Kaum war die Tür hinter ihren mit Bewohnern ins Schloss gefallen, da huschte Effy, lediglich in ein Handtuch gehüllt, in die Gruft hinüber. Dort war es unaufgeräumt wie immer und ihre Füße verfingen sich prompt in den am Vorabend achtlos hingeworfenen Klamotten ihres Mitbewohners, was sie beinahe zu Fall gebracht hätte.
Langsam trat das Mädchen näher an die Spiegeltür des Kleiderschrankes heran und maß ihr Spiegelbild mit skeptischem Blick. Ihre blauen Augen fuhren kritisch ihre eingehüllte Gestalt hinauf und hinab, blieben an den schlanken Beinen hängen, die unter dem Saum herausragten.
Zögerlich löste Effy das Handtuch von ihrem Körper, hielt unwillkürlich die Luft an, als es zu Boden rutschte. Es fühlte sich seltsam an, völlig entblößt dazustehen und obwohl ein warmer Lufthauch zum gekippten Fenster hineinwehte, stellten sich die Härchen auf ihren Armen leicht auf.
Unsicher drehte und wendete sich die Fünfzehnjährige unter den kritischen Blicken ihrer Ein-Personen-Jury, betrachtete alle sonst gut verdeckten Partien.
Das dunkle Haar fiel ihr in feuchten Strähnen über die Schultern, als wolle es ihr ein Minimum an Privatsphäre ermöglichen, doch Effy strich es zurück. Kein Versteckspiel mehr, sie wollte sehen, was es zu sehen gab.
Viel war es jedenfalls nicht.
Eine Augenbraue kritisch nach oben gezogen ließ Effy den Blick erneut über ihre Gestalt wandern. Besonders offensichtliche Gemeinsamkeiten hatte ihr schmaler Körper nicht mit denen der Frauen, die sich Bela in seinen Schmutzelheften so gerne besah. Ihre Brüste waren kaum mehr als eine Hand voll, gerade genug, um mit einem gut sitzenden BH einen halbwegs ansehnlichen Ausschnitt hinzubekommen.
Aus dem nicht ganz so geheimen Geheimversteck ihres Mitbewohners angelte sich die Fünfzehnjährige das nächstbeste Pornoheft. Mit kritischem Blick begann Effy die Seiten durchzublättern, die hauptsächlich mit halb oder ganz nackten, sich auf allen möglichen Untergründen räkelnden Frauen gefüllt waren.
Daneben fanden sich kurze, in den Augen der Fünfzehnjährigen völlig uninteressante Beschreibungen der Protagonistinnen. Wer wollte bitte wissen, dass Miss Doppel-D ihren Job als Kassiererin liebte und sich gerne vorstellte, einen ihrer gut aussehenden Kunden zu verführen? Effy jedenfalls nicht.
Interessanter fand sie stattdessen die Doppelseite, auf der verschiedene Sexstellungen erklärt und ausführlich bebildert waren. Sonderlich bequem erschienen ihr die meisten davon zwar nicht, aber es konnte ja nicht schaden, sich ein paar zu merken.
Was hatte Nopper letztens erzählt? Tittenfick war momentan der letzte Schrei? Das musste dann wohl die Stellung Nummer sieben sein, bei der der braungebrannte Hüne sein Gemächt zwischen den üppigen Brüsten seiner Gespielin rieb.
Kritisch betrachtete Effy das dem Betrachter leicht zugewandte, genießerisch verzogene Gesicht der Darstellerin. Naja, für diese Einlage würde es bei ihr selbst wohl nie reichen, überlegte das Mädchen und blätterte weiter.
Seufzend ließ sie nach einigen Minuten das Heft sinken und wandte ihre Aufmerksamkeit nun wieder ihrem Spiegelbild zu. Auch mit den anderen sinnlichen Kurven der abgebildeten Mannequins konnte sie nicht mithalten. Zwar war ihr Becken in den letzten Monaten etwas breiter geworden, doch von den üppigen Rundungen einer Uhrglassilhouette, wie sie die Schauspielerinnen der 60er Jahre zur Schau stellten, war sie weiter entfernt als die klassische Nachttischlampe.
Ihr Körper entsprach wohl doch eher dem Schönheitsideal der goldenen Zwanziger. Dazu passte jedenfalls ihr ebenfalls flache Po, den sie spaßeshalber mit dem Zeigefinger anschnipste. Immerhin, ein bisschen wackelte es...
Plötzlich war da ein Geräusch an der Haustür. Effy erstarrte, lauschte regungslos. Für einen Moment glaubte sie, sich alles nur eingebildet zu haben, doch mit einem Mal rumste es dumpf und schepperte direkt darauf im Wohnungsflur.
Das deftige Fluchen war unzweifelhaft Bela zuzuordnen, der da gerade mit Schwung hereingekommen und offensichtlich etwas aus dem Regal gefegt hatte.
In Windeseile pfefferte das Mädchen das Pornoheft unters Bett und schlüpfte in eine herumliegende Unterhose – bemerkte zu spät, dass es nicht ihre eigene war, doch das war ihr in diesem Moment egal.
Schon ertönten neben Belas Flüchen auch Schritte. Effy blieb keine Zeit, sich etwas überzuziehen und im Schreckmoment tat sie das, was ihr als erstes in den Sinn kam: sie stellte sich ans Fenster und tat, als wäre alles in bester Ordnung.
Auf der Linde vor dem Haus saß die schwarze Nachbarskatze und blickte interessiert aus Bernsteinaugen zurück.
Die Tür der Gruft wurde aufgerissen und ein fröhlich vor sich hin motzender Bela stolperte herein – und erstarrte in der Bewegung, als er die schmale Gestalt seiner Mitbewohnerin erblickte. Effy konnte seinen starrenden Blick beinahe körperlich auf ihr ruhen spüren.
Die Arme sorgsam vor der Brust verschränkt blickte sie sich um, tat milde überrascht, obwohl das Herz ihr noch immer heftig in der Brust pochte von der unerwartet aufgekommenen Hektik.
„Was... Ist das nicht meine?", erkundigte Bela sich ausgesprochen verwirrt und deutete auf das unverwechselbare, goldene Unterhöschen, das Effy eben als erstes in die Finger geraten war und ihr mehr schlecht als recht passte.
Als würde sie die Frage nicht verstehen, zog das Mädchen eine Augenbraue in die Höhe und erwiderte stumm seinen Blick.
Als würde ihm erst in diesem Moment gewahr, dass seine Mitbewohnerin sich nicht bloß an seiner Wäsche vergriffen hatte, sondern auch noch nackt vor ihm stand, schlug der Schlagzeuger sich mit einem Mal die Hände vor's Gesicht.
„Ich hab nichts gesehen!", verkündete Bela und stolperte mit geschlossenen Augen tiefer in die Gruft. Seine Füße verfingen sich in der Schmutzwäsche, aber er hielt sich wacker aufrecht. Einen Arm ausgestreckt, suchte er seinen Weg zum Schrank und tastete sich von dort aus weiter zum Plattenspieler.
Kajal und Einkaufszettel triumphierend in die Höhe reckend rief er: „Hab's schon!"
Kopfschüttelnd beobachtete Effy, wie ihr Freund sich zurückkämpfte, die Stolperstelle erneut nur mit Mühe bezwang und dann mit einem vernehmlichen Rumms die Tür hinter sich ins Schloss zog.
Noch immer schmunzelnd blickte das Mädchen Bela nach. Ein warmes Gefühl von Zuneigung zu diesem liebenswerten Chaoten, der sich stets solche Mühe mit ihr gab, flutete ihr Inneres und zauberte das Lächeln auf ihren Lippen noch ein kleines bisschen breiter.
Wenn sie jemanden verführen wollte, brauchte sie definitiv spannendere Unterwäsche - und sie wusste auch schon, wo sie diese auftreiben würde.
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𝐌𝐲𝐬𝐭𝐞𝐫𝐲𝐥𝐚𝐧𝐝 (Die Ärzte FF)
Fanfiction1984 West-Berlin ist eine Insel im roten Meer, zu allen Seiten umzäunt von einer meterhohen Mauer. Einer Grenze, die weit tiefer reicht als ihr bloßes Fundament. Sie umfasst eine andere Welt, deren pulsierendes Leben die Sehnsüchte junger Menschen a...