Gemeinsames Frühstück

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Auf dem Bild ist Nyx als Drache


Nymeris wurde von warmen Sonnenstrahlen geweckt, die durch das Fenster in sein Zimmer schienen. Müde blinzelte er und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er setzte sich auf und breitete erst einmal die Flügel aus, ehe er die Bettdecke zur Seite schlug und aufstand. Ein Blick nach draußen verriet ihm, dass sie den Hafen bereits vor Stunden verlassen hatten. Es gab keinerlei Land in Sicht. Nur die blaue Oberfläche des Meeres.
Sie mussten einen sehr erfahrenen Kapitän haben, wenn er die Fahrt durch die Meerengen durchgeschlafen hatte. Der Wyvern entwirrte seine Haarsträhnen mit den Fingern und zog sich einen Stoffmantel über, ehe er in ein Paar Sandalen schlüpfte und sein Zimmer verließ. Durch das ständige Schaukeln des Schiffes wurde ihm sehr schnell flau im Magen.

Als er auf das Hauptdeck trat, wurde er von der salzigen Seeluft begrüßt. Hier und da wuselte eine Seeschlange herum und zog an einem Seil. Die Segel waren gesetzt und bogen sich im Wind. Auf dem Hauptmast befand sich eine kleine Plattform, auf der jemand mit einem Fernrohr stand und alles im Blick hatte.
Nymeris trat an den Rand und sah auf das Meer. Der warme Wind brachte seine Augen zum tränen und zerzauste seine weißen Strähnen. Schaumige Wellen schlugen gegen das Schiff und zerbrachen wieder. Nys ging ein paar Schritte und blieb auf dem Vorderdeck stehen. Von dort aus konnte er sich einen guten Überblick verschaffen. Die Frau die sie gestern empfangen hatte, hielt sich an einem Netz aus dicken Seilen hinter einem Segel fest und schien ihn gar nicht zu bemerken. Auch das war ihm recht. Solange man ihn in Ruhe ließ, war alles in Ordnung.

Der Wyvern ließ seinen Blick zum Steuerdeck wandern, wo tatsächlich Ash am Steuerrad stand. Natürlich war er der Kapitän, wer denn auch sonst?! Er trug wieder bloß ein Hemd, dieses Mal in schwarz, und eine Hose aus dunklem Leder, dazu simple Stiefel.

Als sich ihre Blicke für einen kurzen Moment trafen, nickte der König ihm zu. Nymeris schnaubte.
Jetzt gab es wirklich kein Zurück mehr.
Er wandte sich wieder dem Meer zu und schloss die Augen. Der Wind in seinem Gesicht fühlte sich gut an, beinahe so, als würde er auf dem Rücken eines Wyvern sitzen.
Nys breitete seine Flügel aus und streckte sie so weit, dass er die Spannung bis in die Flügelspitzen spürte. Der warme Wind kitzelte die dünne Membran und die Sonnenstrahlen schienen angenehm warm auf die Rückseiten. War es normal, dass sie so schnell unterwegs waren? Er hatte sich Schiffsreisen eher langsam vorgestellt, gerade dann, wenn es kaum Wind gab.

,,Ich sehe du genießt die Reise."
Nymeris fuhr herum und zog die Flügel schnell an, als er Ashs Stimme hinter sich hörte. Die Seeschlange musterte ihn amüsiert und trat neben ihn.
,,Ich versuche das Beste daraus zu machen.", der Wyvern sah sich suchend um, ehe er fragte: ,,Was habt ihr mit meinen Wächtern gemacht?"
Sie waren nirgends zu sehen.

,,Sie fliegen lieber, nachdem alle samt an der Reling gehangen sind und sich ständig übergeben haben. Wie geht es dir damit?", er glaubte tatsächlich so etwas wie Sorge aus der Stimme der Schlange herauszuhören.
,,Mir ist ein wenig flau im Magen, aber ansonsten fühle ich mich gut.", antwortete er wahrheitsgemäß und straffte die Schultern.
,,Das ist gut. Sehr gut. Du hast noch nicht gefrühstückt.", eine Feststellung, keine Frage, auf die Nymeris bloß stumm nickte.
,,Ich auch nicht. Meine Kabine ist hinter dem Steuerdeck. Hol die Kugel und komm dann dorthin."

Nymeris war sich nicht sicher, warum er gehorchte, doch keine fünf Minuten später, stand er vor Ashs Kabine. Sheiren, die Frau die sie empfangen hatte und von allen nur Ren genannt wurde, übernahm das Steuer und er zog sich mit dem Seeschlangenkönig zurück.


,,Nimm es ihr nicht übel, dass sie ist, wie sie ist. Rens Familie stammt ursprünglich von den Steinernen Küsten und musste fliehen, nachdem ihr Dorf von Geflügelten überrannt und niedergemetzelt wurde. Es ist nichts persönliches.", Ash setzte sich auf einen gepolsterten Stuhl und lehnte ich zurück. Nymeris drehte einen Stuhl zur Seite, sodass die Lehne nicht mehr hinten, sondern links ausgerichtet stand und setzte sich an das andere Ende des Tisches. Hier war nichts auch nur annähernd flügelfreundlich.

,,Wir sind keine geflügelten Gäste gewohnt.", entschuldigte sich die Seeschlange und hob abwehrend die Hände. Nys zuckte mit den Achseln.

Auf dem Tisch stand eine Teekanne und vielerlei Gebäck. Eine große Obstschale aus Glas stand in der Mitte, gemeinsam mit einem Brotkorb.
,,Wie war das gestrige Abendessen?"
,,Gut."
Nymeris griff nach der Teekanne und schenkte sich etwas von dem dampfenden Tee in seine Tasse. Zitronentee.
,,Das freut mich. Ich habe es extra für dich ausgesucht."
,,Ich weiß."

Er starrte in seine Tasse als er einen Schluck trank und hörte ein resigniertes Schnaufen. Nys war kein wirklicher Freund von erzwungenen Gesprächen oder Freundschaften. Man konnte auch miteinander auskommen, ohne einander zu mögen oder sonst was. Toleranz und Respekt. Aber keine Freundlichkeit. Das hier war keine Reise, die Nymeris aus Spaß antrat. Es war Teil einer Abmachung und weiter nichts.

,,Ich werde dir erst verraten, was es mit der Kugel auf sich hat, wenn du etwas...auftaust. Ich erwarte keine sprudelnde Freundlichkeit von dir, ich möchte nur, dass du dich auf das, was vor uns steht einlässt.", zum ersten Mal wirkte die Seeschlange etwas genervt.
,,Das werde ich, wenn ich bereit dazu bin.", antwortete Nymeris leise und griff nach etwas, das aussah wie ein Pfirsichtörtchen. Tatsächlich schien Ash sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben.
Es brachte nichts, wenn man den Wyvern dazu drängte, sich einzuleben und sich auf dieses Abmachung richtig einzulassen, wenn er es nicht von sich selbst aus tat. Er brauchte einfach etwas Zeit dafür.

Alleine zu verreisen, mit einem Fremden an einen fremden Ort und das auch noch für die nächsten sechs Monate, war keine kleine Sache. Besonders dann nicht, wenn man ausgestoßen wurde. Nys bezweifelte, dass die Seeschlangen ihn mit offenen Armen empfangen würden. Für sie gehörte er einem Volk an, das ihrem Jahrhunderte lang Leid zugefügt hatte. Seine Flügel waren wie eine Brandmarke, die ihn als Eindringling oder Außenseiter verriet.

,,Ich vergesse schon wieder, dass du jung und unerfahren bist. Dein Vertrauen kommt natürlich nicht von selbst und das ist in Ordnung. Ich bitte dich nur, dich nicht zu verschließen. Offiziell sind wir verlobt, wenn wir also an den Küsten ankommen, sollte es auch danach aussehen.",  die Seeschlange griff nun auch nach der Kanne und schenkte sich etwas Tee ein.
Er hörte nur mit einem Ohr zu, denn seine Aufmerksamkeit galt völlig ganz dem Törtchen in seiner Hand. Er hatte noch nie in seinem Leben etwas so köstliches gegessen. Süß und sauer waren perfekt aufeinander abgestimmt, der Kuchenteig luftig und weich und die gekochten Pfirsiche nicht zu reif. Eine Schicht aus karamellisierten Zucker überzog die Früchte und verlieh dem Törtchen noch etwas Biss.

,,Was heißt das?"
,,Wir verlassen das Schiff gemeinsam und zeigen uns in der Öffentlichkeit zusammen. Mein Volk vertraut mir, und wenn sie sehen, dass ich den Geflügelten vertraue, dann werden sie das auch tun.", erklärte Ash und führte die Tasse an seine Lippen. Die Ringe in seinen Ohren schimmerten im Sonnenlicht und Nymeris fragte sich, ob die Prozedur wohl sehr schmerzhaft gewesen war. Zwar trug er selbst auch Ohrringe, aber das Ohr hatte an den Läppchen kaum Nerven, zumindest hatte Arsen ihm das gesagt.
Mit diesen Bedingungen konnte er sich abfinden. Ein paar Spaziergänge und Stadtbesuche klangen nicht ganz so übel.

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