Kapitel 8

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„Ich glaube, das wird nie was", sage ich seufzend, als ich mit Kim beim Abendessen sitze. Heute hatten wir beide keine Lust auf auf kochen gehabt, weshalb wir uns kurzfristig was beim Chinesen bestellt haben.
Jetzt sitzen wir umgeben von Styropor-Schalen an unserem Küchentisch und stopfen eine Frühlingsrolle nach der anderen in uns rein.
„Jetzt gib doch nicht so schnell auf", sagt Kim kauend. Hastig schluckt sie den Bissen, den sie bis gerade noch im Mund hatte, herunter und ergänzt: „Du hast es doch noch gar nicht wirklich versucht."
„Und wie ich es versucht habe!", stöhne ich. Schnell lege ich die Stäbchen, mit denen ich gerade die nächste Portion Glasnudeln aufnehmen wollte, zur Seite und fange an, mit den Fingern aufzuzählen.
„Ich war bei vier Keramik-Kursen. Ich zwar dreimal beim Yoga. Dreimal, Kim!"
„Deinen Rücken hat es sicher gut getan", murmelt sie grinsend, doch ich rede unbeirrt weiter.
„Ich war sogar öfter spazieren als sonst und habe extra meine AirPods zuhause gelassen, falls sich irgendwo ein Gespräch ergibt, aber die einzigen Leute, die ich getroffen habe, waren Paare oder Rentner jenseits der 60 mit Hunden. Die Hunde waren zumindest süß." Ich seufze hörbar auf.
„Und dann war ich auch noch beim Zumba und das einzige, was mir das gebracht hat, war eine grenzenlose Blamage."
Kim, die gerade dazu ansetzen wollte, einen Schluck von ihrer Fanta zu nehmen, stellt ihr Glas ab und prustet los.
„Beim Zumba blamieren sich immer alle, da warst du bestimmt nicht die einzige", versucht sie mich zu trösten, doch ich schnaube nur.
Sie seufzt ebenfalls und sieht mich mit einem mitfühlenden Blick an. „Das klingt wirklich alles andere als erfolgversprechend. Tut mir echt leid für dich. Wer hätte gedacht, dass Freunde finden mindestens genauso frustrierend ist wie Dating..."
Sofort winke ich ab. „Hör mir bloß auf!" Ich lache. „Das Kapitel ist für mich abgeschlossen, das weißt du doch."
„Das glaube ich dir zwar nicht ganz, aber okay." Sie grinst mich an, dann seufzt sie. „Was ist denn mit deinen Arbeitskolleginnen? Ist da niemand dabei, mit dem du dir vorstellen könntest, auch mal privat etwas mit denen zu unternehmen?"
Jetzt muss ich ebenfalls seufzen. „Theoretisch schon, aber irgendwie sträube ich mich dagegen, privates und berufliches so stark zu vermischen, weißt du? Ich würde niemals eine Freundin oder einen Freund zu mir auf die Arbeit holen, und genauso wenig möchte ich, dass aus Arbeitskolleginnen Freundinnen werden. Das kann bestimmt irgendwie funktionieren und vielleicht ist es sogar cool, aber ich kenne das doch. Im Endeffekt redet man dann doch bei jedem Treffen nur über die Arbeit."
Frustriert atme ich aus, greife nach meinen Stäbchen und beginne, damit in meinen Nudeln herumzustochern. Dann sehe ich wieder zu Kim auf.
„Ich schätze, mit Arbeitskolleginnen befreundet zu sein, fällt für mich unter die gleiche Kategorie, wie mit Mitbewohnerinnen befreundet zu sein. Es fühlt sich irgendwie einfach falsch an."
„Hey!" Kim lacht hell auf und ich stimme mit ein.

Nachdem wir uns wieder beruhigt haben, räuspert sie sich.
„Apropos... ich muss dir da noch was sagen, Maddie." Überrascht sehe ich zu ihr auf.
„Was denn?"
Sie weicht meinem Blick aus und schaut überall hin, nur nicht in mein Gesicht. „Es kann sein... also... Du weißt ja, dass das mit Jonas und mir schon seit längerem was Ernstes ist. Und ich würde gerne... mit ihm zusammenziehen."
Mir bleiben die Nudeln im Hals stecken. Hastig schlucke ich sie hinunter und spüle mit meinem Wasser nach.
„Wie bitte?", krächze ich.
Kim hebt ihren Blick und schaut mir erst jetzt wieder richtig in die Augen. Sie wirkt ziemlich zerknirscht, was mir sofort ein schlechtes Gewissen bereitet.
„Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen soll, Maddie. Du weißt, wie gerne ich mit dir zusammenwohne und ich bin auch unendlich dankbar dafür, dass wir uns damals nicht alleine durch den Kölner Wohnungsdschungel schlagen mussten, aber so langsam..."
Ich nicke und gebe ihr mit einer Geste zu verstehen, dass sie nicht weiter reden muss. „Ich weiß." Ohne, dass ich es verhindern kann, entfährt mir ein Seufzen.
„Das ist ja auch super toll. Ehrlich! Ich freu mich extrem für dich und Jonas, aber irgendwie... hab ich gehofft, den Zeitpunkt noch ein wenig länger hinauszögern zu können."
Ich lächele sie matt an und Kim lacht. „Du bist so süß. Ich werde dich schrecklich vermissen!"
„Ich dich auch", murmele ich. Dann drücke ich meinen Rücken durch und schaue sie ein wenig alarmiert an. „Wann... ziehst du denn aus?"
„Nächsten Monat", antwortet sie kleinlaut. „Wir haben eine ganz tolle Wohnung hier in Köln gefunden. Groß, lichtdurchflutet, 5 Zimmer mit Balkon, die Küche ist schon drin."
„Wow", sage ich und pfeife anerkennend durch die Zähne. „Ich wusste gar nicht, dass ich neuerdings mit einer Gräfin befreundet bin."
Sie lacht auf und boxt mir über den Tisch hinweg gegen die Schulter. „Hör auf! So teuer ist sie gar nicht und zu zweit ist das sowieso kein Problem." Ein Schmunzeln stiehlt sich auf ihre Lippen. „Außerdem dachte ich, man könnte mit Mitbewohnerinnen nicht befreundet sein?"
Jetzt muss ich ebenfalls schmunzeln. „Bald sind wir ja keine mehr."

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt