Kapitel 19

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Als ich an einem Donnerstagmorgen in aller Herrgottsfrühe im Zug Richtung Berlin sitze, kommt es mir so vor, als wäre mein Treffen mit Felix am Kennedy-Ufer erst zwei Tage her. Stattdessen sind die anderthalb Wochen, die dazwischenlagen, wie im Flug an mir vorbeigezogen.
Ich schaue aus dem Fenster und lausche der Musik auf meinen Ohren. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust auf die zwei Tage Seminar, die vor mir liegen, aber gleichzeitig freue ich mich auch extrem darauf, Felix wiederzusehen.
Natürlich gehen die Worte von Kim und Jonas mir nicht aus dem Kopf und ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Auf der einen Seite nervt es mich, dass es anscheinend unmöglich ist, als Frau mit einem Mann in Kontakt zu kommen, ohne, dass alle um einen herum nur an das eine denken, aber auf der anderen Seite frage ich mich, ob sie nicht doch recht haben.
Ich versuche, die Gedanken schnell wieder abzuschütteln. Ganz egal, wie die folgenden Tage aussehen werden, ich werde auf jeden Fall das beste draus machen und mir keine Hoffnungen auf irgendwas machen - dann kann ich auch nicht enttäuscht werden. Bis auf die Kaffee-Verabredung haben wir ja sowieso nichts festes vereinbart.
Ich krame mein Handy hervor. Vielleicht sollte ich ihm mal schreiben, dass ich unterwegs bin. Schnell öffne ich den WhatsApp-Chat mit Felix und muss schmunzeln. Dass wir bereits Handynummern getauscht haben, habe ich Kim nicht verraten, sonst würde sie mich gar nicht mehr in Ruhe lassen.
Ich fange an, zu tippen.

Maddie: Hi! Bin jetzt im Zug. Gegen Mittag sollte ich da sein, dann geht das Seminar los. Ich glaube, den Kaffee verlegen wir lieber auf morgen. Wann hast du Zeit?

Eine Weile schaue ich aus dem Fenster und wechsele dabei zwischen Musik, Podcasts und Hörbüchern hin und her, bis eine Benachrichtigung auf dem Handy mir ankündigt, dass Felix geantwortet hat. Sofort setze ich mich auf.

Felix: Hey, sorry, bin jetzt erst aufgestanden. Ja, können wir gerne so machen. Gegen 14 Uhr?

Maddie: Hört sich gut an. Wo soll ich hinkommen?

Felix: Ich richte mich nach dir. In welchem Hotel bist du?

Maddie: Im Motel One in Mitte

Felix: Krass, da hat Lanxess ja richtig was springen lassen.

Ich kann mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen.

Felix: Das ist nicht so weit vom Kotti weg, ich komm dahin. Dann können wir gucken, wo wir Kaffee trinken gehen, okay?

Maddie: Passt perfekt, ich freu mich! 😊

Felix: Ich mich auch 😘

Den ganzen Tag über kann ich an nichts anderes denken als an unsere anstehende Kaffee-Verabredung. Ich weigere mich, es in meinem Kopf „Date" zu nennen, denn das ist es nicht. Es ist eine Verabredung. Zwischen Verabredung und Date gibt es einen gewaltigen Unterschied, oder? Zumindest für mich. Und wenn Felix auf diese Art von Treffen hinaus gewesen wäre, hätte er es mir doch bestimmt gesagt. Wir haben uns zwar noch nicht besonders oft gesehen, aber so, wie ich ihn einschätze, sagt er mit Sicherheit immer geradeheraus, was Sache ist. Und er hat gesagt, er möchte mit mir einen Kaffee trinken gehen.
Nicht mehr und nicht weniger.

Als ich nach dem Seminar ins Hotel zurückkehre, falle ich erstmal völlig erledigt aufs Bett. Wann ist aktives zuhören so anstrengend geworden?
Mir entfährt ein Stöhnen der Erleichterung. Nur noch einen halben Tag, dann ist es geschafft und kann mich mit einem Treffen mit Felix und einem Kaffee belohnen - was ja eigentlich der Hauptgrund dafür ist, dass ich überhaupt nach Berlin gefahren bin. Auch, wenn ich das Kim gegenüber niemals zugeben würde.
Gerade will ich mich aufraffen und mir eine heiße Dusche gönnen, als mein Handy vibriert. Wahrscheinlich will Kim wissen, wie es gelaufen ist. Doch zu meiner Überraschung blinkt mir ein ganz anderer Name vom Display entgegen.

Felix: Hi, Seminar fertig?

Maddie: Ja, bin jetzt wieder im Hotel.

Felix: Cool. Was machst du heute Abend?

Ich zögere. Moment mal...

Maddie: Ich wollte eigentlich später noch mal in die Stadt und mir irgendwas zu essen holen, bin aber glaube ich zu kaputt dafür. Vielleicht bestell ich einfach was aufs Hotelzimmer.

Felix: Lieferando liefert auch zu mir.

Reflexartig setze ich mich in meinem Bett auf. Ich starre auf die Nachricht und überlege, was ich darauf antworten soll, als Felix mir zuvorkommt.

Felix: Du kannst gerne vorbeikommen. Essen bestellen können wir auch zusammen. Dann musst du nicht ganz alleine im Motel One rumhängen. Das kann gar kein schöner Abend sein.

Ich knalle das Handy mit dem Display nach unten auf die Bettdecke. Oh. Mein. Gott.
Felix hat mich gerade tatsächlich zu ihm nach Hause eingeladen! Damit hätte ich wirklich als letztes gerechnet.
Schlagartig trifft mich eine Erkenntnis. Deswegen hat er auch meinen Vorschlag, erst morgen Kaffee trinken zu gehen, so schnell akzeptiert - wahrscheinlich war es ohnehin sein Plan, dass wir uns heute Abend noch sehen!
Ich springe vom Bett auf und durchwühle hektisch meinen Koffer nach irgendwas, in dem ich nicht aussehe wie ein Kartoffelsack.
Mein Handy vibriert nochmal.

Felix: Hast du Lust oder nicht?

Maddie: Sorry, ich war kurz abgelenkt. Natürlich hab ich Lust! Muss nur kurz vorher noch schnell duschen, dann mach ich direkt auf den Weg. Wohin genau?

Felix schickt mir seine Adresse und ich gehe in Rekordgeschwindigkeit duschen. Dann ziehe ich mich schnell an und stürme mit meiner Zimmerkarte in der Hand und einem zu stark klopfendem Herzen in meiner Brust aus der Tür.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt