Kapitel 44

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Natürlich liege ich in dieser Nacht hellwach in meinem Bett. Die Schmetterlinge in meinem Bauch veranstalten eine Art Gruppentanz, der dafür sorgt, dass ich so aufgepeitscht bin, dass ich alles andere als gut einschlafen kann. Selig lächele ich vor mich hin. Ich bin überglücklich darüber, dass Felix es wirklich geschafft hat, zu meinem Geburtstag vorbeizukommen. Ich hatte den Gedanken, dass es noch klappt, innerlich ganz weit weg geschoben, um am Ende nicht enttäuscht zu werden und jetzt ist er tatsächlich hier, in derselben Stadt wie ich, mit einer richtigen Überraschung im Gepäck.
Damit, dass wir über Nacht wegfahren würden, habe ich wirklich als letztes gerechnet. Am liebsten würde ich jetzt aufstehen, zum Savoy fahren und ihm um den Hals fallen, aber ich kann mich gerade noch so beherrschen.
Dafür ist die Umarmung, als er am nächsten Morgen mit seiner Reisetasche in der einen und einem Blumenstrauß in der anderen Hand vor meiner Tür steht, umso herzlicher. Ich würde ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen. Felix geht automatisch einen Schritt nach hinten, um nicht umzukippen.
„Alles Gute zum Geburtstag, Baby", flüstert er an meinem Ohr und ich bekomme automatisch eine Gänsehaut.
Ich löse mich von ihm, um ihn anzuschauen und strahle über das ganze Gesicht. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du hier bist", flüstere ich.
Felix lächelt. „Darf ich noch kurz reinkommen? Ich muss die hier irgendwo abstellen." Er wackelt mit der Hand, die den den Blumenstrauß hält und ich nicke. Wir gehen in meine Wohnung und ich mache mich auf die Suche nach einer Vase. Nachdem ich eine gefunden und sie mit Wasser gefüllt habe, stelle ich sie in der Mitte meines Esstisches ab. Felix stellt die Blumen rein und lächelt mich an.

„Hast du gepackt?" Ich nicke, dann lege ich meinen Kopf schräg und bemühe mich, ihn so flehend wie möglich anzuschauen. „Verrätst du mir jetzt, wohin es geht?"
Er schüttelt lachend den Kopf. „Nein. Jetzt warte doch einfach mal ab. Es wird dir gefallen, versprochen."
„Na gut", murmele ich. Dann gehe ich noch ein letztes Mal ins Bad.
„Gute Idee", sagt Felix grinsend, als ich wiederkomme und verschwindet ebenfalls nochmal kurz im Bad. Ich höre die Toilettenspülung und das Wasser vom Waschbecken, nehme beides aber kaum war. Plötzlich bin ich extrem aufgeregt.
Wenn er so ein Geheimnis darum macht, wo wir hinfahren, muss es etwas ganz besonderes sein. Und dann auch noch mit Übernachtung! Ich komme nicht umhin, wie eine Idiotin vor mich hin zu lächeln.

Warte ab, bis du rausfindest, dass du die Kondome dieses Mal umsonst eingepackt hast...

Doch zusammen mit der Kupferspirale fällt mir auch die Nachricht wieder ein und ich stoße ein frustriertes Seufzen aus. Irgendwie war es ja klar, dass ich es nicht schaffen würde, sie komplett aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Ich hatte nur, naiv wie ich bin, gehofft, dass ich meinen Geburtstag genießen kann, ohne permanent daran zu denken.
Als Felix aus dem Bad kommt und mir auffordernd zunickt, nehme ich mir fest vor, erstmal nicht mehr daran zu denken.
Heute ist mein Geburtstag. Und den wird mir diese anonyme Person, wer auch immer sie sein mag, garantiert nicht versauen.

Im Auto komme ich wieder in den Genuss von Felix' legendären Gesangseinlagen. Während den ersten zwei Songs versuche ich noch, mich zusammenzureißen, doch als die ersten Töne von „Stumblin' in" aus den Lautsprechern erklingen, scheint Felix erst richtig in Fahrt zu kommen. Jetzt kann ich mir das Lachen beim besten Willen nicht mehr verkneifen.
„Cause baby, you've shown me so many things that I never knew", singt Felix aus voller Kehle und grinst mich dabei an. „Whatever it takes, baby, I'll do it for you." Er greift nach meiner Hand und drückt sie fest. „Jetzt sing schon mit!"
Ich schüttele lachend den Kopf, weiß aber, dass Widerstand zwecklos ist. Ich lächele ihn ein wenig unsicher an und räuspere mich, bevor wir beide zum Refrain ansetzen. „Our love is alive and so we begin." Wir grinsen uns breit an und ich merke, wie mir allmählich warm wird.
„Foolishly playing our hearts on the table, stumblin' in."
Als der Song verklingt, müssen wir beide lachen. „Du machst mich echt fertig", sage ich atemlos.
Ich nehme einen Schluck aus meiner Wasserflasche und stoße einen tiefen Atemzug aus.
„Bekomme ich wenigstens einen Tipp, wo wir hinfahren?"
Felix seufzt leise auf und dreht das Radio leiser. „Da du ja nicht vorzuhaben scheinst, mich auf den nächsten 200 Kilometern damit in Ruhe zu lassen, sag ich's dir jetzt." Er dreht den Kopf zu mir und grinst.
„Wir fahren nach Amsterdam."
Ich hebe überrascht die Augenbrauen. „Wirklich?"
Er nickt lächelnd. „Freust du dich?"
Mir entfährt ein Quietschen, das Felix zum Lachen bringt. „Natürlich freue ich mich! Ich war noch nie in Amsterdam!"
Felix tut so, als würde er sich vor Erleichterung den Schweiß von der Stirn wischen. „Da bin ich aber froh. Ich dachte schon, es wäre vielleicht eine blöde Idee."
Energisch schüttele ich den Kopf. „Machst du Witze? Die Idee ist fantastisch!"
Lächelnd lasse ich mich in meinem Sitz nach hinten fallen. Die nächste halbe Stunde verbringe ich nur damit, der vorbeiziehenden Landschaft zuzuschauen und mich zu fragen, womit ich so einen schönen Geburtstag verdient habe.

Er ist ja noch nicht vorbei. Vergiss nicht, dass du ihm noch von der Nachricht erzählen musst.

Ich zucke zusammen. Da ist sie wieder, die Stimme des Zynismus, die mir noch nie so ungelegen dazwischen gegrätscht hat wie heute.
Leise seufze ich auf und schüttele kaum merklich den Kopf. Dann fasse ich einen Entschluss.
Ich werde es ihm erzählen. Nur noch nicht heute. Vielleicht morgen, vielleicht auch erst nächste Woche.
Aber ich werde es ihm erzählen und wir werden herausfinden, wer das war.
Ganz sicher.

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt