Kapitel 43

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Die Nachricht lässt mich einfach nicht in Ruhe. Sie ist immer in meinem Kopf, egal, was ich mache. Auch, wenn Felix mir am Telefon süße Worte ins Ohr flüstert, sind meine Gedanken ganz woanders. Es ist, als würde der Screenshot ein Loch in meine Hosentasche brennen und mich langsam aber sicher Stück für Stück auffressen.
Wahrscheinlich sollte ich es ihm einfach erzählen, dann hätte ich Ruhe. Er hat es ja sogar geschafft, eine Unterlassungsklage gegen das Hotel anzuleiern und Schadensersatz einzufordern, obwohl sich im Vorfeld niemand schriftlich zu Stillschweigen verpflichtet hat. Dann werden wir ja wohl mit einer anonymen Nachricht fertig.
Aber immer, wenn mir miteinander telefonieren oder ich ihn durch mein Handydisplay auf Facetime sehe, wirkt er so gut gelaunt, dass ich es einfach nicht übers Herz bringe.
Und dann ist da ja auch noch meine Überraschung, die ich ihm auf jeden Fall persönlich überbringen möchte.
Und über die Nachricht will ich auch nicht unbedingt am Telefon reden, aber wie soll ich das machen? „Hey, Felix, ich hab jetzt eine Kupferspirale, wir können also ab jetzt ohne Gummi vögeln. Ach, und ich hab eine anonyme Nachricht bekommen, die wir uns genauer ansehen sollten, aber lass uns jetzt erstmal ficken, okay?"
Mir entfährt ein tiefes Seufzen. Ich will mit ihm darüber reden, aber gleichzeitig will ich auch nicht mit ihm darüber reden.
Heute ist der 20. Mai. Ich habe noch genau fünf Tage Zeit, um die Nachricht so weit aus meinen Gedanken zu vertreiben, dass sie mir nicht meinen Geburtstag versaut - unabhängig davon, ob ich ihn mit oder ohne Felix verbringen werde.

Als ich am Freitagabend auf dem Sofa sitze, klingelt - so wie mittlerweile fast jeden Abend - mein Handy. Ich schalte den Fernseher leiser und wische den Balken auf meinem Handy nach rechts.
„Hi." Ich zwinge mich dazu, ein Lächeln in meine Stimme zu legen.
„Auch hi." Ich kann Felix durchs Telefon grinsen hören, was mein Herz ein wenig schneller schlagen lässt.
„Was geht ab?" Fast muss ich lachen. „Nicht viel. Netflix and chill."
„Du alte Partymaus." Er lacht. „Freust du dich auf morgen?"
Ich unterdrücke ein Seufzen. „Weiß ich noch nicht", sage ich leise. „Kommt drauf an, ob du jetzt gute Neuigkeiten hast oder nicht."
Felix lacht nochmal. „Dich kann man echt nicht überraschen. Ich hab kurz überlegt, ob ich anrufe und erst so tue, als würde es nicht gehen und dann morgen einfach vor deiner Tür stehe, aber das kam mir doch zu gemein vor. Nicht, dass du mir am Ende noch einen Herzinfarkt bekommst. Wäre ungünstig am Geburtstag."
Sofort setze ich mich kerzengerade hin. Mir ist auf einmal heiß und kalt gleichzeitig. „Heißt das... du kommst nach Köln?"
„Bin schon da", sagt er mit einem Lächeln in der Stimme. „Im Savoy."
Schlagartig fängt mein Bauch an zu kribbeln und mein Herz schneller zu klopfen. Dann entfährt mir ein spitzes Auflachen.
„Spinnst du? Was machst du denn im Hotel? Wieso bist du nicht hier?"
„Weil es dann keine Überraschung mehr wäre." Ich kann an seiner Stimme hören, dass er mit seinem Plan äußerst zufrieden ist. Ungläubig schüttele ich den Kopf.
„Du bist echt ne Nummer zu viel", stöhne ich.
Felix lacht hell auf. „Ich weiß. Hab ich dir das nicht gesagt, bevor ich dich gefragt habe, ob du meine Freundin sein willst?"
„Nein, den Girlfriend-Codex hab ich immer noch nicht bekommen."
„Ah, shit! Ich wusste, ich hab was vergessen, aber ich setz mich gleich ran. Was hatten wir nochmal gesagt? Fünf bis sechsmal ficken pro Woche und zwei Blowjobs? Oder waren es drei?"
Jetzt sind meine trüben Gedanken auf einen Schlag wie weggeblasen und mir entfährt ein Prusten. „Ja, klar." Ich muss grinsen. „Vergiss nicht, dass du 35 bist. Das geht nicht mehr so wie mit 18."
„Unterschätz mich nicht." Er lacht ebenfalls. „Okay, dann sehen wir uns morgen. Ahja, und pack schon mal deine Tasche, wir fahren weg. Um 9 Uhr geht's los."
Ich ziehe überrascht die Augenbrauen hoch.
„Weg? Wohin denn?"
„Verrate ich nicht." Ein leises Lachen erklingt aus meinem Handy. „Ein bisschen Überraschung muss trotzdem sein. Sieh zu, dass du heute Nacht gut schläfst, damit du morgen ausgeruht bist."
Langsam merke ich, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht breit macht. Ich kann es kaum glauben. Erst stand der Tag komplett auf der Kippe und ich hab mich schon gesehen, wie ich alleine mit einer traditionellen Benjamin Blümchen Torte feiere und jetzt hat Felix einfach einen Übernachtungstrip gebucht?
Schon wieder?
Ich werde beinahe ein wenig sentimental und muss mich auf einmal beherrschen, nicht loszuheulen. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und lächele mein Handy an.
„Du bist der beste, weißt du das?"
„Hör schon auf. Es ist dein Geburtstag. Und den feiern wir so, wie es dir am besten gefällt, das hab ich dir doch versprochen." Wieder höre ich das Lächeln in seiner Stimme.
„Gute Nacht und bis morgen. Ich liebe dich."
Mein Herz setzt beinahe einen Schlag aus. Da ist er wieder, dieser Satz, den ich tagelang geübt habe, seit ich diejenige war, die ihn zum ersten Mal gesagt hat. Irgendwie hat es sich seitdem nicht mehr ergeben, dass einer von uns beiden ihn nochmal sagt, und jetzt höre ich ihn völlig unerwartet aus seinem Mund. Einfach so.
Ich lege mir ergriffen eine Hand auf die Brust und schiebe die Unterlippe vor, froh darüber, dass Felix mich nicht sehen kann. Er würde mich dafür auslachen, dass ein Satz, den Paare einander ständig sagen, mich so emotional macht.
„Ich dich auch, Felix."

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt