Er träumte wieder denselben Traum. Nur, dass diesmal das Wasser um ihn herum nicht mehr ruhig war, sondern kleine Wellen schlug, als ob sich dicht unter der Wasseroberfläche etwas bewegte.
Nymeris wachte auf, als jemand an seiner Tür klopfte. Träge richtete er sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
,,Ja?", mehr als dieses eine Wort brachte er noch nicht zustande. Die Müdigkeit benebelte seine Verstand und machte es ihm nicht gerade leicht, einen klaren Kopf zu fassen.
Erst als die Türe geöffnet wurde und Ashs Kopf zu ihm hinein spähte, und somit die Erinnerungen an die letzte Nacht aus den Tiefen seines Verstands hervorzog, schlug ihn diese Erkenntnis direkt ins Gesicht. Nymeris sah auf den Boden, neben das Bett wo noch immer seine Unterwäsche lag und betete zu allen Göttern, dass die Seeschlange nicht lange bleiben würde.
Heiße Scham stieg in ihm hoch und er versuchte den Blick des anderen zu meiden.
,,Guten Morgen. Habe ich dich geweckt?", eine Frage, auf die er gar nicht erst zu antworten brauchte, da es wohl offensichtlich war, dass er gerade wach geworden war. Nys nickte also leicht und setzte sich richtig hin, sodass die Decke alles unterhalb seiner Taille bedeckte. Er hörte ein leises Knacken, als Nymeris sich ausgiebig streckte und jede Faser seiner Flügel anspannte. Der gestrige Schmerz in seinem Flügel war weg, vermutlich war er also nur blöd darauf gefallen, als er ohnmächtig geworden war.
Der aufmerksame Blick der Seeschlange lastete auf ihn, als wäre er ein höchstinteressantes Objekt, das man studieren musste. Vielleicht war er das für dieses Volk auch.
Ash schloss die Tür hinter sich und trat um sein Bett herum. Schnell schlüpfte Nys aus dem Bett und trat seine Unterhose mit dem Fuß unter das Bett. Das Hemd war so lang, dass es unmöglich war, irgendwelche privaten Stellen zu sehen. Der Kapitän wirkte zwar etwas perplex über seine Reaktion, sagte jedoch nichts. Stattdessen zog er die Vorhänge ein wenig zur Seite und blieb vor dem Fenster stehen. War er etwa...nass?
,,Du wirst heute besser unter Deck bleiben, wenn du nicht nass werden willst.", sagte Ash leise, beinahe nachdenklich, und verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. Nymeris runzelte die Stirn und trat neben die Seeschlange. Augenblicklich fühlte er sich winzig. Wie eine Eidechse, die neben einer gigantischen Schlange stand.
Draußen wütete ein Sturm. Dicke Regentropfen prasselten gegen seine Fensterscheiben, begleitet von der schaumigen Gischt, die durch den Wind immer wieder hoch getrieben wurde. Das Meer war dunkel und schaumige Wellen schlugen gegen das Schiff, als wollten sie es versenken. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus. Sein Körper verspannte sich und Nymeris schluckte schwer. Der Ozean sah so...gefährlich und grausam aus. Angsteinflößend.
Sollten sie tatsächlich kentern, dann musste er sich darauf verlassen, dass ihn jemand rechtzeitig rettete, denn er, wie kaum ein Drache oder Wyvern, konnte nicht schwimmen.
,,Du kannst in meiner Kabine weiterschlafen, oder deine Zeit dort verbringen, wenn dich das Schaukeln hier unten stört, oder das Meer dich einschüchtert. Je höher deine Kabine liegt, umso weniger bekommst du davon mit. Der Sturm wird seinen Höhepunkt erst herte Mittag erreichen, wenn wir das Schwarze Meer erreichen.", bot Ash ihm an, als hätte die Seeschlange seine Angst bemerkt. Zwar hätte Nymeris liebend gerne abgelehnt, doch hier unten, so nahe am Wasser und an den Wellen, fühlte er sich tatsächlich nicht wirklich sicher.
,,Es wird doch nichts passieren, oder?", er kam sich ein wenig lächerlich vor sich auf einem Schiff voller Seeschlangen, vor dem Ozean zu fürchten. Ash sah zu ihm hinunter, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, und schüttelte den Kopf: ,,Unsere Schiffe kentern nicht. Ich habe Malströme durchfahren und Wellen, mit der Kraft von drei ausgewachsenen Seeschlangen erlebt. Du hast keinen Grund zur Sorge."
Er glaubte dem anderen, dessen Stimme so selbstsicher war, dass jegliche Zweifel die Nys hatte verschwanden.
,,Was wenn der Sturm bis heute Nacht anhält? ich kann ja wohl schlecht in deiner Kabine übernachten.", streng genommen, hielt ihn davon nichts ab. Immerhin waren sie beide ja verlobt und nach außen hin, machte es sicher einen guten Eindruck, wenn Nymeris in Ashs Kabine nächtigte.
Die Seeschlange schnaubte amüsiert: ,,Sollte der Sturm so lange anhalten, werde ich nicht schlafen. Sheiren hat zwar eine menge Erfahrung, aber nicht so viel wie ich. Du kannst also ruhig in meinem Bett schlafen. Dort hast du ohnehin mehr Platz für deine Schwingen."
,,Du musst doch auch irgendwann schlafen."
,,Deine Sorgen sind rührend, aber nicht nötig. Wenn ich wollte, könnte ich die Strecke ohne Pause schwimmen...Soll ich dir beim Tragen helfen?"
Nymeris atmete hörbar aus. Diese verflucht charmante Seeschlange. Der Wyvern kniete sich vor seine Truhe und suchte ein paar Kleidungsstücke heraus, die er an Ash weiterreichte und zog sich dann den dünnen Baumwollmantel über. So wurde er sicher nicht allzu nass, wenn sie gleich das Deck betraten.
Von allen Seiten wehte ein kalter, nasser Wind in sein Gesicht. Nys kniff die Augen zusammen und hielt sich am Arm der Seeschlange fest. Auf dem Deck wuselte es nur so von der Crew und er sah sogar die Wyvern und Drachen helfen. Bei diesem Wetter zu fliegen war viel zu gefährlich. Er nickte ihnen zu, als sich ihre Blicke trafen: Ein Zeichen, dass alles in Ordnung war. Die Wächter nahmen ihre Aufgabe sehr ernst.
Seine Flügel lagen so eng an seinem Körper, dass die dafür nötige Anspannung beinahe schon schmerzte. Sheiren stand vor dem Steuerrad und nickte ihnen kurz zu, als sie an ihr vorbei stolperten.
Ash drängte ihn in die Kabine und scholl hinter sich die Türe. Sein weißes Hemd war völlig durchnässt und die nackte Haut darunter kam viel zu gut zum Vorschein. Es war nicht wirklich kalt, nur unangenehm.
,,Du musst dein Frühstück selbst anrichten, alles was du dafür brauchst, findest du in der kleinen Kiste dort.", sagte die Seeschlange und steuerte dann auf einen hölzernen Raumteiler zu, hinter dem eine dampfende Badewanne stand.
,,Ich dachte mir, du willst sicher ein Bad nehmen, also habe ich es für dich vorbereiten lassen. Seife, Handtücher, egal was du brauchst, es befindet sich hier drinnen.", Ash zeigte auf eine große Truhe, die hinter der Eisernen Wanne stand, auf der er auch Nymeris' Kleidung ablegte. Er hatte das alles für ihn vorbereiten lassen..?
Der König schien es wohl wirklich ernst mit ihm zu meinen...
Stumm verfolgte er die Seeschlange mit seinem Blick und strich sich eine durchnässte Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann blieb Ash vor ihm stehen und die orange leuchtenden Augen musterten ihn eindringlich. Endlich fiel Nys auch wieder ein, woran ihn diese Farbe erinnerte: Vor einigen Jahren hatte Artemis, der Liebhaber von Dante, einem berüchtigtem Krieger am Hof seines Vaters, ihm eine Halskette geschenkt mit einem Feueropal als Anhänger. Ein seltener, teurer Stein, den er kaum trug, da er nicht ganz zur Farbe seiner Kleidung passte. Artemis hatte damals bloß gesagt, dass dieser Stein ihn auf eine seltsame Art und Weise an Nymeris erinnert hatte und er ihn deshalb gekauft hatte.
,,Ich bin direkt vor dieser Türe wenn du etwas brauchst. Egal was es ist, sag einfach Bescheid.", Ash strich mit dem Daumen über seine Wangen, wohl um sein Gesicht etwas abzutrocknen, und Nys zuckte kaum merklich unter Berührung zusammen. Die großen, teilweise vernarbten Finger, fühlten sich überraschend weich und warm auf seiner kühlen Haut an.
Mit einer geschmeidigen Bewegung kehrte die Seeschlange ihm den Rücken zu und verließ die warme Kabine.
Seine Haut brannte regelrecht an den Stellen, die berührt worden waren. Die Bilder von letzter Nacht quollen in seinem Kopf hervor, Bilder seiner unangebrachten Fantasien, die ihm den besten Höhepunkt seines Lebens beschert hatten, für den er sich gleichzeitig auch furchtbar schämte.
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Drachenherz
Romance21 Jahre nach Drachenblut! Um ein Bündnis mit den Seeschlangen, einer Unterart der Drachen, angesiedelt an Küsten, zu besiegeln, soll Nymeris deren König heiraten, doch als er sich dagegen sträubt, macht Ash, der Seeschlangenkönig, ihm ein verlocken...