Kapitel 50

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September 2024

„Fühlt sich ganz schön komisch an, wieder hier zu sein, oder?" Kim nickt und schaut sich um.
„Absolut. Es kommt mir so vor, als wäre es gestern gewesen, als du da vorne gesessen bist." Sie deutet zur Bühne und lächelt, dann legt sie sich eine Hand an die Brust. „Ich kann nicht glauben, dass ich live dabei war, als ihr euch das erste Mal gesehen habt."
Mir entfährt ein Lachen. „Jetzt komm mir bloß nicht damit, dass man angeblich schon damals zwischen uns die Funken fliegen sehen konnte oder so einen Quatsch", sage ich belustigt, aber Kim nickt nur. „Doch, genau so war es. Wie er dich damals angeschaut hat... du hast das gar nicht wahrgenommen, aber ich schon."
Ich winke ab, doch sie lässt nicht locker.
„Doch, wirklich. Schau dir einfach nochmal das Video an, dann weißt du, was ich meine."
Mir entfährt ein Seufzen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das will."
Sie kichert und wir machen uns auf den Weg zu den uns zugewiesenen Plätzen.

Als Felix die Bühne betritt, ist das Publikum genauso euphorisch, wenn nicht noch euphorischer als damals. Die Sommerpause ist vorbei, sowohl was den Podcast, als auch was Felix' andere Projekte betrifft und wahrscheinlich sind die Leute froh, ihn während seiner Bühnenpause überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Ich will mir nicht vorstellen, wie hoch der Andrang auf die Tickets war. Zum Glück bin ich davon verschont geblieben.
Ich kriege das Grinsen nicht aus dem Gesicht, während Sabrina einen Teilnehmer nach dem anderen auf die Bühne schickt und Felix mit ihnen ihre Probleme bespricht. Im Gegensatz zum letzten Mal kann ich die Show heute komplett genießen, ohne nervös zu sein. Tatsächlich sind heute sogar einige richtig lustige Fälle dabei, die Kim und mich vor Lachen beinahe vom Stuhl hauen. Felix ist heute on fire. Während er einen Gag nach dem anderen abfeuert, lächele ich ihm zu und überlege mir, ob es für ihn nicht doch wieder Zeit für eine neue Tour wird. Aber diese Entscheidung liegt ganz bei ihm.

Kurz, bevor die Show endet, kommt Sabrina zu mir.
„Alles klar?" Ich nicke und erhebe mich mit einem Lächeln von meinem Platz. Als ich zu Felix auf die Bühne gehe, während ein Remix von unserem Roadtrip-Song „Would I lie to you" aus den Boxen dröhnt, muss ich mich beherrschen, nicht zu lachen.
Felix erhebt sich von seinem Stuhl und gibt mir höflich die Hand, als wäre ich irgendeine Teilnehmerin. Für die Kameras. Für das Publikum. Für diejenigen, die nicht eingeweiht sind.
Bis auf Felix, Sabrina, Kim und mich ahnt niemand, was wir vorhaben, was das Ganze nur noch aufregender macht, aber dennoch bin ich kein bisschen nervös.

„So Freunde, wir sind schon fast am Ende der heutigen Ausgabe von ‚99 Problems' angekommen, aber bevor ich mich verabschiede, möchte ich mit euch den letzten Gast begrüßen. Ihr Name ist Madeleine, sie kommt ursprünglich aus Baden-Württemberg und ist 30 Jahre alt. Einen kurzen Applaus, bitte!"
Die Leute klatschen, bis Felix „Stop" ruft und sich mir zuwendet. „Madeleine, ich hab hier auf dem Zettel stehen, dass du schon mal bei uns warst und heute hergekommen bist, um uns zu updaten, ist das richtig?"
Ich halte mir das Mikrofon näher an den Mund und grinse ihn an. „Ja, das ist richtig."
Felix nickt. „Alles klar. Dann erzähl uns doch nochmal kurz, was damals dein Problem war."
Ich räuspere mich und lehne mich im Sessel ein Stück nach vorne.
„Ich war hier, weil ich Probleme damit hatte, neue Freunde zu finden."
Felix hebt eine Augenbraue. „Und die hast du jetzt nicht mehr?"
Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. „Doch, schon, aber es ist besser geworden."
Mit gespielter Überraschung erwidert Felix meinen Blick. „Echt? Wie das denn?"
Nochmal räuspere ich mich. Ich muss mich wirklich konzentrieren, um das Gespräch so zu führen, wie wir es geübt haben und nicht alles zu versauen, indem ich einfach drauflos lache.
Ich beschließe, Felix nicht anzusehen und richte meinen Blick erst auf den Boden, dann auf einen Punkt hinter ihm.
„Also, damals hast du zu mir gesagt, ich soll mir einen Verein suchen oder zum Keramik bemalen oder Yoga machen gehen." Felix mustert mich eindringlich, aber ich schaue ihn immer noch nicht an.
„Das hab ich auch gemacht, aber irgendwie hat das nichts gebracht. Zumindest nicht das, was ich mir erhofft habe."
Erst jetzt schaue ich ihm wieder in die Augen und kann ein breites Lächeln nicht zurückhalten.
„Aber dann hab ich jemanden kennengelernt, der jetzt mein Freund ist."
Im Publikum pfeifen vereinzelt welche durch die Zähne und Felix' Mundwinkel zuckt. Ganz offensichtlich muss auch er sich bemühen, nicht zu lachen.
„Ach, guck an. Wie kam das denn?"
Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung, ist einfach so passiert." Ich räuspere mich. „Ich wohn jetzt in einer anderen Stadt und hab da, ganz ohne mich großartig bemühen zu müssen, einige Leute kennengelernt, mit denen ich mich jetzt regelmäßig treffe. Zum Bowlen, Pizzaessen oder einfach nur rumhängen."
Felix strahlt bis über beide Ohren. „Na, das ist doch mal eine schöne Entwicklung." Er räuspert sich. „Wenn ich mich richtig erinnere, hast du vorher in Köln gewohnt, oder?"
Ich nicke.
„Wo wohnst du denn jetzt?"
Auch mein Strahlen wird breiter. „In Berlin."
„Und wie heißt dein Freund?"
Mir schießt die Hitze in die Wangen. Auf einmal glaube ich, vom vielen Grinsen einen Krampf im Gesicht zu bekommen und halte mir das Mikrofon ganz nah vor den Mund.
„Felix."

Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis das Publikum aufwacht. Ein kollektives Raunen geht durch die Reihen und wird zu einem lauten Jubeln und Klatschen, als Felix und ich erwartungsvoll unsere Blicke durch die Menge schweifen lassen.
Jetzt strahlt Felix über das ganze Gesicht und sagt laut und energisch in sein Mikrofon:
„Leute, es ist mir eine Ehre, sie euch vorzustellen: applaudiert mal kräftig für meine Freundin Madeleine!"
Er deutet mit dem Arm in meine Richtung und ich halte mir automatisch eine Hand vor das Gesicht, während das Jubeln um uns herum kaum noch auszuhalten ist. Ich muss rot wie eine Tomate sein. Ich schüttele ungläubig den Kopf.
Felix streckt seine Hand nach mir aus und verschränkt unsere Finger ineinander. Er drückt meine Hand und lächelt mich dabei stolz an. Kurz hält er das Mikrofon von seinem Mund weg und flüstert mir zu: „Alles okay?"
Ich nicke. „Ja", antworte ich, ebenfalls flüsternd. Ein paar Sekunden lang genießen wir die Jubellawine um uns herum, ehe Felix das Mikro wieder an seinen Mund hebt und weiterspricht.
„Diejenigen von euch, die uns jetzt nur im Radio zuhören, können leider nicht sehen, wie hübsch sie ist." Er lächelt mir anerkennend zu und ich merke, wie mir noch heißer wird - falls das überhaupt möglich ist. „Ihr müsst dann leider auf das Video warten. Aber ich warne euch schon mal vor: ihr braucht gar nicht zu versuchen, ihren Instagram-Namen herauszufinden, um ihr schmierige Nachrichten zu schreiben. Die junge Frau ist nämlich leider schon vergeben. An moi."
Er lässt meine Hand los, um mit dem Daumen auf sich selbst zu zeigen und grinst mich dabei an.
Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln.

Es ist nicht zu fassen, was hier gerade passiert. Wir haben lang und breit darüber gesprochen, ob und in welcher Form wir unsere Beziehung öffentlich machen wollen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir sie weiterhin privat gehalten, denn was ich in Amsterdam zu Felix gesagt habe, habe ich wortwörtlich so gemeint.
Es spielt für mich keine Rolle, ob ich mich in der Öffentlichkeit damit zurückhalten muss, nach seiner Hand zu greifen oder ihn in den Arm zu nehmen. Aber ganz offensichtlich ist es ihm so wichtig, dass ich auf nichts verzichten muss, dass er sich schließlich dafür entscheiden hat, diesen Schritt zu gehen. Und welcher Ort würde sich dafür besser eignen als der, wo wir uns überhaupt erst kennengelernt haben?

Langsam stehen wir auf. Felix moderiert die Show ab und sagt den letzten Song des heutigen Abends an, was ich nur durch ein Rauschen mitbekomme. Die Fans im Publikum beklatschen uns, als ob wir zur „Royal Family" gehören würden.
Fast muss ich mich beherrschen, nicht loszuweinen. Mein Blick wandert zu Kim, die am lautesten von allen klatscht und jubelt. Dann drehe ich den Kopf wieder zu Felix, der mich glücklich anlächelt und mit seinen Lippen einen Satz formt.

Ich liebe dich, Maddie. Danke, dass du den Quatsch hier mitgemacht hast.

Mir entfährt ein Glucksen und ich muss mir jetzt doch eine einzelne Träne wegwischen, bevor ich lautlos antworte.

Ich dich auch. Jederzeit.

Ende

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt