Kapitel 14

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Nach einer ausgiebigen Dusche werfe ich einen Blick in den Kühlschrank. Nachdem ich den Inhalt genauestens inspiziert habe, beschließe ich, mir zum Abendessen eine Lasagne zu machen. Eigentlich ist Kim die Lasagne-Meisterin dieses Hauses, aber erstens ist sie nicht da und zweitens zieht sie bald sowieso aus. Und ich kann mir nicht den Geschmack einer guten, italienischen Lasagne entgehen lassen, nur, weil meine Mitbewohnerin nicht da ist!
Während ich das Essen zubereite, habe ich eine Folge „Gemischtes Hack" auf den Ohren. Es ist Folge 90, eine meiner absoluten Lieblingsfolgen. Ich könnte stundenlang dabei zuhören, wie Tommi davon erzählt, dass er beim Kundenservice einer Teppichfirma „dänisch abgewickelt" wurde und wie Felix dem Dachs seine Existenzberechtigung abspricht.
Ich muss schmunzeln und schließlich lauthals lachen, während ich die Lasagneplatten und die Bolognese-Soße nacheinander in meiner Auflaufform schichte und anschließend mit Béchamel-Soße und Reibekäse kröne.
Zufrieden betrachte ich das Ergebnis. Es sieht zwar nicht ganz so professionell aus wie bei Kim, aber für den Anfang bin ich zufrieden. Ich schieße schnell ein Vorher-Bild, bevor ich die Lasagne in den Ofen schiebe und mich aufs Sofa fläze. Dort öffne ich den Chat mit Kim.

Maddie: Neue Meisterköchin in the making! Oder so ähnlich. Vermisse dich. Okay, vielleicht auch nur deine Lasagne-Künste. Viel Spaß im Kino 😘

Es dauert ein paar Minuten, bis meine Noch-Mitbewohnerin antwortet.

Kim: Hey, das sieht doch schon echt gut aus! Da brauchst du meine Hilfe doch gar nicht 😉  vermisse dich auch. Morgen Abend machen wir uns einen Fernsehabend zu zweit, okay? Nur wir beide!

Ich muss lächeln.

Maddie: Unbedingt. Ich freu mich drauf!

Eine Dreiviertelstunde später lässt das Piepsen des Backofens verlauten, dass die Lasagne fertig ist. Mit ein bisschen zu viel Enthusiasmus springe ich von der Couch auf und schnappe mir die Ofenhandschuhe, um mein Werk herauszuholen.
Als alles angerichtet ist und ich gerade anfangen will, zu essen, kommt mir eine Idee. Kim hat vor ein paar Tagen eine Flasche Weißwein kaltgestellt. Ursprünglich, weil Jonas zu Besuch bekommen wollte, aber dann haben sie es sich doch anders überlegt und sich bei ihm getroffen. Zu meinem Glück, in vielerlei Hinsicht.
Ich muss grinsen und stehe auf, um mir ein Glas Wein einzugießen.
Mit dem gefüllten Glas in der Hand setze ich mich wieder auf meinen Platz. Ich stelle das Glas ab und drapiere es so, dass es neben dem Lasagne-Teller besonders gut aussieht. Dann nehme ich schnell mein Handy hervor, um einen Schnappschuss von dem Weinglas und der Hälfte meines Tellers zu schießen, bevor ich mir meine Kreation schmecken lasse.

Zwei Stunden später liege ich im Bett. Nicht, weil ich schlafen will, sondern weil ich nicht weiß, was ich mit dem Rest des Abends anfangen soll. Es ist erst 21 Uhr und ich fühle mich wie vom Laster überrollt. Vielleicht war die Lasagne doch ein wenig zu schwer für meinen Magen...
Außerdem fühle ich mich ein wenig beschwipst vom Wein, bin aber noch weit entfernt von betrunken. Obwohl es nur ein Glas war, fühle ich mich auf einmal fast genauso schäbig wie gestern Abend in der Kölschbar. Wahrscheinlich sollte ich es mir gar nicht erst angewöhnen, alleine Alkohol zu trinken. Lieber gehe ich noch 14 mal zum Keramik anmalen oder buche 7 weitere Yoga-Sessions. Ich würde sogar eher nochmal so einen Zumba Kurs besuchen und Gefahr laufen, mich zu blamieren, als zur Einsamkeits-Alkoholikerin zu werden.

Mit einem tiefen Seufzen greife ich nach meinem Handy und tippe wahllos darauf herum, ehe ich schließlich auf der Instagram-App lande. Ein paar Minuten lang schaue ich mir die Storys von meinen Bekannten oder von irgendwelchen Prominenten an, die natürlich alle den perfekten Samstagabend haben. Die meisten sind gerade im Restaurant, beim Bowling oder in einer Bar.
Schließlich lande ich auf dem Profil von Felix. Eigentlich wollte ich nur kurz schauen, ob er vielleicht auch eine neue Story gepostet hat, aber Fehlanzeige. Ich scrolle und swipe ein bisschen auf seinem Profil hin und her, bis ich auf unseren Chat tippe und mir nochmal seine Nachrichten durchlese, was mir unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Ich überlege kurz, dann schicke ich ihm das Foto von meinem Weinglas und fange an, zu tippen.

Maddie: Drinking attempt #2 für diese Woche. Macht alleine nur leider überhaupt keinen Spaß und man fühlt sich eher schlechter statt besser. Hoffe, du hast einen weniger erbärmlichen Samstagabend!

Ich lege das Handy auf meinem Nachttisch ab und will mich gerade zur Seite drehen, als mein Handy vibriert. Schnell nehme ich es wieder in die Hand und starre ungläubig auf die Benachrichtigung im Sperrbildschirm.
Wie in Zeitlupe tippe ich darauf.

Felix: Cheers! Und gekocht hast du auch? Sieht lecker aus. Ist das Lasagne?

Ich muss schmunzeln.

Maddie: Jap. Eigentlich ist meine Noch-Mitbewohnerin Kim die Meisterköchin hier, aber die ist gerade nicht da.

Felix: Ah, deswegen auch der Solo drinking attempt, verstehe.

Maddie: Ja, genau. Mach ich aber nie wieder, man fühlt sich echt ganz schön schäbig, wenn man allein zuhause Alkohol trinkt.

Es dauert ein paar Minuten, bis Felix die Nachricht gelesen hat und kurz denke ich, dass unser kleines Geplänkel damit beendet ist, bis eine neue Benachrichtigung mich eines besseren belehrt.

Felix: Würdest du dich weniger schäbig dabei fühlen, wenn du nicht alleine zuhause wärst?

Ich halte den Atem an. Ein paar Sekunden lang starre ich die Nachricht nur an. Wie bitte?! Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge.
Red dir jetzt bloß nichts ein, Maddie. Das ist bestimmt nicht so gemeint, wie du denkst. Es KANN nicht so gemeint sein!
Fieberhaft überlege ich, was ich antworten soll. Es vergeht eine halbe Ewigkeit, ehe ich schließlich wieder anfange, zu tippen.

Maddie: Weiß ich nicht. Ich glaube, ich sollte einfach generell keinen Alkohol trinken, wenn es mir sowieso schon nicht so gut geht, sonst werde ich nur melancholisch.

Ups. Eigentlich wollte ich gar nicht so persönlich werden, aber irgendwie ist das einfach aus mir rausgerutscht. Auf der anderen Seite weiß Felix ja, was mich aktuell bewegt, schließlich sind wir so überhaupt erst in Kontakt gekommen. Also sollte es doch eigentlich kein Problem sein, oder?
Anscheinend doch. Der grüne Punkt neben seinem Profilbild sowie der Schriftzug „Jetzt aktiv" sind auf einmal verschwunden. Er liest meine Nachricht noch nicht einmal.
Mit einem Seufzen lege ich das Handy zur Seite und vergrabe mein Gesicht im Kissen. Vergiss es, Maddie. Am besten ziehst du deine Nachricht gleich wieder zurück, damit du dir gar nicht erst unnötig Hoffnungen machst.
Ich bin kurz davor, wegzudämmern, als das Aufblinken meines Displays doch wieder meine Aufmerksamkeit weckt. Hastig greife ich danach und öffne, ohne weiter darüber nachzudenken, seine Nachricht.

Felix: Verstehe. Wie wär's dann mit einer harmlosen Fanta am Kennedy-Ufer?

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt