Forschungen

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Auf dem Bild ist Nyx


Oh verdammt.

,,Ich befürchte, ich habe nichts, das von Interesse für dich wäre, aber ich werde nachsehen.", die Lippen der Schlange deuteten ein leichtes Lächeln an. Nymeris schluckte und suchte nach den richtigen Worten in seinen Kopf, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Ash strahlte eine solche Autorität aus, dass ihm tatsächlich sogar das Atmen schwer fiel. Der Raum schien plötzlich viel zu klein zu sein und er bemerkte gar nicht, dass er reflexartig eine Angriffsposition einnahm.

,,Kein Grund sich zu fürchten, ich bin nur auf der Suche, nach einem Buch."

Nymeris zog überrascht die Augenbrauen hoch. Warum sollte er denn auch sonst hier sein?

,,Uhm...Welches?", der Wyvern fand seine Stimme wieder und straffte die Schultern. Er war ein Prinz und kein verängstigter Bedienter. Ash befand sich in seinem Zuhause, nicht umgekehrt!

,,Es ist lange her, dass ich mit anderen Arten zu tun hatte. Ich möchte etwas über die Wyvern in Erfahrung bringen. Über ihre Anatomie und Reproduktion...Ich sehe du tust das Gleiche.", Ashs Augen funkelten wie Bernstein in der Sonne. Er zeigte auf den Stapel Bücher in seinen Händen und grinste verschmitzt. Er trug nicht mehr die schwarze Lederkluft, sondern ein weißes Hemd, aufgeknüpft bis zu dessen Brust und die Ärmel hochgekrempelt, dazu eine schwarze Hose aus Leder. Seine Unterarme waren vernarbt. Kleinere und größere Narben, die er sich vermutlich im Kampf geholt hatte.

,,Warum interessiert Euch unsere Reproduktion?", Nymeris kehrte dem anderen den Rücken zu und stellte die Bücher zurück an ihre Plätze. Er hörte die Schritte der Seeschlange hinter sich, wie sie ihm folgten. Hatte Nyx tatsächlich recht? Man forschte doch nicht einfach so über solche Dinge, oder?

,,Alle Arten sind unterschiedlich. Meine Bibliotheken sind groß und umfangreich, aber die Wyvern teilten ihr Wissen nur ungern und dementsprechend gering ist der Anteil an Büchern über deine Art.", erklärte Ash und strich mit den Fingern über die Buchrücken in den Regalen.

Hatte er Bibliotheken gesagt?!

Nymeris wusste, wie lange es gedauert hatte, bis sein Großvater dem Bibliothekar gestattet hatte, einige Schriftrollen zu kopieren und sich Bücher zu leihen. Die Wyvern waren zwar kein eigensinniges Volk, aber das Teilen viel ihnen noch immer sehr schwer.

,,Man findet hier auch nicht viel über die Wyvern. Bloß zwei Bücher befassen sich damit und eines davon erklärt uns bloß die Kriegsursachen.", meine der Wyvern, während er das letzte Buch wieder an den richtigen Ort stellte und sich schließlich wieder dem König zuwandte.

,,Und das andere?"

Nymeris schnaubte: ,,Ist das, wonach Ihr sucht."

,,Darf ich es mir ansehen?"

Der Wyvern nickte leicht und zeigte auf das oberste Regal. Der Bibliothekar verwahrte dort die kostbarsten Bücher. Jene, die man der Bibliothek nicht entwenden durfte.

,,Das ganz links."

Ash streckte sich und holte das Buch aus dem Regal. Es war eines der dicksten Bücher, die es hier gab und auch eines der ältesten. Wie Asterin an dieses Buch herangekommen war, blieb ein Rätsel. Die Seeschlange ging an ihm vorbei, zu dem großen Tisch in der Mitte und streifte dabei seinen Flügel.

Nymeris schnaubte und versuchte so gut es ging die Präsenz des anderen zu ignorieren. Er suchte nach den passenden Schriftrollen und einer Landkarte, welche er am anderen Ende des Tisches ausbreitete. Sein Zuhause lag in mitten des Kontinents, während die Seeschlangen die Steinküsten im Nordwesten und Sandküsten im Südwesten bewohnten. Es dauerte Tage lang dorthin zu fliegen, wie lange Ash wohl unterwegs gewesen war um hier her zu gelangen? Mindestens zwei Wochen.

Was auch immer die Schlange sich erhoffte zu kriegen, er musste sich dermaßen sicher sein es zu bekommen. Eine zwei Wochen lange Reise auf sich zu nehmen, um mit leeren Händen wieder zurückzukehren war nicht gerade ein Traum.

Eine unangenehme Spannung lag in der Luft.

,,Ich habe dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt.", Ashs Stimme durschnitt die Stille wie ein Schwert. Nymeris sah von der Karte auf und bemerkte, dass der König nun gegenüber von ihm stand, das Buch in der Hand und über die Karte gebeugt.

,,Nymeris."

,,Ein schöner Name. Er trägt Anmut und einen schönen Klang in sich.", er legte das Buch auf den Tisch und neigte den Kopf, ehe er weiter sprach: ,,Danke für deine Hilfe, Nymeris. Wir sehen uns dann wohl beim Abendessen."


,,ANMUT UND EINEN SCHÖNEN KLANG?! Was ist das denn für einer?!", Rune lag bäuchlings auf seinem Bett und vergrub lachend das Gesicht in Nymeris' Kissen. Er hätte es den beiden nicht erzählen sollen...
Daemon grinste schief und selbst Nyx schaffte es nicht sein Kichern zu verbergen. Manchmal kam er sich vor, wie der letzte Vollidiot. Nymeris schnaubte genervt und verdrehte die Augen. Seine Brüder verwüsteten schon wieder das sorgfältig gemachte Bett und machten sich über ihn lustig, oder mehr über den Seeschlangenkönig.

,,Der hat wohl zu viel Salzwasser geschluckt.", gluckste Daemon und jetzt musste selbst Nys lachen, auch wenn ihm das ein wenig unhöflich vorkam. Das Abendessen fand in einer halben Stunde statt und sie würden endlich die Bedingungen der Schlange hören.
Nymeris kam nicht um den Gedanken herum, sich zu wundern, wie die Küsten wohl aussahen. Er hatte so viel über diese Gegenden gelesen. Vieles wirkte mehr wie der Fiebertraum eines Wahnsinnigen: Bunte Pflanzen die im Salzwasser tatsächlich gediehen, Fische und andere Tiere die sich dort ansammelten und aufhielten. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es dort tatsächlich so wunderschön war, wie es in den Büchern beschrieben wurde.

Ein Teil von ihm sehnte sich danach, etwas anderes zu sehen, als diese Stadt und deren Mauern. Nys wollte die Welt sehen, etwas, das beinahe unmöglich war für einen Wyvern, der nicht in der Lage war zu fliegen. Vielleicht war das hier eine einmalige Chance, die sich ihm bot, aber ob er dafür wirklich dazu bereit war, seinen Körper zu verkaufen, wusste er nicht. Eine Heirat mündete meistens in eine Schwangerschaft und Nymeris wollte nicht als Bruthenne der Seeschlange enden. Ganz bestimmt nicht, selbst wenn die Möglichkeit, endlich diese Mauern zu verlassen noch so verlockend war.

Nys spielte mit dem Anhänger seiner Kette. Lächerlich, dass er sich schon jetzt solche Gedanken machte, obwohl der Seeschlangenkönig noch nicht eine Forderung gestellt hatte. Vielleicht wollte er auch nur ein paar Drachen, die ihnen halfen zu reisen oder etwas ähnliches.

Was auch immer es war, Nymeris war neugierig geworden.

Seine Eltern und Großeltern saßen bereits an der großen Tafel im Spiegelsaal. Zahlreiche Speisen dampften vor sich hin und ein penetrantes Gemisch an Gerüchen lag in der Luft. Gewürze, Fleisch, Fisch, Wein, Früchte, alles vermischte sich miteinander. Gerade als er zwischen seinen Brüdern Platz nahm, öffneten sich die Tore und die Seeschlangen traten ein. Bloß drei von ihnen, darunter auch Ash. Letzterer nahm am Tafelende Platz, die beiden anderen links und rechts von ihm.

,,Ich finde es angemessener, Verhandlungen unter zukünftigen Verbündeten bei einem gemeinsamen Essen abzuhalten. Es verschafft eine angenehme Atmosphäre und vor allem aber kommt man sich nicht vor, als würde man gegeneinander arbeiten.", die Stimme seiner Mutter wirkte trotz dem freundlichen Ton sehr ernst. Hier ging es nicht bloß darum, neue Verbündete zu finden, sondern auch darum, die Anzahl an möglichen Feinden zu verringern. Nymeris war schlau genug um zu wissen, dass dieses Treffen einen wichtigen Teil für die Zukunft beitragen würde. Sollten sie dieses Bündnis tatsächlich schließen, würde das in alle Geschichtsbücher eingehen.

,,Um ehrlich zu sein, würde ich es bevorzugen, die Verhandlung nach dem Essen zu beginnen. Ich möchte keinem der Anwesenden den Appetit verderben."

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