Kapitel 20

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Mit zitternden Fingern drücke ich auf das Klingelschild. Egal, wie sehr ich versuche, das Gefühl von Nervosität abzuwenden - ich kann nicht verhindern, wie sie gepaart mit einer großen Portion Anspannung von meinem Körper überhand nimmt.
Es ist Ewigkeiten her, seit ich das letzte Mal bei einem Mann zuhause war. Obwohl Felix' Einladung wahrscheinlich gar keine tiefere Bedeutung hat, hören die Gedanken in meinem Kopf nicht auf, sich im Kreis zu drehen.
Es dauert nur wenige Sekunden, bis das Summen des Türöffners ertönt und ich das Treppenhaus seines Wohnhauses betrete. Felix wohnt im Dachgeschoss, was ich schon von seinen zahlreichen Erzählungen aus dem Podcast weiß, aber jetzt, wo ich die Treppen nach oben laufe, wird mir erst bewusst, was das bedeutet. Als ich oben angekommen bin, muss ich erstmal einen kurzen Moment durchatmen. Meine Beine fühlen sich an, als wären sie aus Pudding, was wahrscheinlich nur zum Teil an der Anzahl an Stockwerken liegt, die ich gerade hochgelaufen bin - der andere Anteil wird von meiner Aufregung abgedeckt.
Ich stoße einen tiefen Atemzug aus. Aufregung wovor, Maddie? Ihr bestellt euch was bei Lieferando, quatscht ein bisschen und dann gehst du wieder. Alles ganz normal.

Ich bekomme noch eine Sekunde, in der ich tief- ein und ausatme, bis die Wohnungstür vor mir von innen geöffnet wird und Felix vor mir steht. Er lächelt mich freundlich an. „Hi."
„Hi", antworte ich atemlos und lege mir eine Hand an die Seite. Ich muss einen wirklich erbärmlichen Eindruck auf ihn machen. Felix, dem wohl gerade bewusst wird, warum ich so schnaufe, verzieht die Mundwinkel zu einem belustigten Grinsen.
„Keine Sorge, man gewöhnt sich dran", sagt er schmunzelnd. „Komm erstmal rein."
Ich nicke und folge ihm in die Wohnung. Felix schließt die Wohnungstür hinter uns und ich gebe mir größte Mühe, mich zu sammeln.
„Geht wieder, glaube ich", sage ich und grinse ihn an. Felix lacht kurz auf. „Dann kann ich dich jetzt endlich richtig begrüßen. Hi!" Er breitet die Arme aus und zieht mich in eine kurze Umarmung. Als er mit der Hand beinahe reflexartig über meinen Rücken streichelt, merke ich, wie sich die Härchen auf meinem Unterarm aufstellen.
Während wir uns voneinander lösen, erwische ich mich dabei, dass ich mir beinahe wünsche, die Umarmung hätte länger gedauert, aber den Gedanken schiebe ich sofort wieder weg.
Abendessen und quatschen, Maddie. Vergiss das nicht. Abendessen. und. quatschen.

„Schön hast du's hier", sage ich anerkennend, während Felix mich durch den Flur in die Küche führt. Er lächelt mich freundlich an und nickt knapp. „Danke. Hab nicht viel Ahnung von Deko, aber ich geb mir Mühe."
„Das sieht man", sage ich ehrlich und erwidere sein Lächeln. Felix deutet mit der Hand Richtung Esstisch. „Setz dich. Was würdest du gern trinken?"
„Hast du Bier?", frage ich. Felix grinst.
„War das Seminar so schlimm?"
„Frag nicht", antworte ich stöhnend. Er lacht und macht ein paar Schritte auf den Kühlschrank zu. „Dann hamwa ja Glück, dass ich vorhin wat kaltgestellt hab."
Er holt zwei Flaschen raus und öffnet sie gekonnt mit seinem Feuerzeug. Ich muss grinsen.
„Hast du eigentlich keinen Flaschenöffner?", frage ich, während Felix auf mich zukommt und die beiden Flaschen auf dem Tisch abstellt. Er lacht.
„Doch, aber ich hab keinen Bock, den zu suchen. Liegt in irgendeiner Schublade zwischen Schneebesen und Suppenkelle oder so. Feuerzeug hab ich immer griffbereit. Prost."
Wir stoßen an und nehmen beide einen großen Schluck.
„Worum geht's eigentlich bei deinem Seminar?", fragt er. Wieder entfährt mir ein leises Stöhnen und wir müssen beide grinsen.
„Steigerung von Kundenzufriedenheit", antworte ich. „Ich arbeite ja im Kundenservice und irgendwie geht's ständig darum, höher, schneller und weiter zu kommen. Ich meine, ist ja auch okay, aber dafür ständig neue Seminare und Kurse zu besuchen find ich auch irgendwie unnötig. Ist ja nicht so, als ob da ständig neue Erkenntnisse bei rauskommen würden, weißt du?"
Felix nickt. „Komplett."
Kurz ist es still zwischen uns. Dann räuspere ich mich. „Ich würde dich auch gerne so viel fragen wie du mich, aber irgendwie hab ich das Gefühl, schon alles über dich zu wissen."
Ich lächele ihn an und Felix lacht hell auf. „Glaub mir, du weißt bei weitem nicht alles."
„Ach nein?"
Er schüttelt den Kopf. „In einer Stunde Podcast pro Woche kann man doch gar nicht so viel erzählen. Frag mich irgendwas, dann komm ich mir auch nicht so vor, als würde ich dich die ganze Zeit interviewen."
Er grinst mich schelmisch an und mir entfährt ein Lachen. „Hey!"

Heavenly (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt