„Er ist gestolpert und hat sich den Kopf an der Kante hier angeschlagen", erklärte die junge Frau mit den himmelblauen Haaren und Augen kurz angebunden. Besorgt beugte sich Renée mit einer halben Rolle Klopapier bewaffnet über den bleichen Bela, dessen geschockter Blick an seiner eigenen blutverschmierten Hand hing.
„Hier, nimm nen Zug, dann geht's dir gleich wieder dufte", wies die Blauhaarige an und zwängte dem Verletzten ihre Kippe geradezu zwischen die bebenden Lippen. Rot glomm das Stängelende auf, als der Schlagzeuger einen tiefen Zug inhalierte und dann tatsächlich langsam die Hand sinken ließ. Blinzelnd hob er den Kopf und musterte die vier Menschen, welche sich im Halbkreis um ihn herum versammelt hatten und ein verwaschenes Lächeln erschien auf seinen blassen Lippen, da auch Effys besorgtes Gesicht in sein Sichtfeld trat.
„Halb so wild, wies aussah. Aber man kann dich echt keine zehn Minuten allein lassen, was?" Erleichtert atmete Renée auf und warf das befleckte Klopapier einfach in die Ecke. „Kannst du aufstehen?"
Träge wanderte Belas Blick zu dem Rothaarigen, wenig überzeugt ein „Weiß nich..." murmelnd.
Unter Stöhnen und viel Gefluche schaffte der Schlagzeuger es schließlich, sich wackelig aufzurichten und wäre beinahe wieder zusammengeklappt, hätte Renée ihm nicht den Arm um die Mitte geschlungen.
„Das wars dann wohl mit Tanzen. Ich bring dich heim, Bela. Danke für's Bescheid geben, ihr Zwei, wir seh'n uns am Wochenende", seufzte der große Kerl an die beiden Punker gewandt, welche Bela gefunden hatten, und warf der halbleeren Tanzfläche einen wehmütigen Blick zu.
Die junge Frau mit den schlumpfblauen Haare und dem engem Latexoberteil nahm den Dank schulterzuckend entgegen. Ihre Zigarette hatte sie bereits aufgeraucht und schnippte nun achtlos den Stängel beiseite, nur um sich direkt die nächste Kippe anzuzünden. Milde interessiert wanderte der Blick aus den ebenso blauen Augen über die schmale Gestalt der Fünfzehnjährigen.
„Ich bin übrigens Zecke, wir ha'm uns schon mal geseh'n, weißt du noch? Is schon ne Weile her, war deine erste Nacht in der Stadt, glaub ick", stellte sie sich dem Mädchen erneut vor, welche sich tatsächlich wieder schemenhafte Bilder ins Gedächtnis zu rufen vermochte. Die kleine Einweihungsparty fühlte sich an, als hätte sie vor mindestens einem halben Leben stattgefunden und in gewisser weise hatte sie das auch.
Der Punkerin war das erinnernde Aufblitzen in Effys Augen nicht entgangen und mit einer nachlässigen Handbewegung deutete sie nun auch auf den Kerl neben sich, welcher bislang im Hintergrund geblieben war: „Und das ist Wölfchen."
Der Name Wölfchen hätte treffender nicht sein können. Groß und breit wie der Inbegriff eines Türstehers, war der junge Mann ein wahrer Koloss. Das schüchterne Lächeln und die herabhängenden Schultern beraubten ihn jedoch jeglicher gefährlichen Ausstrahlung, ließen ihn mit seiner strubbeligen Bürstenfrisur eher wie einen zahmen Tanzbären wirken.
Zurückhaltend nickte der Riese dem Mädchen zu, welche ihm ein ehrliches Lächeln schenkte. Wölfchen war ihr vom ersten Augenblick an sympathisch – im Gegensatz zu Zecke, welche sie noch immer nicht einzuschätzen wusste.
„Effy", erwiderte die Fünfzehnjährige kurzangebunden und schlang sich Belas anderen Arm über die Schulter. Trotz seiner schmalen Statur wog der Schlagzeuger verdammt schwer, ohne Renées Hilfe wären sie aufgeschmissen gewesen.
„Komm Wölfchen, hilf ma Renée, der dürre Kerl kriegt doch kaum nen Blumentopf hoch", wies Zecke ihren Freund an und bedachte die ganze Szenerie mit einem belustigten Grinsen.
„Der kriegt ganz andere Dinge hoch", tönte plötzlich ein überdrehtes Lachen hinter ihnen und Nopper schob sich in den kleinen Kreis. Ganz groß wurden die Augen des Roadies, als er die blutverschmierte Gesichtshälfte seines besten Freundes gewahrte und mit zitterndem Finger deutete der Braunhaarige auf die Wunde: „Du hast da was am Kopf."
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𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)
Fanfic1984 West-Berlin ist eine Insel im roten Meer, zu allen Seiten umzäunt von einer meterhohen Mauer. Einer Grenze, die weit tiefer reicht als ihr bloßes Fundament. Sie umfasst eine andere Welt, deren pulsierendes Leben die Sehnsüchte junger Menschen a...