Eine gefühlte Ewigkeit liege ich in meinem Bett und bewege mich nicht. Mein Körper ist wie betäubt. Ich liege so lange da, dass ich das Gefühl habe, meine Arme und Beine würden in genau dieser Position verharren und einfach einfrieren. Vielleicht werde ich mich nie wieder bewegen können.
Aber das wäre okay, denn Felix ist nicht da. Er hat sein Versprechen nicht eingehalten.
Mit offenen Augen liege ich da und starre an die andere Seite meines Schlafzimmers. Als auf einmal mein Handy anfängt zu klingeln, glaube ich erst, es wäre Einbildung. Eine Fata Morgana. Wunschdenken.
Wie in Zeitlupe drehe ich mich um, greife nach meinem Handy und schaue mit zusammengekniffenen Augen aufs Display.
Felix ruft an.
Ich hebe argwöhnisch eine Augenbraue. Scheinbar ist ihm doch wieder eingefallen, dass wir verabredet waren.
Kurz überlege ich, ob ich überhaupt rangehen soll. Als mein Daumen über dem roten Hörer schwebt, merke ich, wie sich etwas in meiner Brust zusammenzieht.
Anscheinend bin ich doch noch nicht ganz taub. Also entscheide ich mich anders und nehme den Anruf an. „Ja?"
„Hi Maddie." Selbst anhand von dieser kurzen Begrüßung höre ich, dass er außer Atem ist. Er scheint zu rennen oder mindestens schneller zu laufen.
„Maddie, pass auf, es tut mir so leid. Wir hatten heute krass Technikprobleme bei der Aufnahme. Richtige Scheiße." Er stößt einen geräuschvollen Atemzug aus.
„Wir waren eine Stunde lang dran, bis wir überhaupt anfangen konnten. Ich wollte mich bei dir melden, aber vor lauter Stress hab ich gar nicht auf's Handy geguckt. Ich hab erst jetzt deine ganzen Nachrichten und Anrufe gesehen. Es tut mir so leid, echt! Ich bin jetzt auf dem Weg zu dir, okay?"
Ich schließe meine Augen und lasse seine Worte sacken. Nachdem ich so lange vergeblich auf ihn gewartet und stundenlang geheult habe, ist mein Hals wie ausgetrocknet. Ich versuche, etwas zu sagen, schaffe es aber nicht. Felix scheint jetzt stehenzubleiben.
„Maddie? Ist alles okay? Ich schwöre dir, das war so alles nicht geplant, ich wäre eigentlich viel früher bei dir gewesen, wenn die Technik nicht schlappgemacht hätte, ich -"
„Schon okay." Meine Stimme klingt hohl und merkwürdig fremd. „Kann mal passieren. Ich bin zuhause, du kannst vorbeikommen. Bis gleich."
„Okay." Felix klingt erleichtert. „Und Maddie, es tut mir wirklich leid. In 10 Minuten bin ich da, okay?"
Ich nicke obwohl er es nicht sehen kann. „Bis gleich." Dann legen wir auf.Ich lege das Handy zur Seite und stoße einen tiefen Atemzug aus. Dann schaue ich auf die Uhr. 18:17 Uhr. Felix ist mehr als zwei Stunden zu spät.
Eigentlich weiß ich nicht, wieso ich ihm überhaupt gesagt habe, dass er noch vorbeikommen kann. Soll er doch ins Hotel gehen. Oder sonst irgendwohin.
Ich glaube ihm kein Wort. Wenn wirklich etwas mit der Technik gewesen wäre, hätte er sich trotzdem melden können. Für eine kurze Nachricht ist immer Zeit, wenn die andere Person einem wichtig ist.Irgendwie schaffe ich es, aufzustehen und ins Bad zu gehen. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass meine Augen komplett rotgeweint sind. Meine Haare sind ein einziges Vogelnest. Schnell fahre ich mir mit den Händen hindurch und spritze mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht.
Dann gehe ich in den Flur und laufe auf und ab, bis es schließlich klingelt. Ich drücke auf den Türöffner, warte ein paar Sekunden. Als ich durch de Türspion sehe, dass Felix die Treppe raufkommt, schließe ich die Wohnungstür auf.
Als er vor mir steht und unsere Blicke sich treffen, schlägt mein Herz automatisch schneller, doch ich bemühe mich um einen möglichst teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Auf keinen Fall werde ich ihm zeigen, wie sehr es mich trifft, dass er mich versetzt hat.
Diese Genugtuung gebe ich ihm nicht.
„Hey", sagt er atemlos. Ich nicke ihm knapp zu. „Hey."
Ich gehe zur Seite, damit er reinkommen kann. Wir stehen uns in meinem Flur gegenüber und schauen uns nur an. Je länger wir so da stehen, umso zerknirschter wird der Ausdruck in seinen Augen.
„Komm doch rein", sage ich in einem hellen, ironischen Tonfall. „Schön, dass du's dir endlich einrichten konntest. Ich hatte heute eh nichts anderes mehr vor."
Ich warte seine Antwort gar nicht ab, drehe mich um und gehe ins Wohnzimmer. Felix zieht sich hastig die Schuhe aus und läuft mir hinterher.
„Maddie, jetzt warte doch mal. Ich... Fuck, kann ich dich wenigstens umarmen?" Er greift nach meinem Arm und berührt mich am Ellbogen.
Ich drehe mich um und schaue ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Was? Ich bin dir doch anscheinend noch nicht einmal eine kurze Nachricht wert, also wieso genau glaubst du, sollte ich dich jetzt umarmen wollen? Du hast mich versetzt, Felix. Und das nicht einfach so, sondern ohne Nachricht. Du bist noch nicht mal ans Handy gegangen."
Allmählich merke ich, wie Tränen in mir hochsteigen, doch ich versuche, sie so gut es geht zu unterdrücken.
„Ich war bei der Aufnahme!" Seine Stimme wird auf einmal lauter und energischer. Ich zucke kaum merklich zusammen. „Ja, es ist wirklich scheiße gelaufen, das geb ich zu, aber ich hab doch gesagt, dass es mir leid tut. Was willst du denn noch von mir?"
Ich seufze auf. „Vielleicht, dass du mir erklärst, was wirklich passiert ist?"
Er sieht mich verständnislos an und schüttelt verärgert den Kopf. „Wovon redest du bitte?"
Langsam spüre ich, wie sich ein Kloß in meinem Hals formt. Ich weiß genau, dass ich mich gerade unfair verhalte, aber ich kann nicht anders. Er ist einfach nicht aufgetaucht, ohne ein einziges Wort.Einen kurzen Moment lang mustere ich ihn, dann schüttele ich ungläubig den Kopf. „Ich glaub dir nicht, dass du bei der Aufnahme warst", sage ich leise.
„Beziehungsweise glaube ich nicht, dass das der Grund dafür ist, dass du dich verspätest. Sag schon, wie heißt sie?"
Felix sieht mich fassungslos an, seine Augenbrauen ziehen sich in der Mitte zusammen. Er schüttelt langsam den Kopf, dann scheint es ihm zu dämmern.
„Du glaubst, dass ich bei ner anderen war, ja?"
Obwohl ich tief in mir drin spüre, dass ich jetzt besser mit den Vorwürfen aufhören, seine Entschuldigung annehmen und ihn in den Arm nehmen sollte, nicke ich. „Ja."
Felix stöhnt frustriert auf und schüttelt ungläubig den Kopf. „Das kann echt nicht wahr sein."
Noch ein betretenes Seufzen, diesmal tiefer. „Ey, ich hab dir doch gesagt, wir nehmen uns das ganze Wochenende Zeit für uns, sobald ich mit der Aufnahme fertig bin, und du kommst mir jetzt mit sowas? Wirklich, Maddie?"
Er hebt eine Augenbraue. „Vertraust du mir so wenig? Weißt du was, du kannst Tommi fragen. Hier! Ich kann ihn jetzt anrufen."
Er zückt sein Handy und sieht mich herausfordernd an. „Willst du das? Willst du, dass ich ihn anrufe und sage: ‚Tommi, pass auf, Madeleine glaubt mir nicht, dass unsere Technik heute versagt hat. Sie denkt, ich hätte ne andere gefickt, bevor ich zu ihr gefahren bin. Kannst du mir bitte bestätigen, dass das nicht stimmt?' Soll ich das machen, jetzt sofort?"
Ich weiß nicht, wieso, aber genau das ist der Moment, in dem bei mir sämtliche Dämme brechen. Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln, dann fangen die Tränen an zu laufen. Auf einmal weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Ich weiß nicht mehr, wo ich bin und was hier gerade passiert.
Ich mache rückwärts einen Schritt in Richtung Sofa, doch bevor ich mich setzen kann, sacke ich zu Boden.
Felix ist in Sekundenschnelle bei mir. Er kniet sich vor mich und legt die Arme um meine Schultern.
„Shhh, ist schon gut", flüstert er.
Die Wut, die gerade noch Überhand von ihm genommen hat, scheint auf einmal wie weggeblasen zu sein. Ich spüre, dass sein Herz rast, doch jetzt, wo er mich so sieht, scheint er zu merken, dass ich es eigentlich nicht so meine.
„Alles gut. Alles wird wieder gut." Er flüstert mir beruhigende Worte ins Ohr und streichelt mir übers Haar. Ich weine und weine, bis keine Tränen mehr rauskommen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich überhaupt noch welche übrig habe, nachdem ich mir vorhin zwei Stunden lang alleine die Augen aus dem Kopf geheult habe.Wir sitzen eine halbe Ewigkeit so da. Schließlich hebe ich den Kopf und schaue ihn an.
In seinen Augen liegt so viel Schmerz, dass ich glatt schon wieder anfangen könnte zu heulen.
Er steht auf, dann hält er mir die Hand hin und hilft mir dabei, ebenfalls aufzustehen.
So wie damals am Kennedy-Ufer.
„Komm, wir setzen uns auf die Couch", sagt er leise und streichelt mir vorsichtig über den Arm.
„Und dann reden wir. Ganz in Ruhe." Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem zaghaften Lächeln.
„Okay?"
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Heavenly (Felix Lobrecht)
FanficMadeleine hat ein Problem. Als Felix Lobrecht die nächste Ausgabe von seiner Radioshow „99 Problems" veranstaltet, wittert sie ihre Chance und bewirbt sich. Doch sie ahnt nicht, wie nah sie ihrem Lieblingscomedian dadurch wirklich kommen wird... For...