Fünf Stunden. So lange sitze ich auf dem Fußboden und weine. Eigentlich bin ich mir nicht mal sicher, warum.
Weil Felix gegangen ist? Weil er sich nicht gegen seine Agentin behauptet und darauf beharrt hat, dass er nicht zu diesem Dreh gehen kann? Weil er schon wieder seine Arbeit über mich gestellt hat? Oder weil ich nicht vielleicht doch irgendwo in mir drin die Angst trage, dass er mich angelogen hat und in Wahrheit woanders hin geht?
Ich stoße einen frustrierten Schrei aus und presse mir die Hände auf die Ohren, als könnte das die bösen Gedanken aus meinem Kopf vertreiben.
Ich weiß genau, dass ich nicht so denken will und auch nicht so denken sollte. Der rationale Teil in mir weiß es. Aber aus einem mir unerfindlichen Grund kommt es nicht bei mir an. Egal, wie krampfhaft ich versuche, mir einzureden, dass alles in Ordnung ist und Felix gerade mit Dennis und Benni irgendein lustiges, neues Format dreht, das ich mir irgendwann bei YouTube angucken kann - es blitzen immer wieder Bilder dazwischen, die Felix mit einer anderen Frau zeigen. Felix, wie er eine Unbekannte so berührt, wie er mich berührt hat. Felix, wie er eine andere so küsst, wie er mich geküsst hat.
Die Gedanken sind kaum zu ertragen. Am liebsten würde ich sofort zum Handy greifen und ihn anrufen. Ihn fragen, ob alles in Ordnung ist. Aber ich tue es nicht.
Er hat gesagt, ich soll anrufen, wenn etwas wichtiges ist. Nicht, wenn ich Sehnsucht nach ihm habe und eifersüchtig auf Geister bin. Wie lächerlich klingt das überhaupt?
Wir sind nicht zusammen. Wir. Sind. Nicht. Zusammen. Er kann machen, was und mit wem er will.
Irgendwann schlurfe ich ins Schlafzimmer, lege mich ins Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf. Die Gedanken in meinem Kopf kreisen so lange, bis ich irgendwann genervt von mir selbst bin. Wenn es dich so sehr stört, dass er gegangen ist, warum hast du es ihm nicht einfach gesagt? Er hat doch extra gefragt. Zweimal. Vielleicht wäre er nicht gegangen, wenn du etwas gesagt hättest. Eigentlich ist es nur deine Schuld, Madeleine. Deine. Verdammte. Schuld.Irgendwann höre ich ein dumpfes Klopfen. Ich schlage die Decke zurück und horche auf. Erst denke ich, dass ich es mir eingebildet habe oder dass ich doch eingenickt bin und einfach träume, aber das Klopfen wird immer lauter. Langsam bewege ich meine Beine aus dem Bett und stehe auf.
In Zeitlupe gehe ich in den Flur. Ich traue mich kaum, einen Schritt vorwärts zu machen und erschrecke mich beinahe zu Tode, als es plötzlich auch noch klingelt. „Maddie? Ich bin's, Felix."
Das Klopfen wird doller und er drückt nochmal auf die Klingel. „Schläfst du schon?"
Ich schlucke den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat, herunter und gehe noch ein Stück vorwärts. Ich greife nach meinem Schlüssel, der an seinem Stammplatz am Schlüsselbrett hängt, stecke ihn ins Türschloss und drehe ihn in Zeitlupe um. Die Tür wird sofort aufgerissen.
Felix steht vor mir. Er schaut mich erschrocken und mit aufgerissenen Augen an. Mit fragendem Blick mustert er mich von oben bis unten. „Was ist denn mit dir los?"
„Komm erstmal rein", antworte ich fast tonlos und mache einen Schritt nach hinten. Felix betritt die Wohnung und schließt die Tür hinter sich.
Wir stehen in meinem Flur und schauen uns nur an. Sein Blick trifft meinen. Ich sehe ihm an, dass er sich Sorgen macht und ich kann es ihm nicht verübeln. Aber ich habe mir auch Sorgen gemacht. Stundenlang. Und jetzt traue ich mich noch nicht einmal, es auszusprechen.
„Maddie, was ist los? Ist was passiert?" Er streckt eine Hand nach mir aus, doch ich wende den Kopf ab und weiche ihm aus. Seine Stirn legt sich in Falten.
„Madeleine? Ist alles okay? Ich hab dir geschrieben. Hast du meine Nachrichten nicht bekommen?"
Gute Frage. Hab ich? Ich weiß es nicht. Mein Handy habe ich seit Stunden nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht mal, wo es ist.
Ich beschließe, diesen Teil deiner Frage vorerst zu ignorieren. „Ja. Natürlich ist alles okay."
„Nein, ist es nicht." Er seufzt und macht einen weiteren Schritt auf mich zu. „Sag mir jetzt bitte sofort, was passiert ist. Ist jemand gestorben? Hast du dich verletzt? Tut dir was weh? Soll ich einen Krankenwagen rufen?"
Fast muss ich aufpassen, nicht zu lachen. Irgendwie ist es rührend, dass er sich anscheinend solche Sorgen um mich macht.Aber warum ist er dann gegangen? - Weil ich nichts dagegen gesagt habe. - Aber warum hat er nicht von sich selbst aus abgesagt? - Weil der Dreh ihm anscheinend wichtiger war. - Aber warum? - Weil er für mich wohl nicht das gleiche empfindet, wie ich für ihn. - Deswegen trifft er sich hinter meinem Rücken mit anderen, oder? - Ja, wahrscheinlich. Wieso sollte er auch nicht? Er ist schließlich berühmt, wahnsinnig begehrt und darüber hinaus unfassbar attraktiv.
In mir tobt ein Sturm. In meinem Kopf kämpfen zwei Stimmen gegeneinander, übertrumpfen sich immer wieder. Ich kann es nicht mehr abstellen, so sehr ich es auch versuche. Ich presse mir die Hand vor den Mund und wende mich von ihm ab. Felix, der irgendwann während meines inneren Monologs seine Hand auf meine Schulter gelegt haben muss, lässt von mir ab. Er seufzt tief.
„Komm, wir gehen ins Schlafzimmer. Vielleicht willst du mir ja dann erzählen, was los ist. Du machst mir nämlich gerade wirklich Angst."
Ich hole tief Luft und schüttele energisch den Kopf.
„Nicht nötig", antworte ich kaum hörbar. Felix scheint fast überrascht darüber zu sein, dass ich auf einmal doch spreche. „Was?"
Nochmal nehme ich einen tiefen Atemzug. Fieberhaft überlege ich, was ich sagen soll. Aber ich will nicht. Ich will es nicht aussprechen müssen.
Also entscheide ich mich für eine Gegenfrage. „Wie war's beim Dreh?"
Meine Stimme klingt so hohl und fremd, dass Felix sofort merkt, dass die Frage nicht wirklich ernst gemeint, sondern nur ein Ausweichmanöver ist.
Er sieht mir tief in die Augen, legt den Kopf schief und runzelt die Stirn. Allmählich scheint ihm zu dämmern, was ich mich nicht auszusprechen traue.
Binnen Sekunden wechselt der Ausdruck auf seinem Gesicht. Wo vorhin noch echte Besorgnis war, ist jetzt eher sowas wie Verärgerung.
„Du glaubst mir nicht, oder?"
Da ich nicht weiß, ob ich nicken oder mit dem Kopf schütteln soll, entscheide ich mich für den Mittelweg und zucke mit den Schultern.
Er seufzt tief. „Ernsthaft, Madeleine, das geht so nicht. Du kannst doch nicht... also... das kann doch jetzt wirklich nicht dein Ernst sein. Ich muss dir hoffentlich nicht sagen, dass das Quatsch ist, was du mir unterstellst, oder?"
Ich sehe auf. „Ich will ja eigentlich gar nicht an sowas denken", flüstere ich leise. „Also, nicht wirklich. Aber irgendwie... tue ich es wohl doch."
Felix nickt langsam. Dann schüttelt er den Kopf. „Ich versteh das nicht. Also, ernsthaft nicht. Wir haben doch gestern darüber gesprochen, oder?"
Ich nicke vorsichtig und er seufzt. „Ich kann das echt nicht nochmal durchkauen", murmelt er. Ein paar Sekunden lang schaut er mich an, dann schüttelt er wieder den Kopf.
„Sorry, aber ich kann das nicht."
Er läuft an mir vorbei und geht ins Schlafzimmer. Wie angewurzelt bleibe ich im Flur stehen. Ich höre, wie Schranktüren auf- und zugehen. Höre, wie Klamotten durch die Gegend geworfen werden. Höre Felix fluchen. Ich stehe da wie angewurzelt. So sehr ich es auch will, ich kann mich nicht bewegen.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da stehe, ehe Felix mit seiner Tasche in der Hand aus dem Schlafzimmer kommt und mich wieder anschaut.
Sein Blick lässt mir einen Schauder den Rücken herunter laufen. Er ist sichtlich enttäuscht von mir.„Weißt du, eigentlich will ich das nicht. Ich meine, wir... Fuck." Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht und schüttelt den Kopf, als könnte er nicht fassen, was hier gerade passiert. Verständlich. Ich kann es ja auch nicht.
Ein paar Sekunden lässt er seinen Blick stumm den Flur entlang wandern, bis er mich wieder anschaut. Er zuckt mit den Schultern.
„Aber anscheinend geht's nicht anders." Er stößt ein tiefes Seufzen aus.
„Wenn du mir wirklich nicht vertraust, dann beenden wir das Ganze lieber jetzt sofort."
Er schaut mich durchdringend an. In seinem Blick liegt keine Wärme mehr, keine Zuneigung, nichts. Nur eine Eiseskälte und Wut.
Ich nicke langsam, weil ich ihn verstehe. Obwohl ich ihn nicht verstehe. Obwohl ich mir wünsche, dass er hierbleibt und um mich kämpft, kann ich vollkommen verstehen, dass er es nicht tut und sich stattdessen dafür entscheidet, zu gehen.
Felix seufzt nochmal. „Also, dann... ich meld mich, wenn ich wieder in Berlin bin, ja?"Nein. Nein, verdammt, fahr nicht. Bleib hier! Bitte!
Ich nicke stumm. Ich bringe kein Wort heraus und hasse mich dafür. Das ist wahrscheinlich das letzte Mal, dass wir uns sehen werden und ich schaffe es noch nicht einmal, mich mit Worten von ihm zu verabschieden.
Kurz sieht Felix mich abwartend an, gibt mir ein letztes Mal die Gelegenheit etwas zu sagen.
Dann reiße ich mich schließlich doch zusammen.
„Tschüss", flüstere ich heiser. „Komm gut nach Hause."
Felix nickt nur knapp, dann hebt er die Hand zu einer letzten Abschiedsgeste. Dann öffnet er die Tür und geht.
Einfach so.
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Heavenly (Felix Lobrecht)
FanfictionMadeleine hat ein Problem. Als Felix Lobrecht die nächste Ausgabe von seiner Radioshow „99 Problems" veranstaltet, wittert sie ihre Chance und bewirbt sich. Doch sie ahnt nicht, wie nah sie ihrem Lieblingscomedian dadurch wirklich kommen wird... For...