Dunkelheit

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Nymeris fühlte Hitze und Kälte zugleich. Sein Körper zitterte wie Espenlaub und es brauchte einige tiefe Atemzüge, bis seine Lungen sich endlich mit genügend Luft füllten, dass es ihm keine Schmerzen mehr bereitete zu atmen.

Erst dann, als er wieder halbwegs bei Verstand war, bemerkte er, dass seine Hand noch immer auf Ashs Gesicht lag, oder eher auf dessen Schläfe, nachdem er versucht hatte, dessen Auge zu berühren. Umso mehr überraschte es ihn, dass die Seeschlange nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatte, sondern ihn in seinem Wahn einfach hatte machen lassen. 

,,Geht es wieder?"

Nymeris brachte nicht mehr als ein knappes Nicken zustande, ehe er schnell seine Hand zurückzog und die Wärme unter seinen Handflächen verschwand. Ash richtete sich auf, er hatte sich vorhin zu ihm hinunter gebeugt, und musterte ihn von oben bis unten mit einem argwöhnischen Blick. Der Wyvern musste ein schreckliches Bild abgeben. Zitternd, schwitzend und halb erstickt an...nichts. An einem Traum, in den er sich wahrscheinlich einfach zu sehr hinein gesteigert hatte. 

Erst, als eine kalte Brise über seine Schultern Stoff, bemerkte Nys, dass der Stoff von seinem, von Ashs Hemd, dermaßen verrutscht war,  dass sein gesamter Rücken und ein großer Teil seines Oberkörpers nicht mehr bedeckt waren. 

Wortlos stand die Seeschlange auf und schloss die Fenster. Draußen war es genauso dunkel wie in seinen träumen. Wie in den Tiefen...Schnell verbannte er diese Gedanken aus seinem Kopf, als er spürte wie Angst in ihn hochstieg. Kein Wunder, dass gerade die Dunkelheit ihn in seinen Albträumen heimsuchte...schon immer hatte er sich genau davor gefürchtet. Bisher hatte er meistens Rune oder Daemon aufgesucht, wenn er nicht mehr hatte einschlafen wollen, aus Angst, doch jetzt...

Nys vermied es den anderen anzusehen. Er schämte sich dafür, hier wegen eines dämlichen Traumes, so aufgelöst zu sein. 

,,Möchtest du darüber reden?", die Matratze sank unter dem Gewicht der Seeschlange ein, als diese sich wieder zu ihm setzte und ihn abwartend musterte. Wollte er? 

,,Keine Ahnung.", flüsterte Nymeris leise und schwach, als er seine Stimme endlich wiederfand. 

,,Wieso bist du eigentlich hier?", tatsächlich war er Ash mehr als nur dankbar dafür, dass er ihn aus diesem irren Traum heraus geholt hatte. Sein Blick traf für einen kurzen Moment auf den warmen Schimmer der Seeschlange, als er kurz aufsah. 

,,Du hast nach mir gerufen...Mehr oder weniger. Ich höre dir zu, wenn du möchtest, oder ich gehe und lasse dich wieder schlafen.", Nymeris hörte nahezu deutlich heraus, dass Ash genauso wenig wollte, dass er ging, wie Nys selbst. Er war erschöpft, keine Frage, und nun weiter zu schlafen wäre vermutlich die beste Idee, doch etwas in ihm sträubte sich gegen diesen Gedanken.

,,Nicht ohne die Schlange!", schien dieser Teil immer und immer wieder zu sagen. Nicht ohne Ash, der ihn gerettet hatte. In seinem Traum zumindest. 

,,Ich habe dir doch erzählt, dass ich immer wieder das Gleiche träume, dieses Mal war es...anders.", er erzählte von seinem Traum, nur das nötigste und als er fertig war, ruhte der besorgte Blick des anderen auf ihm. 

Das hier war lächerlich. Sein Verhalten war lächerlich. Wenn er tatsächlich auch noch nach Ash gerufen hatte, und jeder das mitbekommen hatte, war es mehr als nur peinlich, jemals wieder seine Kabine zu verlassen. 

,,Kann es sein, dass dieses Schiff vielleicht verflucht ist oder so?", Nymeris rang sich ein erzwungenes Lächeln ab. Diese seltsamen, sich ständig wiederholenden Träume hatten erst angefangen, als er dieses Schiff betreten hatte...

Noch immer zitterte jeder Teil seines Körpers und sogar seine Flügel schmerzten. 

,,Wenn du willst, lasse ich es niederbrennen. Du kannst es auch selbst niederbrennen, sobald wir an den Küsten sind.", obwohl die Seeschlange das wohl als Scherz meinte, klang er so überzeugt von seinen Worten, dass Nys es tatsächlich als Angebot wahrnahm. Doch das würde seine Angst auch nicht lindern. Oder die Träume verschwinden lassen. Eigentlich war Nymeris nicht...so. Seine Furcht vor der Dunkelheit hatte sich eigentlich mit den Jahren gelegt, nur manchmal war er aufgewacht und seine Albträume hatten ihn dermaßen fertig gemacht, dass er sogar Angst davor hatte, sich zu bewegen. 

,,Dich quält etwas.", stellte Ash leise fest, beinahe schon vorsichtig. Woher wusste die Schlange denn immer so genau, was er fühlte? So langsam wurde das gruselig. 

Einen Moment lang haderte Nys mit sich selbst. Hier und jetzt preiszugeben, dass er sich manchmal im Dunkeln fürchtete, was absurd und lächerlich klang, wenn er so darüber nachdachte, stand nicht gerade ganz oben auf seiner Lister an Dingen, die er Ash über sich erzählen wollte.

Der Wyvern fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und rümpfte angewidert die Nase, als seine Handflächen voll mit seinem Schweiß waren. Kein Wunder, dass man sich um ihn sorgte. 

,,Es ist nicht der Rede wert, vermutlich habe ich dich aufgeweckt. Geh nur wieder schlafen.", denn er würde ganz sicher nicht mehr einschlafen können und wollen. 

,,Ich werde dich nicht einfach hier sitzen lassen, wenn ich doch sehe, dass dich etwas bedrückt. Raus damit, ganz gleich, was es ist.", Ash klang wie seine Mutter. Mit vor der Brust verschränkten Armen ruhte die Seeschlange am Rand seines Bettes. Das fahle Mondlicht schien auf seine Hörner und verlieh ihnen einen unheimlichen Glanz. Das Licht umrahmte Ashs muskulösen Körper nahezu perfekt. Der Fokus lag auf dessen breiter Brust, wo hier und da ein paar Schuppen schimmerten, als lägen sie geschützt unter einer dünnen Hautschicht, nicht darüber.

,,Manchmal...habe ich einfach Angst. Vor meinen Träumen, vor dem Alleinsein...vor der Dunkelheit. Ich weiß, das ist lächerlich aber..."

,,Ich hatte Jahre lang Angst vor dem Wasser.", unterbracht Ash ihn ernst und der Gedanke, dass die Seeschlange ihn ärgern würde verschwand so schnell, wie er gekommen war.

,,Stell dir das mal vor. Der Sohn des Großen Anführers und zukünftiger König der Seeschlangen fürchtet sich vor dem Wasser.", ein verlegenes Grinsen umspielte die Lippen seines Verlobten, was ein seltsames Gefühl in seiner Brust auslöste. Nymeris spürte förmlich, wie eine Last von seinen Schultern fiel. Bisher hatte er nur Rune und Daemon davon erzählt, nicht einmal Nyx. 

,,Was machst du, wenn du diese Angst spürst?"

,,Meistens bin ich zu einem meiner Brüder gegangen...", natürlich musste das ausgerechnet jetzt, wo keiner der beiden bei ihm war passieren. 

,,Ich kann den Platz deiner Brüder zwar nicht einnehmen, aber ich könnte dir einen Platz als dein Freund anbieten."

,,Du bist doch schon mein Verlobter."

,,Kann ich denn nicht beides sein? Freund und Verlobter?"

Meinte Ash damit, dass er ihm Gesellschaft leisten würde oder dass Nymeris ihn jederzeit aufsuchen konnte? Seltsamerweise machte sein Herz bei diesen Gedanken einen kleinen Sprung. 

,,Ich denke schon...", was auch immer das bedeutete. Er konnte sehen, wie die Augen der Seeschlange aufleuchteten, bei diesen Worten. 

Das Zittern hatte sich gelegt und allmählich fühlte Nys sich besser. Diese ganze Situation kam ihm vor, als würde sie aus einem Liebesroman stammen. Der Wyvern zupfte den Stoff seines Hemdes zurecht, sodass er nicht mehr seinen halben Oberkörper entblößte und richtete sich dann auf, um nicht das Häufchen Elend abzugeben, das er in diesem Moment auch wirklich war. 

,,Würde es dir etwas ausmachen, heute Nacht bei mir zu bleiben?", er hatte keine Lust, unter die Blicke der restlichen Mannschaft zu treten. Auch wenn es ihn eigentlich nicht interessieren sollte, was die Seeschlangen dachten, rebellierte sein Gewissen gegen diese Gleichgültigkeit. 

Sicherlich würde Ash gleich vorschlagen, in dessen Kabine zu gehen, weil das Bett dort größer war und sie an sich mehr Platz hatten. 

,,Fenster oder Türe?"

Nymeris runzelte verwirrt die Stirn. 

,,Auf welcher Seite möchtest du schlafen?"



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