wie den Dunst auf dem Spiegelglas. An seine Stelle trat eine ernste, beinahe zweifelnde Miene.

Die knochigen Schultern waren leicht nach oben gezogen, als fröstelte das Mädchen, dabei war das Bad noch immer vom schwülen Schleier des tropischen Regenwaldes erfüllt.

Langsam, beinahe zögerlich wanderten Effys Finger tiefer, entblößen Zentimeter um Zentimeter ihres nackten Körpers.

Wann hatte sie sich wohl das letzte Mal ausgiebig im Spiegel betrachtet? War es wirklich der Tag gewesen, da Freddie ihr den Bikini gekauft hatte? Seitdem waren gewiss Monate ins Land gegangen. Wobei: Freddie und sie waren am 30. April offiziell zusammen gekommen und nun war es irgendwann Anfang August...

Einstein hatte definitiv recht mit seiner Theorie.

Einfach unglaublich, wie viel in dieser kurzen Zeit geschehen war und wie sehr all die Erfahrungen sie doch verändert hatten. Dabei fühlte sie sich überhaupt nicht anders. Es war die kleine, naive Effy, die ihr fremd geworden war.

𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt