Das heiße Wasser schmiegte sich so angenehm um seinen nackten Körper, dass Nymeris genüsslich ausatmete. In der Truhe hatte er eine Glasflasche mit einem weißen Pulver gefunden, das nach Zitronen gerochen hatte. Obwohl er nur ein kleines bisschen in das Wasser gekippt hatte, roch die ganze Kabine nach den frischen Zitrusfrüchten.
Nach dem Bad nahm Nys sich etwas von dem Frühstück aus der kleinen Kiste, darunter leider keine Törtchen, sondern nur einfache Kost, wie Brot, Butter und Speck. Danach tigerte der Wyvern durch die Kabine. Nicht um zu schnüffeln, sondern auf der Suche nach einer Beschäftigung. Auf dem Schreibtisch fand er Berichte und Listen, also trat er vor die Bücherregale an der Wand.
Das meiste davon war unbrauchbar, zumindest für ihn. Der Aufbau und das Steuern von Schiffen interessierte ihn nur mäßig, dasselbe mit der Kriegsführung, doch ganz unten, zwischen den Sachbüchern, fand Nymeris einen Roman. Sogar einen Liebesroman, von dem er nicht gedacht hätte, ihn in Ashs Büchersammlung zu finden. Zufrieden klemmte er das Buch unter seinen Arm und suchte noch kurz nach weiteren Schätzen wie diesen. Erfolglos.
Also setzte er sich auf das frisch gemachte Bett, umgeben von dem allzu bekannten Geruch der Seeschlange schlug Nys den Roman auf und begann zu lesen.
Ash umklammerte das Steuerrad mit beiden Händen so fest, dass seine Knöchel weiß hervor traten. Noch immer spürte er die zarte Haut des Wyvern unter seinen Fingern. Kalt und glatt. Er hatte einfach nicht widerstehen können.
Aber als Nymeris unter seiner Berührung zusammengezuckt war, hätte er sich am liebsten geohrfeigt. War er zu weit gegangen? Oder hatte er alles falsch gedeutet..? Verdammt er konnte das doch gar nicht falsch deuten! Er hatte doch die Erregung des Wyvern deutlich wahrgenommen!
Ash dankte der überaus exzellenten Wahrnehmung der Seeschlangen und verfluchte sie zur gleichen Zeit. Er hatte keine Ruhe mehr gefunden. Sein Körper hatte keine Ruhe mehr gewollt. Hatte nicht zugelassen, dass er endlich einschlief und nicht mehr an den süßen Geruch dachte, ihn ignorierte. Selbst als Nys nicht länger in seiner Kabine gewesen war, hatte er noch klar und deutlich wahrgenommen, dass er hier gewesen war. So klar und deutlich, dass es ihm den Verstand geraubt hatte.
Am Morgen hatte die Seeschlange sämtliche Bettbezüge, die der Decke und der Kissen, alle Decken und was sonst noch auf seinem Bett lag ausgetauscht, damit der Wyvern nicht auch nur den Hauch einer Spur riechen konnte, welche Gefühle Nymeris in ihm geweckt hatte. Der kleine Prinz hatte es nicht besser gemacht, als er versucht hatte zu verbergen, was letzte Nacht wohl in dessen Bett abgespielt hatte. Er hatte es gespürt. Ash war nicht in der Position sich darüber lustig zu machen, es war ihm gleich ergangen. Wie ein Jüngling hatte er selbst Hand angelegt und bei den Göttern, es hatte sich unglaublich angefühlt. Der süße Geruch des Wyvern hatte ihn umgeben, wie eine dichte Wolke, die ihn wie eine Droge benebelte. Noch immer fiel es ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Besonders, wenn er daran dachte, dass er bloß sechs Monate zeit hatte, um Nys für sich zu gewinnen.
Der Regen hatte seine Kleidung bereits völlig durchnässt. Das Hemd klebte an seiner Brust, die Stiefel voll mit Wasser und das Leder seiner Hose unangenehm eng. Besonders an gewissen Stellen, wenn er wieder daran dachte, wie süß Nymeris' Erregtheit roch.
,,Du siehst aus, als würdest du das Steuer gleich aus den Angeln reißen.", meinte Ren aus der hintersten Ecke des Steuerdecks. Auch ohne hinzusehen, wusste Ash dass die Frau grinste. Der Sturm hielt ihn hier fest, während Nys vermutlich gerade auf seinem Bett saß oder lag...oder vielleicht in der Badewanne...
Oh verdammt, er hatte Caspen darum bitten müssen, den kleinen Prinzen umzuziehen, nachdem seine Gedanken dermaßen nach unten in seinen Körper gedriftet waren, dass er den Raum hatte verlassen müssen.
,,Und? So wie ihr beide gestern gerochen habt, bin ich mir sicher, dass ihr..."
,,Haben wir nicht und werden wir so schnell nicht.", unterbrach er Sheiren und beendete das Gespräch damit. Er musste zugeben, dass es ihm nicht gefiel, wie sie über den Wyvern sprach oder sich ihm gegenüber verhielt, aber er durfte jetzt auch nicht den Verliebten Trottel spielen und seine Mannschaft unterdrücken wie Hunde. Hier war er nicht der König. Hier war er der Kapitän.
,,Er ist ja ganz nett anzusehen, das muss ich sagen. Diese hübschen Augen erinnern mich irgendwie an...Sternenlicht."
Auch daran hatte er schon gedacht. Jeden Tag, seit er Nymeris da zwischen seinen Büdern hatte stehen sehen, wie der hellste Stern am Nachthimmel, leuchtend und wunderschön.
,,Übernimm bitte kurz.", bat er die andere Schlange und trat vom Steuerrad zurück. Sie stellte keine weiteren Fragen, grinste aber verschmitzt, als er in Richtung seiner Kabine ging. Ash verdrehte die Augen. Er freute sich schon auf den Moment, wenn dieses grinsen erlosch und er sich tatsächlich das Bett mit dem Wyvern teilte. Strenggenommen tat er das ja bereits...
Obwohl es ihm ein wenig missfiel, dass er an seine eigene Tür anklopfen musste, tat er es trotzdem, bevor er eintrat. Die Wärme und Trockenheit der Kabine empfingen ihn mit offenen Armen. Zwar machte ihm Wasser nichts aus, er liebte es sogar, doch Regen, Stürme und vor allem Wind zählte nicht dazu.
Nymeris lag auf seinem Bett, bäuchlings und den Kopf auf einer Hand abgestützt. Er trug das haar zur Abwechslung mal offen und es fiel in nassen Strähnen über seine Schultern. Er trug wieder diese Kleidung im dramatischen Stil der Wyvern. Seine dunkelblauen Flügeln mit den seltsamen Mustern lagen ausgebreitet auf ihm, entspannt und locker, sodass sie aussahen wie eine decke. Vor ihm lag ein aufgeschlagenes Buch, dass Ash als eines aus seinem Regal erkannte. Unter den dunklen Wimpern sah ein Paar silberne Augen zu ihm auf. Der Duft von Zitrusfrüchten lag in der Luft und wurde stärker, je näher er der Badewanne kam.
,,Und? Hattest du aufregende Träume?", neckte Ash und setzte ein schiefes Grinsen auf. Eigentlich eine indirekte Frage, ob Nys auch so rastlos nach ihrem Abendessen gewesen war.
Für einen kurzen Moment trat Verlegenheit in das Gesicht des Wyvern und seine Wangen färbten sich rosa. Erwischt.
Er klappte das Buch zu und richtete sich auf, bis er kerzengerade auf dem Bett saß und ihn scheinbar gleichgültig musterte, was wohl eindrucksvoller gewesen wäre, wenn seine Wangen nicht die Farbe einer blühenden Lotusblume hätten.
,,Sehr aufregend sogar, zumindest dann, wenn man es als aufregend bezeichnen kann, immer wieder denselben Traum zu träumen.", Nymeris drehte sich zur Seite und griff nach einem Holzbecher, den er auf dem Nachtkästchen zwischen zwei Bücher gestellt hatte, damit er durch das Schaukeln des Schiffes nicht umfiel.
Interessant. Sehr interessant sogar.
,,Und wovon träumst du?", Ash trat etwas näher an das Bett heran und knüpfte währenddessen sein Hemd auf.
,,Dem Meer, dem Nachthimmel...vorgestern waren sogar Smaragdwale dabei. Gestern nicht.", antwortete Nys leise und schluckte. Zu dem ansonsten zarten Duft des Wyvern hatte sich der frische Geruch von Zitronen gesellt und Ash widerstand dem Drang, diesen Geruch tief einzuatmen. Er spürte die Augen auf seinem nackten Oberkörper, auf seinen harten Muskeln, als die Seeschlange sich das Hemd auszog und es über die hölzerne Trennwand hing.
,,Was liest du da?"
,,Einen Liebesroman. Wer hätte gedacht, dass in dir ein Romantiker steckt.", ein verschmitztes Grinsen umspielte die herzförmigen Lippen des Prinzen.
Wenn Ash sich richtig erinnerte, besaß er nur einen einzigen Liebesroman in seiner Sammlung und dieser sogenannte Liebesroman, beinhaltete die wohl schmutzigsten Inhalte, die man sich vorstellen konnte. Von Anfang bis zum Ende, wurden die wildesten Liebesspiele beschrieben.
Sicherlich ging Nymeris davon aus, dass er dieses Buch nicht gelesen hatte, doch in seinen Jahren als Jüngling, als er zum ersten mal ein Schiff betreten hatte und Wochen oder Monate lang nichts zum vögeln gehabt hatte, war dieses Buch für seine besten Fantasien verantwortlich gewesen.
,,Du scheinst es zu mögen.", grunzte Ash amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust. Den Wyvern hier vor sich zu haben, auf seinem Bett sitzend, einen schmutzigen Roman lesend...vielleicht stellte Nys sich alle diese Dinge ja mit ihm vor...
,,Wenn dir etwas davon besonders gut gefällt, sag es mir. Wir können es gerne ausprobieren."
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Drachenherz
Romance21 Jahre nach Drachenblut! Um ein Bündnis mit den Seeschlangen, einer Unterart der Drachen, angesiedelt an Küsten, zu besiegeln, soll Nymeris deren König heiraten, doch als er sich dagegen sträubt, macht Ash, der Seeschlangenkönig, ihm ein verlocken...