𝔢𝔦𝔫𝔲𝔫𝔡𝔳𝔦𝔢𝔯𝔷𝔦𝔤; 𝔪𝔦𝔩𝔢𝔰 𝔱𝔢𝔩𝔩𝔢𝔯 - 𝔩𝔬𝔳𝔢 𝔬𝔣 𝔪𝔶 𝔩𝔦𝔣𝔢

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Ich hasse Winter! Ich hasse Weihnachten! Ich hasse einfach alles, was mit Frohsinn und Schnee zu tun hat. Im Ernst, Weihnachten tun alle auf Friede-Freude-Eierkuchen, während sie sich in den anderen Tagen hinterhältig in den Rücken fallen.

Und noch mehr hasse ich Miles in diesem Moment. Nicht nur, dass er mitten in der Nacht einfach aufgestanden ist, mich in dem riesigen, kalten Bett allein gelassen hat, er hat mir nicht mal eine Nachricht hinterlassen - zumindest keine, die mich zufrieden stellt.

Babe! Wenn du wach bist, komm zu der Stelle, wo du zum ersten Mal das Leben gespürt hast.

Das Leben gespürt?

Es ist gerade einmal 09:00 Uhr und seine Nachricht hat mir mehr als nur eine Frage eröffnet. Schon jetzt bin ich überfordert, frage mich aber zur gleichen Zeit, was er vorhat, wenn er unbedingt in der Nacht verschwindet und mich allein lässt. Das einzige, was mich ein wenig besänftigt hat, war das Origami, das er neben dem selbst geschriebenen Zettel hingelegt hat.

Es ist nun schon einige Zeit her, als wir uns kennengelernt haben - an dem wohl komischsten Ort der Welt. Bei einem Origami-Workshop.

Es sollte wohl einfach sein - Schicksal, wie es einige nennen, wenn Miles und ich die Geschichte erzählen, wie wir uns kennengelernt haben -, dass meine beste Freundin und Miles bester Freund uns zu so einem Workshop quasi gezwungen haben. Wir beide hatten nicht sonderlich Lust darauf, aus einem quadratischen Stück Papier so eine Kunst zu machen, aber zwischen der verrückten Workshopleiterin und den Quatsch den Miles und ich gemacht haben, hat sich eine wunderbare Freundschaft, die sehr schnell zur Liebe wurde, herauskristallisiert.

»Miles, wenn ich dich nur in die Finger kriege«, murmle ich leise in meinen Schal hinein, der Konkurrenz mit einem Teppich macht.

Es ist der 6. Dezember, es liegt nur leicht Schnee und schon jetzt ist mir so kalt, das ich mich am liebsten in einer dicken Decke und einem heißen Kakao einkuscheln will, solange, bis es wieder wärmer wird und die ersten Frühblüher ihre Fühler ausstrecken.

Ich laufe wirr durch die Stadt, während meine Gedanken sich überschlagen, was er mit seinem Zettel gemeint haben könnte.

›Wo du zum ersten Mal das Leben gespürt hast‹

Krankenhaus?

Über meinen eigenen absurden Gedanken muss ich leise lachen. Er wird nicht das Gebäude meinen, in dem ich geboren bin. Es liegt ja nicht einmal in dieser Stadt, aber was kann er dann meinen?

Ich denke fieberhaft nach, während ich kopflos durch die Stadt laufe und den vielen Touristen ausweiche, die meinen Weg kreuzen. Wir haben schon so viel miteinander erlebt - auch in dieser Stadt -, dass mir tausende und keine Orte einfallen, die er meinen könnte.

Es ist aber auch früh und ich hatte immer noch keinen Kaffee! Verständlich also, dass mein Gehirn noch nicht seine volle Leistung ausschöpfen kann.

War es das Café, in dem wir uns das zweite Mal getroffen haben und ich aus Versehen mein heiß geliebten Kaffee über ihn geschüttet habe?

War es die Bank im Hafen, wo wir den Sonnenuntergang beobachtet haben und unsere Lippen sich das erste Mal berührt haben?

War es unten am Flussufer, als wir im Mondschein nackt gebadet haben und ich zum ersten Mal - das ist es!

»Ahh! Ich habe es!«, rufe ich laut aus.

Die verwirrten Blicke der Passanten ignoriere ich einfach. Sie werden mich sowieso nie wieder sehen. Ich drehe auf Absatz kehrt. Mit dem breitesten Grinsen auf den Lippen stampfe ich zu dem Ort, der mir so viel bedeutet wie auch Miles.

~

»Miles!«

Schon als ich den Sand berühre, kann ich meinen Freund sehen, auch wenn er nur mit dem Rücken zu mir steht.

»Miles?«, rufe ich erneut, diesmal fragend.

Er macht keine Anstalten, sich zu mir zu drehen, weswegen ich einfach weiter auf ihn zugehe und je näher ich ihm komme, desto mehr beschleicht mich ein Gefühl.

Hier am Ufer des Flusses, wo sich normalerweise dutzende Menschen tummeln, die die Sonnenstrahlen genießen, ist es heute leer. Beinahe als hätte Miles alles von langer Hand geplant.

»Miles?«, frage ich ein drittes Mal, als ich direkt vor ihm stehe und mein Blick über seinen Rücken wandert.

Trägt er einen Anzug?

»Sunny«, sagt er, als er sich zu mir umdreht. Nervös blickt er mir fest in die Augen und als er schluckt, kann ich seinen Adamsapfel hüpfen sehen. Einen Moment sehen wir uns einfach nur ein. Pure Neugierde strömt durch meinen Körper und lässt mich automatisch lächeln.

»Warum bist du so nervös?«, will ich wissen, während ich nach seiner leicht zittrigen Hand greife und unsere Finger miteinander verpflechte. Sofort zuckt sein Mundwinkel nach oben und er erhöht den Druck unserer Finger.

»Ich bin nicht nervös«, erwidert er, doch ich lege nur meinen Kopf schief und hebe eine Augenbraue. Er ist sehr wohl nervös, auch wenn er das Gegenteil behauptet.

»Okay, ich bin nervös«, lacht er leise, bevor er sich mit seiner freien Hand durch seine Haare fährt.

Tief atmet er durch, dann finden seine Augen wieder meine.

»Sunny, kannst du dich noch an diesen Ort erinnern?«

»Wäre ich sonst hier?«, erwidere ich frech. Mit Nachdruck in den Augen sieht er mich an. »Sorry«, nuschle ich leise.

»Es war der siebte September, als du mich das erste Mal hierher gebracht hast. Es war kalt und dennoch hast du es irgendwie geschafft, mich ins Wasser zu befördern und es war...«, ich stocke einen Moment, erinnere mich daran zurück, wie der Mond über uns war und es mir so vorkam, er hätte sich nur für uns einen Weg durch die Wolken gebahnt. Erinnere mich daran, wie kalt das Wasser war, wie warm Miles war, der sich an mich gepresst hat und wie unfassbar lebendig ich mich in diesem Moment gefühlt habe.

Es war einfach unbeschreiblich.

»Du hast zu mir gesagt, dass du das erste Mal das Leben gespürt hast. So wirklich«, erinnert er sich zurück. Ich nicke leicht, »diese ganzen vielen Empfindungen, die ich auf einmal hatte... Sie haben mich in der ersten Sekunde überfordert, bis ich realisiert habe, was es wirklich bedeutet.«

Miles Lächeln berührt mein Herz. Immer und immer wieder schafft er es auch nach all den Jahren, mich tief im Inneren zu rühren. Er hat mich ein Stück näher an sich herangezogen, dass ich seinen schnellen Herzschlag spüren kann, das unaufhörlich gegen seinen Brustkorb schlägt.

»Du hast das erste Mal das Leben gespürt und in der Sekunde in dem ich dich so nah bei mir hatte, habe ich gespürt, dass ich mein Leben in den Armen halte - Y/N Y/L/N, ich liebe dich, mit allen deinen Ecken und Kanten. Du nimmst mich, wie ich bin und versuchst, mich nicht zu ändern.« 

Tränen schimmern in seinen Augen, während diese Worte seine Lippen verlassen. Aber auch bei mir kann ich es nicht mehr zurückhalten. Seine Worte sind so unendlich tief und wahr.

»Ich liebe dich so unendlich und ich habe es satt, dass du den gleichen Namen wie Tom hast-« Ich muss schmunzeln. Auch wenn ich den gleichen Nachnamen wie Tom Cruise habe, teilen wir uns keine Verwandtschaftsverhältnisse. Trotzdem hat es Miles schon immer ein wenig gestört.

»- werde meine Mrs. Teller.«

Überglücklich lächle ich: »Du bist so ein Rooster«, schmunzle ich, stelle mich auf Zehenspitzen und lege meine Hände auf seine geröteten Wangen.

»Ja, ich will.«

i believe i can fly - top gun oneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt