𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)

Teil 35 - Ekelhaft sowas

„Das klingt sowas von irre!", ereiferte sich Ramona mit glänzenden Augen, welche gebannt der Erzählung ihrer Freundin über die Intrigen gelauscht hatte, in die sie verstrickt war. „Und diesem Jake ist echt zu trauen?"

Effy nickte und erklärte geduldig: „Er bildet sich tatsächlich ein, wir wären füreinander bestimmt. Ich habe sein Notizbuch gestohlen, in der Annahme dort ein paar Informationen über ihn oder Monika oder seine Freunde zu finden, aber stattdessen ist es voller Informationen über mich, inklusive Wichsvorlage."

Grinsend schob das braunhaarige Mädchen das unscheinbare Notizbuch zu ihrer Freundin hinüber, die neugierig danach griff und dann angewidert das Gesicht verzog. Laut las Ramona die aufgeschlagene Seite vor, die Stimme vor Eckel triefend: „Ich wünschte sie wäre mein. Sie ist auf eine unerklärliche Weise perfekt mit ihrem seidigen, braunen Haar und diesen strahlend blauen Augen, die mir jedes Mal wieder den Atem rauben, wenn sie mich mit ihrem Blick fesselt.

Ich stelle mir vor, wie sie unter ihrem kurzen Schulrock die schwarze Seidenunterwäsche trägt, die ich letztes Wochenende für sie im KadeWe gekauft habe. Die Spitze betont die blasse Haut ihrer Schenkel gewiss auf das Vorzüglichste. Urg, das ist ja gruselig und bei diesem Typen warst du Zuhause? Und der hat dir echt Unterwäsche geschenkt?"

Bei dem geschockten Blick, den die Blonde ihr zuwarf, musste Effy lachen. „Nein, aber das geht noch ein paar Seiten so weiter. Davon abgesehen ist Jake allerdings in Ordnung", versicherte sie Ramona, die wenig überzeugt zu sein schien.

Die perverse Besessenheit des Jungen hatte selbst Effy nicht ganz unberührt gelassen und ein kalter Schauer war ihr über den Rücken gelaufen, als sie die Aufzeichnungen das erste Mal gelesen hatte. Andererseits bot Jake ihr damit die perfekte Einladung, um ihn für die eigenen Zwecke zu nutzen und das wog in den Augen der Fünfzehnjährigen weit schwerer als das ungute Gefühl, welches ihr bei den Zeilen des Notizbuches den Magen umdrehte.

„Sowas ist nicht in Ordnung, Effy. Das ist ekelhaft! Die ganze Sache ist total krank, auch diese Monika. Was bildet sich dieses Miststück eigentlich ein?" 

Effy musste schmunzeln, als ihre beste und einzige Freundin sich in eine nicht enden wollende Schimpftriade hineinredete, welche sie nach fast drei Minuten mit vor Erregung rosig glühenden Wangen und den Worten „Die tickt doch nicht mehr richtig!" schloss.

„Außerdem habe ich noch ein paar Dinge in seinem Zimmer gefunden, unter anderem ein Jahrbuch. Das lag ganz oben auf seinem Schreibtisch und hatte einen kleinen Einmerker auf der Seite mit Monikas und Freddies Klasse", erzählte Effy weiter, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben.

Fragend blickte das blonde Mädchen sie an. „Ist das wichtig?" wollte sie wissen, doch Effy zuckte lediglich mit den Schultern. Wer wusste schon, was hier wichtig war und was unwichtig? Fakt war jedenfalls, dass Jake sich selbst auch schon auf die Suche nach Dingen gemacht hatte, die entweder Monika oder Freddie betrafen.

Obwohl sie Jake als ihren Verbündeten betrachtete, was Monika anging, war Effy sich gleichzeitig vollkommen im Unklaren darüber, was der Junge mit Freddie vorhatte. Es schien ihr zumindest, als ob der Oberstufenschüler ihn zunächst einmal tolerierte, aber früher oder später würde es deswegen noch einmal Streit geben. Das war so sicher wie ein übervolles Schwimmbad im Hochsommer bei dreißig Grad im Schatten.

Ramona war bereits wieder in ihre Schimpftirade verfallen, während sie weiter aus dem in teures Leder gebundenen Notizbuch zitierte, doch die Jüngere hörte überhaupt nicht mehr zu. Still saß sie auf dem gemütlichen Sessel und spielte ganz in ihre eigenen Gedanken versunken mit dem ausgefransten Rand ihres Pullovers.

Ramona verzog das Gesicht zu einer Grimasse, blätterte ein paar Seiten weiter und las dann erneut vor: „Hatte heute Gelegenheit sie auf dem Pausenhof zu beobachten. Sie hat etwas an sich, dass die Menschen entweder anzieht oder abschreckt. Sechs von sieben Jungs haben sich nach ihr umgedreht, zwei von fünf Mädchen haben einen Bogen gemacht. Zählungen unbedingt fortsetzen!"