Kapitel 1

748 14 0
                                    

Einige Monate zuvor

Abschicken. Mit angehaltenem Atem starre ich auf mein Handy, mein Daumen schwebt über dem Display. Ich zögere. Soll ich wirklich...?
Es vergeht eine halbe Ewigkeit, ehe ich schließlich kurzentschlossen meine Augen fest zusammenkneife und auf den Button tippe. Erledigt. Ich habe es tatsächlich gemacht.
Soeben habe ich mich offiziell bei 99 Problems mit Felix Lobrecht beworben.
Vor ein paar Stunden kam auf Instagram die Ankündigung, dass er nächsten Monat wieder wieder hier in Köln sein und eine weitere Ausgabe seiner beliebten Radioshow veranstalten wird. Schon vier mal war er im 1Live Haus zu Gast und hat das Publikum mit seiner Musik und seinen Ratschlägen unterhalten und jedes Mal war da ein Funke in mir gewesen, der mich dazu bewegen wollte, mich anzumelden - und dann habe ich mich schlussendlich doch nicht getraut.
Aber jetzt habe ich es wirklich gemacht!

Ich schlucke den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat, hinunter und schließe die 1Live App auf meinem Handy, nur, um kurz danach meine E-Mails zu öffnen. Da ist sie auch schon: eine schriftliche Bestätigung, dass meine Bewerbung eingegangen ist und sich das Team von 1Live schnellstmöglich bei mir melden wird.
Ich seufze. Eigentlich ist es vollkommen albern, dass ich mich so anstelle. Die Chancen, dass ich tatsächlich angenommen werde, sind schließlich verschwindend gering. Dort bewerben sich sicher tausende von Leuten mit ihren mal mehr, mal weniger ernstzunehmenden Problemen und nur ein kleiner Bruchteil davon schafft es tatsächlich in die Show.
Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich überhaupt so lange gewartet habe, wenn ich doch sowieso nichts zu verlieren habe.
Aber jetzt ist es endlich geschafft und mir bleibt nichts anderes übrig, als auf die Antwort von 1Live zu warten.

Um mich abzulenken, greife ich nach meinen AirPods und öffne die Spotify App. Fast schon reflexartig wähle ich irgendeine Folge von „Gemischtes Hack" aus und drücke auf Play. Als die Folge startet, lasse ich mich auf meinem Sofa nach hinten fallen, schließe die Augen und beginne, mich zu entspannen.
Ich habe jede Folge bereits unzählige Male gehört und werde trotzdem nicht müde, sie mir immer und immer wieder anzuhören. Es ist, als wäre dieser Podcast meine persönliche kleine Therapiestunde, in der ich innerlich runterfahren kann. Außer, dass richtige Therapie meistens das Gegenteil von entspannend ist.
Podcasts zu hören bedeutet für mich, meine eigenen Gedanken auszublenden und nur für mich zu sein. Und wenn ich dabei auch noch zum Lachen gebracht werde, worauf ich mich bei Tommi und Felix jedes Mal verlassen kann, macht es nur umso mehr Spaß.

Vor nunmehr fünf Jahren habe ich den Podcast entdeckt. Eigentlich war es mehr ein Zufall gewesen. Es war ein dunkler, langweiliger Winterabend gewesen und ich hatte keine Lust auf irgendein Buch oder eine Serie gehabt.
Meinen Spotify-Premium-Account hatte ich erst seit kurzen, und so habe ich endlich die Gelegenheit genutzt, mir diesen Comedy-Podcast mal anzuhören, von dem alle geschwärmt haben.
Es hat nicht lange gedauert, bis ich nur all zu gut nachvollziehen konnte, warum die beiden so beliebt sind. Während ich innerhalb von kürzester Zeit alle bis dahin erschienenen Folgen durchgehört habe, habe ich mich auch immer mehr mit den beiden Hosts beschäftigt.
Tommi war damals noch als Fernsehautor tätig gewesen und hat jetzt seine eigene Fernsehshow - die zweite mittlerweile -, einen eigenen Fußball-Podcast und schreibt Kolumnen.
Und Felix hat sich über die Jahre zum erfolgreichsten Comedian des Landes entwickelt. Seine beiden Programme „Kenn Ick" und „Hype" habe ich unzählige Male rauf- und runtergeschaut und dabei jedes Mal gelacht, als wäre es das erste Mal.
So oft habe ich mir gewünscht, einmal die Gelegenheit zu haben, ihn mit seinem neuen Programm „All You Can Eat" live zu sehen, aber leider war ich beim Kartenvorverkauf leer ausgegangen.
Jetzt ist das Programm abgespielt und ebenfalls nur noch im Stream verfügbar. Und obwohl ich vor Neugierde beinahe platze und mich nur zu gern selbst davon überzeugen würde, ob das neue Programm wirklich so viel besser ist als seine beiden Vorgänger, habe ich es bisher noch nicht geschafft, mir einen Streaming-Zugang zu kaufen. Dafür saß die Enttäuschung darüber, dass ich damals kein Ticket bekommen habe, leider zu tief.
Aber vielleicht wirst du Felix ja trotzdem bald live sehen und ihm sogar gegenüber sitzen!

Bei dem Gedanken schüttelt es mich regelrecht. Ich stehe von meinem Sofa auf und gehe in die Küche, um mir ein Glas Wasser einzugießen.
Mach dir keine großen Hoffnungen, Maddie. Da bewerben sich tausende von Leuten! Du bist auch nur eine von vielen. Wenn du angenommen werden würdest, wäre das so, als würdest du den Jackpot knacken.
Ich nehme einen tiefen Schluck aus meinem Glas und genieße das kalte Gefühl des Wassers in meiner Kehle. Danach stelle ich das Glas auf der Küchentheke ab und stoße einen tiefen Atemzug aus.
Ja, es wäre wirklich sowas wie ein Hauptgewinn.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt