Kapitel 28

544 12 4
                                    

Am Montag schickt Felix mir eine Sprachnachricht, in der er verkündet, dass er sich das ganze Wochenende im Kalender geblockt hat, um zu mir fahren zu können.
„Ich werd wahrscheinlich gegen Freitagmittag ankommen. Dann geh ich schnell zu Tommi, Hack aufnehmen. Ist zwar bisschen früh, aber wir machen dann vielleicht einfach Hörerfragen oder so, damit ich die Aufnahme schnell weg hab." Ich kann hören, wie er in sein Handy grinst. „Und danach komm ich zu dir und wir haben das ganze Wochenende für uns. Kann's nicht abwarten! Wir sehen uns am Freitag!"
Lächelnd schaue ich mein Handy an. Da ich gerade in der Bahn vom Büro nachhause sitze, kann ich ihm gerade nicht per Sprachnachricht antworten. Deshalb tippe ich schnell eine Antwort.

Maddie: Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue! ❤️ Danke, dass du das möglich machst.

Felix: Ist doch selbstverständlich! An deiner Stelle würd ich schon mal mit Dehnübungen anfangen 🤫😏

Ich muss laut lachen und halte mir mit der Hand den Mund zu, als ich merke, dass die Leute in der Bahn anfangen, sich zu mir umzudrehen.

Die Woche zieht schneller an mir vorbei als gedacht. Und da ich für Freitag extra einen Tag Urlaub eingereicht habe, sowieso.
Als ich am Donnerstagabend anfange, die Wohnung aufzuräumen und das Bett frisch zu beziehen, merke ich, wie ich zunehmend aufgeregter werde. Leider nicht nur im positiven Sinn, denn die zynische Stimme in meinem Hinterkopf hat noch immer nicht ganz aufgegeben. Sie meldet sich ab und zu und versucht, mir fiese Dinge einzutrichtern, doch ich gebe mein Bestes, um sie mit aller Kraft wegzustoßen und durch positive Gedanken zu ersetzen.
Felix hat mir versichert, dass meine Sorgen unbegründet sind. Er hat mir klar und deutlich gesagt, dass er mich gern hat und das mehrfach. Es gibt überhaupt keinen Grund für Panik. Und er würde sich doch nicht das ganze Wochenende Zeit für mich nehmen, wenn ich ihm nicht auch irgendwie etwas bedeuten würde, oder?

Am Donnerstagabend kann ich kaum einschlafen. Zu groß ist die Vorfreude und die Aufregung wegen Felix' Besuch. Am Freitagmorgen stehe ich früher auf als nötig und laufe wie eine Irre durch die Wohnung, um letzte Sachen wegzuräumen und nochmal zu kontrollieren, ob das Bad wirklich sauber genug ist.
Während einer kurzen Verschnaufpause auf dem Sofa schaue ich auf die Uhr. Erst 10:17 Uhr.
Felix hat gesagt, er würde frühestens um 13 Uhr in Köln ankommen. Dann will er für die Aufnahme zu Tommi fahren und im Anschluss direkt zu mir kommen. Inklusive der Fahrtzeit von Tommis Wohnung bis zu mir würde das ganze ungefähr zwei Stunden dauern. Mit einer halben Stunde Zeitpuffer wäre er also gegen 15:30 Uhr bei mir. Und um komplett auf Nummer sicher zu gehen, hat er mir gesagt, dass ich nicht vor 16 Uhr mit ihm rechnen soll.
Ich atme hörbar aus. Noch so lange! Eigentlich war es vollkommen unnötig gewesen, so früh aufzustehen, aber ich konnte es einfach nicht abwarten.
Nach einer kurzen Überlegung, was ich mit der übrigen Zeit machen soll, kommt mir eine Idee. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt für eine ausgiebige Joggingrunde durch den Volksgarten. Dann kann ich danach gleich duschen gehen und mich in aller Ruhe frisch machen.

Um 15:30 Uhr sitze ich bereits geduscht, rasiert und fertig angezogen auf der Couch und warte fieberhaft auf seine Nachricht. Felix wollte sich sofort melden, sobald die Aufnahme beendet ist und er von Tommi aus losfährt. Ich schaue gebannt auf mein Handy.
Doch es kommt keine Nachricht. Nicht um 15:30 Uhr, nicht um 16 Uhr. Gegen 16:15 Uhr werde ich langsam ungeduldig und versuche, ihn anzurufen. Vergebens.
Sein Handy ist wahrscheinlich auf „nicht stören" gestellt, wie immer. Ich stehe auf und beginne, nervös in meiner Wohnung auf und ab zu laufen.
Alles gut, Maddie. Wahrscheinlich dauert die Aufnahme einfach länger oder er stand auf dem Weg nach Köln noch im Stau und hat sich verspätet. Es wird mit Sicherheit eine Erklärung geben. Ich atme hörbar aus. Trotzdem wäre es schön, wenn ich langsam etwas von ihm hören würde.
Als ich um 16:45 Uhr noch immer keine Nachricht von ihm habe und er auch nicht auf meine antwortet, geht das Gedankenkarussell los.
Vielleicht hatte er einen Unfall. Es muss nicht mal unbedingt auf dem Weg von Berlin nach Köln passiert sein, auch innerhalb der Stadt kommt es ständig zu Unfällen. Köln ist nicht gerade die sicherste Stadt, was den Verkehr angeht.
Sofort fange ich an, panisch nach Unfällen in Köln und Umgebung zu googeln, aber ich finde natürlich nichts.
Einerseits bin ich erleichtert, auf der anderen Seite trägt es nicht gerade dazu bei, mich zu beruhigen.
Auf einmal kommt mir ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn ihm ein ehemaliger One Night Stand aus der Gegend geschrieben hat und er sich kurzfristig dazu entschieden hat, lieber zu ihr zu fahren als zu mir? In dem Fall würde er sich natürlich nicht bei mir melden. Warum auch?
Als die Uhr auf meinem Handy 17:10 Uhr anzeigt, bin ich ein emotionales Wrack. So sehr ich es auch zu verhindern versucht habe, schlussendlich laufen mir doch die Tränen in Sturzbächen über die Wangen.
Mit einem Mal fühlen die Horrorvorstellungen in meinem Kopf sich viel zu real an. Wieder und wieder schießen mir Bilder in den Kopf, wie Felix eine andere küsst. Und diesen Gedanken ertrage ich einfach nicht.

Als ich es gar nicht mehr aushalte, verlagere ich meine Position vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, lege mich in mein Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf.
Er kommt nicht mehr. Vergiss es.
Ich weine so lange, bis mir die Augen wehtun und ich das Gefühl habe, mein Kopf würde vor Schmerz explodieren. Immer wieder checke ich mein Handy, sehe nach, ob Felix sich gemeldet oder meine Nachrichten überhaupt gelesen hat - Fehlanzeige.
Anscheinend hat er mich einfach vergessen.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt