Teil 37.3 - Hinter den trostlosen Kulissen

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Das Schlafzimmer der Nachbarin roch gewöhnungsbedürftig nach altem Mensch, Zigarillorauch und dreckiger Wäsche. Auch die Einrichtung war mit ihrer in dunklem Holz gehaltenen Optik nicht auf den ersten Blick bestechend.

Es gab einen riesigen Kleiderschrank, welcher eine gesamte Wandbreite einnahm, ein Doppelbett voll vergilbter Rüschenkissen und Nachtkästchen zu beiden Seiten, auf denen antiquierte Gaslampen standen.

Kritisch beäugte Effy den riesigen Berg Plastiksäcke unterschiedlicher Formen und Farben, welcher sich auf dem Kleiderschrank stapelte.

„Da oben is ne Kischte, de bräuchte ick", sagte die Dame neben ihr und zeigte mit einem Gehstock, der dem Mädchen zuvor noch nie aufgefallen war, auf den Berg Sachen, die sich auf dem Möbelstück in zwei Metern Höhe stapelten.

„Da käme Jan viel besser dran", warf die Fünfzehnjährige ein, ohne große Hoffnung, dass der Vorschlag auf fruchtbaren Boden fallen würde. Tatsächlich machte die Frau bloß eine abwehrende Handbewegung, wobei ein wenig Asche auf dem Teppichboden landete, und erklärte, dass sie keine Fremden in der Wohnung haben wolle.

Effy war sich nicht sicher, ob das auch für sie galt und falls nicht, ob dies nun ein Kompliment gewesen war.


Seufzend holte sie einen Stuhl aus der kleinen Küche und begann mit dem staubigen Tagewerk. Noch immer reichte sie kaum hinauf bis zu den zuoberst liegenden Dingen, doch nachdem sie es geschafft hatte, diese hinab zu befördern, war der Rest kein Problem mehr.

Eine Hilfe war die alte Dame ihr allerdings nicht. Rauchend stand sie auf ihren Stock gelehnt und beobachtete das Mädchen dabei, wie sie Sack für Sack auf dem Boden abstellte. Nur ab und an gab sie auch noch einen Kommentar der Sorte „Janz vorsichtig sein" von sich oder bekam einen Hustenanfall von dem Geschlote.

Einmal mehr fragte die Fünfzehnjährige sich, weshalb sie der Alten überhaupt half, doch auch wenn ihr kein schlagendes Argument dafür einfiel, machte sie weiter.

„Ja, des kennt se sein", erklang da plötzlich die krächzende Stimme hinter ihr. Effy drehte sich noch auf dem Stuhl, bemüht das schwere Teil nicht aus den Händen gleiten zu lassen.

Mit eifrigen Händen griff die alte Dame nach dem Sack mit festem, quaderförmigem Inhalt und eilte mit ihrer kostbaren Fracht ins Wohnzimmer. Der Gehstock fiel nutzlos geworden zu Boden.

Schmunzelnd blickte das Mädchen der Alten hinterher. Was hatte sie auch erwartet, ein Dankeschön etwa? Das war einfach nicht die Art dieses wandelnden Schornsteins.

„Soll ich die anderen Sachen wieder hoch räumen?", rief Effy der Frau hinterher. Aus dem Wohnzimmer kam eine undeutliche Antwort, die in etwa besagte, dass das alles Müll sei, den das Mädchen wegschmeißen könne.

Wenn Bela und Jan bloß so rigoros wären, hätten sie alle bedeutend mehr Platz in ihrer Wohnung, dachte Effy und blickte auf den staubigen Haufen alter Klamotten hinab.

Sie verspürte kein großes Bedürfnis danach alles die Treppe hinunter zum Hausmüll zu tragen, das wären gewiss zehn Mal rauf und runter, doch auch die Idee alles aus dem Fenster zu werfen, erschien nicht überzeugend, so dass sie alsbald verworfen war.

„Na dann alles wieder auf Anfang", dachte das Mädchen innerlich aufseufzend und griff schon nach dem ersten Sack, da erscholl noch einmal die kratzige Stimme aus dem Nebenzimmer: „Wenn de irjendwat haben wills, kannstes behalten."

Kritisch blickte die Fünfzehnjährige auf das erstaunlich ordentlich verpackte Gerümpel, sich fragen, ob sie wirklich für irgendetwas davon Verwendung finden würde. Schulterzuckend knotete sie den ersten Sack auf, doch ein kleines bisschen neugierig, was dort vorzufinden sein würde.

𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt