Teil 68.1 - Vorglühn bei Zecke

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„Ich geh schon!", brüllte jemand durch die Wohnung, um die ohrenbetäubende Musik zu übertönen. Ein Luxus, den man sich besser in einem freistehenden Einfamilienhaus denn einer Plattenbauwohnung leisten sollte. Zecke störte die Verwirklichung der nächtlichen Ruhestörung jedoch wenig.

Draußen auf dem Flur wurden Stimmen laut, darunter Renées tiefer Bariton, der den Biernachschub ankündigte.

Die Wohnung war bereits gerammelt voll mit Punks und Konsorten, doch es strömten unablässig weitere Gestalten herein oder tauchten aus den beiden Nebenzimmern auf. Die Gastgeberin mit den im schönsten Blau eines sonnigen Maihimmels erstrahlenden Haaren warf nur lachend die Hände in die Luft und rief: „Welcher Idiot hat euch denn alle eingeladen?"

Nach all den Monaten und Feten in Berlin hatte Effy geglaubt, den engsten Szenekreis zu kennen, in dem ihre Mitbewohner sich bewegten, doch nun beobachtete sie bereits seit einer ganzen halben Stunde, wie Bela unzählige Leute wie alte Freunde begrüßte, die sie selbst noch nie zuvor gesehen hatte.

Sich ein wenig verloren vorkommend, wanderte die Fünfzehnjährige über die Party, die eigentlich nur ein kurzes Vorglühen hätte sein sollen, und blickte sich interessiert um.

Die offensichtlich wild vom Sperrmüll und Flohmarkt zusammengesammelten Möbel variierten stilistisch zwischen Omas stets gepflegter Anrichte und dem Regal, dass selbst für den Keller zu heruntergekommen war. Dazu kam ein orangenes Ungetüm von Sofa, das fürchterlich gequälte Töne unter der Last der drei auf ihm sitzenden Punker von sich gab.

Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Wände der Dreizimmerwohnung zu tapezieren, nur ein paar Poster und Kritzeleien auf dem blanken Putz schafften ein wenig Wohnlichkeit. Was Effy jedoch am meisten faszinierte, war der exklusive Ausblick auf die Mauer und den dahinterliegenden Todesstreifen.

Den Blick aus dem Fenster gerichtet, trat das Mädchen in die Küche. Von der jungen, mit den Füßen in der Spüle sitzenden Frau, die sich lautstark über ein Knuspermüsli hermachte, nahm sie ebenso wenig Notiz wie diese von ihr.

Der Schein der gleißenden Flutlichter konkurrierte mit dem Leuchten des rosa Abendhimmels, an dem Wolkenberge die letzten kräftigen Sonnenstrahlen reflektierten.

Ein Blick nach unten aus dem geöffneten Fenster verriet, dass nur ein gepflegter, unter der trockenen Sommerhitze leidender Garten zwischen Haus und Mauer lagen, eine Distanz von vielleicht 20 Metern. Dahinter erhob sich das berüchtigte Betonbauwerk, welches Berlin in zwei Hälften trennte und sich einer grauen Schlange gleich um den Westteil gerollt hatte.

Halb verborgen vom Nachbargebäude war in einiger Entfernung ein Wachturm zu sehen, auf dem Effy die Gestalten zweier Wachsoldaten auszumachen glaubte. Doch so sehr die Fünfzehnjährige auch die Augen zusammenkniff, mit Sicherheit konnte sie es ohne das Fernglas der Oberbefehlshaberin nicht sagen.

Etwas berührte sie an der Schulter und erschrocken fuhr Effy zusammen. Gänzlich in ihrer Beobachtung vertieft, war ihr völlig entgangen, dass Renée und Ramona hinter sie getreten waren, um sie mit einem herzlichen Lächeln zu begrüßen.

„Ramona, das ist übrigens Krischi. Krischi, das ist meine kleine Schwester", stellte der Punk die junge Frau mit der Müslischale in der Hand vor, als seine Schwester sich aus der Umarmung löste, in die sie Effy gezogen hatte.

„Die Party war net meine Idee, also erwartet och koa Gastfreindschaft vo mia", ließ Krischi die Geschwister Berger nonchalant wissen, Ramonas freundliches „Hallo" mit Missachtung strafend.

„Was is eigentlich mit der kleinen Blonden von letztens?", startete Renée nochmals einen Versuch, freundlich ein Gespräch zu beginnen, doch Krischi winkte, den Löffel in der Hand, ab. Sich ein paar Fransen ihres Ponys aus den Augen streichend, verkündete sie mit vollem Mund: „Spars dir, de is ned doa und an Freind hat's och."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 19 ⏰

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𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt