Kapitel 31

467 11 2
                                    

Am nächsten Morgen werde ich davon geweckt, dass eine Hand sanft an meiner Wange und dann an meinem Arm entlang fährt.
„Das kitzelt", murmele ich noch halb verschlafen. Dann öffne ich langsam die Augen und blinzele Felix an. Es dauert einen kurzen Moment, bis ich ihn überhaupt richtig wahrnehme. Er sieht viel zu gut aus, dafür, dass wir gerade gefühlt 18 Stunden geschlafen haben. Zumindest fühle ich mich so.
„Aufstehen, Schlafmütze", sagt er leise und grinst. Mir entfährt ein leicht genervtes Seufzen. „Wieso?", brumme ich. „Es ist Samstag."
„Weil es schon fast 11 Uhr ist. Und wir wollten doch was vom Tag haben, oder?"
Ups! Auf einen Schlag bin ich hellwach. Mit aufgerissenen Augen schaue ich ihn an. „Was?! Wirklich?"
Felix' Grinsen wird breiter. Er schüttelt den Kopf. „Nein. Ist erst viertel nach 9. Aber anscheinend stehst du ja sonst nicht auf."
Ich schnappe nach Luft und gebe ihm einen Klaps gegen den Oberarm. „Du Arsch!" Wir müssen beide lachen und ich versuche, ihn zu kitzeln, aber Felix ist schneller. Er greift nach meinen Armen, hält sie fest und beginnt, schnelle und heiße Küsse an meinem Hals entlang zu verteilen. Mir entfährt ein schrilles Quietschen und ich versuche, mich zu wehren, aber es gelingt mir nicht. Wir fangen an zu rangeln und wälzen uns so lange im Bett hin und her, bis wir atemlos auseinander fahren. Schwer atmend schaue ich ihn an und grinse. „Weißt du, normale Menschen stellen einfach einen Wecker."
„Ich weiß." Er grinst. „Ich bin aber nicht normal."
Ich muss wieder lachen. „Das stimmt wohl."

Nach einem ausgiebigen Pancake-Frühstück machen wir uns auf den Weg in die Stadt. Ich möchte ihm unbedingt meine liebsten Ecken zeigen. Wenn wir schon nicht ins Restaurant gehen können, weil er dort erkannt werden könnte, dann will ich ihn wenigstens an all meine Lieblingsorte führen.
Auch, wenn er Köln quasi in- und auswendig kennt.
Während wir durch den Volksgarten schlendern, muss ich erneut dem Drang widerstehen, nach seiner Hand zu greifen, wie auch schon bei unserem Spaziergang in Berlin. Wir sind nicht zusammen. Es ist nicht die fiese Stimme des Zynismus, die mich daran erinnert, sondern eine Stimme der Vernunft. Ich kann hier nicht einfach nach seiner Hand greifen, ohne zu wissen, ob er das überhaupt will.
Auch, wenn bei sowas immer zwei dazugehören, liegt die Entscheidung in unserem Fall doch hauptsächlich bei ihm, weil er derjenige ist, der in der Öffentlichkeit steht.
Also balle ich meine Hand zu einer Faust und vergrabe sie in der Tasche meiner Jeansjacke.

Wir verbringen einen entspannten Nachmittag in der Stadt und werden zum Glück nur hin und wieder angesprochen. Felix trägt eine Sonnenbrille und hat sich eine Cap tief ins Gesicht gezogen. Der Anblick bringt mich fast zum Lachen. So würde er normalerweise nie rausgehen, aber heute macht er wohl eine Ausnahme.
„Bei Tommi scheint das ja auch immer zu funktionieren", sagt er grinsend, als wir eine Eisdiele betreten und uns an einem der Tische niederlassen. „Jetzt musste ich mich einfach mal selbst davon überzeugen, ob das irgendwas bringt."
Ich grinse ihn an. „Und? Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?"
Er nickt lächelnd. „Sehr. Nur 10 Fotos in 4 Stunden, das ist ja fast schon eine Beleidigung."
Ich muss lachen und rufe den Kellner, um unsere Bestellung aufzugeben.

Wir sind gerade dabei, unsere Eisbecher zu löffeln, als Felix plötzlich sein Handy hervorholt. Als er aufs Display schaut, verzieht er das Gesicht.
Ich sehe von meinem Spagettieis auf und schaue ihn fragend an. „Was ist?"
„Becci", murmelt er. „Ich ruf sie gleich zurück."
Irgendwie macht sich ein mulmiges Gefühl in mir breit, das ich nicht richtig deuten kann. Ich beschließe, es fürs erste zu ignorieren und esse weiter.
Nachdem wir bezahlt und den Laden verlassen haben, entschuldigt er sich kurz und geht ein paar Schritte von mir weg. Ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er sein Handy herausholt und jemanden anruft. Ich verstehe nur Fetzen von dem, was er sagt.
„Ja?... ja, bin ich, aber ich hab keine Zeit... Was? Hä, wieso denn jetzt auf einmal?... mhm... ich kann aber wirklich nicht. Können wir nicht nächstes Mal...? Mhm... mhm... ja..." Er seufzt, nimmt die Kappe ab und fährt sich durch die Haare, bevor er sie wieder aufsetzt. „Ja, dann... alles klar... nee, ich meld mich nochmal... okay... ja, mach ich. Bis gleich. Tschö."
Als er zu mir zurückkommt, ist mir kotzübel. Irgendwie ahne ich, dass das, was er mir gleich erzählen wird, mir nicht gefallen wird.
Dennoch versuche ich, mir nichts anmerken zu lassen und einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Ich sehe ihn fragend an.

Felix seufzt. Er weicht meinem Blick aus, schaut auf den Boden, zu den Bäumen hinter uns - überallhin, nur nicht in mein Gesicht. Er kratzt sich am Hinterkopf, dann schaut er mich endlich an und beginnt, zu sprechen.
„Das war Becci", sagt er überflüssigerweise. „Sie... hat mich gefragt, ob ich heute noch spontan zu den WWW-Jungs ins Studio kommen kann, die wollen wohl irgendwas drehen."
Ich runzele die Stirn. „Jetzt?"
Er nickt. „Ja. Scheinbar haben die irgendwie mitbekommen, dass ich ihn Köln bin. Die Verkleidung funktioniert wohl doch nicht so gut."
Er versucht sich an einem vorsichtigen Lächeln, aber ich bleibe ernst. Langsam lasse ich das, was er mir gerade zu sagen versucht, sacken.
„Ahja. Und warum muss das unbedingt heute sein? Du bist doch ständig in Köln, wieso geht das nicht an einem anderen Tag?"
Er seufzt auf. „Keine Ahnung, ey. Anscheinend sind sie gerade dabei, ein neues Format zu testen und wollen mich als Überraschungsgast dabei haben. Darf keiner mitbekommen, bis das online kommt. Deswegen soll ich auch nix posten und so."
Er hebt fragend eine Augenbraue. „Wäre das für dich okay?"
Nein. Ich schlucke. „Ja."
Felix scheint von meiner Antwort überrascht zu sein. „Wirklich?"
Nein. Nein, es ist alles andere als okay, Madeleine. Sag es. Sag ihm, dass du enttäuscht davon bist, dass er sich gestern erst verspätet ist und jetzt auf einmal abhauen will. Nur wegen dieses blöden Drehs.
Ich atme tief ein. Jetzt wäre meine letzte Chance, ihm zu sagen, dass er nicht gehen soll. Dass er bei mir bleiben soll. Wie er es mir versprochen hat.
Aber aus irgendeinem Grund tue ich es nicht. „Klar. Geh nur. Ich... warte dann auf dich, schätze ich."
Ein vorsichtiges Lächeln macht sich auf seinem Gesicht breit. Er scheint erleichtert zu sein. „Danke, Maddie. Ich mach's wieder gut, ja? Versprochen."
Ich lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen, mich an ihn drücken, mir einen Kuss auf die Stirn geben, aber in mir drin fühle ich gar nichts.
Da ist nur Leere. Enttäuschung. Frustration.
Aber ich erwähne nichts davon.

Wir gehen zu mir nach Hause, wo Felix schnell unter die Dusche hüpft und sich umzieht. Danach schaffe ich es irgendwie, mich mit einer herzlichen Umarmung von ihm zu verabschieden und dabei ein gespieltes Lächeln aufzusetzen.
„Bin heute Abend wieder da", sagt er und lächelt mich an. Dann deutet er auf sein Handy. „Ich lass es auf laut. Darf man im Studio eigentlich nicht, mach ich aber trotzdem. Wenn was ist, rufst du an, ja? Und ich melde mich zwischendurch. Wenn ich pissen muss, zum Beispiel."
Er grinst mich an. Ich weiß, dass er versucht, mich zum Lachen zu bringen und ich tue ihm den Gefallen. Zumindest teilweise.
Felix scheint nicht zu merken, dass mein Lachen nicht echt ist, aber das ist okay. So soll es auch sein.
„Bis später, Maddie. Ich melde mich." Er sieht mich dabei so eindringlich an, dass ich es ihm fast glaube. Ich nicke, dann geben wir uns einen letzten Kuss, bevor er aus meiner Wohnung geht.
Ich schließe die Tür hinter ihm und lehne mich mit dem Ohr dagegen, um zu lauschen, wie er die Treppe runtergeht. Als ich die Haustür ins Schloss fallen höre, stoße ich einen langen, von Frust getränkten Atemzug aus.
Dann sacke ich zu Boden.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt