Kapitel 37

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Am Freitagmorgen machen wir uns nach einem späten und ausgiebigen Frühstück auf den Weg ins Dorf. Bad Tatzmannsdorf ist ein fast schon gespenstisch kleiner Ort im Burgenland Österreichs. Perfekt für uns, um abzuschalten und den Alltag hinter uns zu lassen.
Wir schlendern nebeneinander her und genießen die Ruhe. Schließlich entscheiden wir uns für einen Spaziergang durch den Wald.
„Es ist so schön hier", murmele ich und lausche dem Gezwitscher der Vögel. Ich lächele Felix glücklich an, der mein Lächeln nickend erwidert. „Ohja. Das hier ist einfach das komplette Gegenteil von Berlin."
Mir entfährt ein helles Auflachen. „Ja, für dich ist das hier natürlich sowas wie das Auenland. Hast du überhaupt schon mal ein richtiges Dorf gesehen?"
Felix lacht ebenfalls und verdreht die Augen. „Aufpassen", sagt er und grinst. „Ich schrecke nicht davor zurück, dich hier zu lassen, falls du's mit deinen Sprüchen übertreibst."
„Das sagt der richtige", sage ich grinsend. „Was war jetzt mit Sex in der Badewanne? Gestern hast du erstaunlich früh gepennt."
„Ich musste uns ja auch die ganzen 800 Kilometer hierher kutschieren." Felix zwinkert mir zu und legt einen Arm um meine Taille.
„Du Armer", sage ich mit gespieltem Mitleid in der Stimme. „13 Stunden in einem perfekt ausgestatteten Mercedes mit einer wunderschönen Frau neben dir, das muss ja die Hölle gewesen sein."
Felix entfährt ein lautes Lachen. Er bleibt vor mir stehen und zieht mich in eine enge Umarmung. „Du machst mich echt fertig", flüstert er.
Dann gibt er mir einen Kuss auf die Stirn. Ich muss mich beherrschen, nicht zurückzuweichen. Stattdessen murmele ich: „Kannst du das bitte lassen?"
Felix sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Was denn?"
„Na, mich auf die Stirn zu küssen. Das fühlt sich irgendwie so... intim an."
Felix schmunzelt. „Ahja, aber dass wir miteinander schlafen, ist nicht intim, oder was?"
Mir entfährt ein tiefes Seufzen. „Doch, natürlich. Aber das ist was anderes. Sex ist körperliche Intimität. Diese Küsse sind einfach so... emotional aufgeladen."
Felix runzelt die Stirn. „Mhm, okay. Wusste nicht, dass du das nicht magst."
Ich stutze. Moment mal. Irgendwie geht das Gespräch gerade in eine ganz falsche Richtung.
„Doch, natürlich mag ich das!", sage ich energisch. „Es ist nur..." Ich schaue schnell weg und lasse meinen Blick durch den Wald kreisen. Krampfhaft überlege ich, was ich jetzt sagen soll. Felix sieht mich abwartend an. „Es ist nur so was?"
Seufzend schaue ich ihm wieder in die Augen. „Immer, wenn du das machst, fühlt es sich für den Bruchteil einer Sekunde so an, als wären wir zusammen."
Felix' Mundwinkel zuckt und ich glaube, ein Funkeln in seinen Augen wahrzunehmen. „Sind wir das etwa nicht?"
Ich hebe überrascht die Augenbrauen. „Ich... ich weiß nicht. Wir haben ja nie darüber geredet."
Felix denkt kurz nach, dann nickt er. „Stimmt, haben wir nicht. Aber eigentlich sind wir schon zusammen, oder?"
„Ähm... ja...?" Ich sehe ihn unsicher an, was ihn aus irgendeinem Grund zum Lachen bringt. „Was gibt's da zu lachen?", frage ich empört. „Das hier ist ein ernstes Gespräch!"
„Tut mir leid", sagt er und grinst. „Mir war nur irgendwie nicht klar, dass das so ein Thema für dich ist. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich ganz offiziell gefragt, bevor ich dir das erste Mal einen Kuss auf die Stirn gegeben habe. Aber dann mach ich das einfach jetzt."
Er räuspert sich. „Madeleine? Willst du meine Freundin sein?"
Die Anspannung in meinem Körper löst sich auf einen Schlag in Luft auf und mir entfährt ein erleichtertes Lachen. „Ehrlich gesagt fällt mir nichts ein, was ich lieber täte."
Felix lacht ebenfalls. Dann zieht er mich wieder in eine Umarmung und gibt mir einen liebevollen Kuss auf den Mund. „Gut", murmelt er. „Dann lass uns zusehen, dass wir schnellstmöglich zurückgehen. Ich muss jetzt nämlich ganz dringend Sex mit meiner Freundin haben."

Auch dieses Mal lässt Felix sich Zeit, bis er seiner eigenen Ankündigung nachkommt. Nach unserer Rückkehr gönnen wir uns als erstes einen frisch aufgebrühten Kaffee auf der Sonnenterrasse des Hotels. Dabei kann ich nicht aufhören, vor mich hin zu grinsen, was Felix nicht zu entgehen scheint.
„Hast du in meiner Abwesenheit irgendwelche bewusstseinserweitertenden Drogen genommen?", fragt er schmunzelnd. Ich lache auf und schüttele den Kopf.
„Pass auf, was du hier von dir gibst, sonst hast du gleich doch die Presse am Hals", sage ich grinsend und verdrehe die Augen. „Und für dich zum Mitschreiben: Nein, habe ich nicht. Ich freu mich einfach, dass wir das endlich geklärt haben. Weißt du eigentlich, wie lange mich das schon beschäftigt?"
Felix hebt überrascht die Augenbrauen. „Du hättest mich auch einfach fragen können. Ich hätte dir schon eine Antwort drauf gegeben."
Mit einem Seufzen stelle ich die Tasse ab. „Vielleicht hatte ich einfach Angst, dass mir die Antwort nicht gefällt", antworte ich kleinlaut. Felix schüttelt grinsend den Kopf.
„Ja, genau. So wie: Hey, lass uns zusammen in den Urlaub fahren, aber mit dir zusammen sein will ich nicht, das ist mir nämlich zu viel commitment."
Ich verdrehe die Augen. „Genau solche Fälle gibt es. Aber mach du nur deine blöden Scherze."
Felix stößt ein geräuschvolles Seufzen aus und streckt seine Hand über dem Tisch aus, bis er meine findet und unsere Finger ineinander verschränkt.
„Wenn du das nächste Mal irgendwas hast, was dir auf der Seele brennt, sag es mir, okay? Ich verspreche, dass ich mich nicht darüber lustig mache und wir gemeinsam eine Lösung finden." Ein schelmisches Grinsen stiehlt sich auf sein Gesicht. „Schließlich haben wir uns überhaupt erst kennengelernt, weil ich der beste Problemlöser auf der Welt bin."
Mir entfährt ein helles Auflachen. Dann überlege ich. „Naja, eigentlich hast du mein Problem ja nur indirekt gelöst", sage ich nachdenklich. „Vielleicht hätten wir uns irgendwann schon angefreundet. Aber dann musstest du mich ja unbedingt küssen."
Felix grinst selbstzufrieden und macht eine ausladende Geste. „Ja. Und guck, wo uns das hingebracht hat."
„In ein zweitausend-Seelen-Dorf in Österreich", sage ich mit gespielter Anerkennung und tue, als wäre ich schwer beeindruckt. „Da kann man sich ruhig mal selbst für auf die Schulter klopfen."
Felix lacht und zwinkert mir zu. „Sag ich doch."

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt