Kapitel 11

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Ungläubig lache ich auf. „Was? Wirklich?"
Er grinst. „Oh ja. Stell dir mal vor, du gehst jetzt alleine nachhause und verschwindest danach spurlos. Dann wär ich der letzte, mit dem du heute Abend Kontakt hattest. Würde nicht so gut für mich aussehen, oder?"
Ich muss lachen und schüttele den Kopf. „Auf keinen Fall." Noch vor kurzem habe ich die ganze „A Good Girl's Guide to Murder"-Reihe gelesen - wenn mir wirklich etwas passieren würde und Felix kein wasserdichtes Alibi für den Abend hätte, wäre er sofort der Hauptverdächtige.
Er grinst mich an. „Exakt. Und deswegen bring ich dich lieber persönlich nachhause. Du wohnst doch in Köln, oder?"
Verdattert schüttele ich den Kopf, dann nicke ich. Wie zur Hölle hat er sich das gemerkt?! „Schon, aber das ist schon noch ein Stück zu laufen."
Felix zuckt teilnahmslos mit den Schultern. „Ich hab Zeit."
Kurz überlege ich. „Na gut, und wer garantiert mir, dass du mich nicht hier draußen abstichst und spurlos verschwinden lässt?"
Felix lacht. „Touché. Schätze, du wirst einfach ein wenig Vertrauen haben müssen - in mich und meine grenzenlose Nächstenliebe. Aber ein gewisses Restrisiko bleibt immer, klar."
Jetzt muss ich ebenfalls lachen. Scheint, als hätte nicht nur ich mir das ein oder andere Kölsch schmecken lassen.
Ich überlege. Sein Vorschlag klingt so absurd und so fernab davon, wie ich mir den heutigen Abend vorgestellt habe, dass ich schließlich einwillige. „Okay."

Langsam gehen wir nebeneinander her. Fieberhaft überlege ich, wie ich das Gespräch anfangen soll, doch Felix kommt mir zuvor. „Warst du vorhin eigentlich ganz allein in der Bar?"
Ich muss lachen und schüttele den Kopf über mich selbst. „Wenn man es laut ausspricht, klingt es noch verzweifelter, als es eh schon ist, aber ja, war ich."
Mir entfährt ein Seufzen. „Meine Mitbewohnerin hat mir vor kurzem eröffnet, dass sie bald mit ihrem Freund zusammenzieht und heute Abend ist sie auf einem Date mit ihm. Und... als ich dann so alleine in der leeren Wohnung saß und mir vorgestellt habe, dass das bald mein Leben sein wird, hat's mir gereicht und ich bin einfach rausgegangen. Alleine."
Ich schaue ihn von der Seite an und zucke leicht mit den Schultern. Felix nickt verständnisvoll, dann grinst er wieder.
„Kann ich gut verstehen, aber du solltest mir vielleicht nicht erzählen, dass du bald alleine wohnst, sonst macht mich das in einem eventuellen Vermisstenfall nicht unbedingt unverdächtiger."
Sofort muss ich lachen. „Und dein Gerede von Vermisstenfällen sorgt nicht gerade dafür, dass ich mich mit dir sicherer fühle!"
Felix fällt in mein Lachen mit ein und winkt ab. „Sorry, ich schau wahrscheinlich einfach zu viele True Crime Dokus."
Ich grinse ihn an. „Schon okay. Und was ist mit dir? Warst du nicht mit Tommi da? Wo ist er denn hin?"
Ich sehe mich um, als ob Tommi jederzeit hinter der nächsten Mülltonne hervorspringen könnte.
Felix lacht leise auf. „Der ist schon nach Hause gegangen. Wir wollten eigentlich noch weiterziehen, aber nach drei Kölsch war er müde und wollte gehen. Man wird ja nicht jünger."
Er räuspert sich und greift in seine Jackentasche. Er holt eine Zigarettenschachtel hervor, nimmt eine Zigarette raus und zündet sie sich an. Dann sieht er mich fragend an. „Auch eine?"
Ich schüttele den Kopf. „Danke, ich rauch nicht."
„Ist auch besser so", murmelt er mit der Zigarette im Mund. Er nimmt einen tiefen Zug und bläst den Rauch aus. „Sollte auch dringend aufhören, aber schaff's irgendwie nicht."
Ich nicke. „Ist meistens so mit Süchten, oder?" Er lacht auf und nickt. „Leider."

Kurz zögere ich. „Und... was machst du aktuell in Köln? Hast du hier Shows?"
Ich sehe ihn fragend von der Seite an und er schüttelt den Kopf. „Nee. Naja, Open Mic's halt, aber eigentlich bin ich wegen World Wide Wohnzimmer hier. Wir drehen grad ein paar Formate zusammen. Haben heute angefangen und werden wahrscheinlich bis übermorgen noch beschäftigt sein."
Langsam nicke ich, dann verziehe ich die Lippen zu einem Schmunzeln. „Ausgerechnet am Wochenende? Wieso das denn?"
Felix lacht und hebt die Schultern, als wüsste er es selbst nicht. „Bei Freiberuflern gibt's kein Wochenende." Er grinst. „Und so seh ich wenigstens noch was von Köln. Also, abends halt. Naja, eigentlich mach ich mich nur mit den Bars vertraut."
Er grinst mich schief von der Seite an und ich muss lachen. „Bei dir klingt das viel weniger nach Alkoholismus als bei mir", murmele ich.
Felix zieht eine Augenbraue hoch. „Was?"
Ich winke schnell ab. „Schon gut."

Ein paar Minuten lang ist es still. Wortlos gehen wir nebeneinander her, bis ich schließlich an der Abzweigung zu einer Seitenstraße stehenbleibe.
„Tja, also, da vorne wohne ich." Ich deute vage in die Richtung des Mehrfamilienhauses, in dem Kim und ich - und bald nur noch ich - wohnen.
Dankbar lächele ich ihn an.
„Danke fürs Begleiten, aber bis da vorne schaff ich's alleine."
Felix nickt. Er hat beide Hände in seinen Jackentaschen vergraben. „Alles klar. Ja dann, äh... gute Nacht."
Er nimmt eine Hand hervor und macht damit eine winkende Abschiedsgeste. Lächelnd erwidere ich seine Verabschiedung und nicke ihm kurz zu. Ich will mich gerade umdrehen und gehen, als Felix noch etwas einzufallen scheint.
„Hab dich übrigens angenommen." Verwirrt schaue ich ihn an, doch er lächelt nur und deutet auf sein Handy. „Bei Instagram, meine ich. Damit ich das nächstes Mal auch sehe, falls du nochmal Fotos von bemalten Tassen schickst."
Er grinst mich breit an und ich muss lachen. Kopfschüttelnd winke ich ab. „Ich glaube nicht, dass ich nochmal Keramik bemalen gehe, aber danke."
Kurz denke ich nach, dann neige ich fragend den Kopf. „Hast du denn sonst noch Tipps für mich? Schließlich hast du mich jetzt ganze -" ich schaue kurz auf die Uhr an meinem Handgelenk - „23 Minuten lang begleitet. Man könnte also sagen, du kennst mich in- und auswendig und kannst in meine Seele schauen oder so."
Felix lacht. „Am Humor liegt's schon mal nicht." Kurz grinst er mich an, dann tut er so, als müsste er überlegen. „Tja, keine Ahnung. Ich schätze, deine Idee, alleine einen trinken zu gehen, war gar nicht so schlecht. Immerhin hast du mich getroffen. Äh, also einen Gesprächspartner, meine ich."
Er grinst breit und ich muss lachen. „Stimmt. Aber wenn ich dich nicht aus dem Podcast kennen würde, hätte ich dich wahrscheinlich nicht angesprochen, geschweige denn dir erlaubt, mich nachhause zu begleiten - nur, um das klarzustellen."
„Ah, dann ist das dieser Fame Privilege, von dem alle reden." Felix zwinkert mir zu und mir entfährt ein leises Auflachen.
Wieder herrscht kurz Schweigen zwischen uns, bis ich mich schließlich räuspere. „Ja, also nochmal vielen Dank. Ich... schreib dir dann mal. Also, falls ich doch noch andere Leute kennenlernen sollte, deren Podcast ich nicht höre, meine ich."
Felix lacht und nickt. „Mach das. Kann nicht versprechen dass ich's sofort lese oder beantworte, aber jetzt, wo deine Nachrichten nicht mehr im Anfrage-Ordner landen, sind die Chancen auf jeden Fall höher."
Ich nicke anerkennend. „Vielen Dank, ich fühle mich geehrt." Ein letztes Mal grinse ich ihn an und wünsche ihm eine gute Nacht, bevor ich mich umdrehe und die Seitenstraße zu unserem Haus entlang gehe.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt