Bunt

332 39 0
                                    

Die Stadt war so lebhaft wie noch nie. Nymeris erkannte, dass sie Dekorationen aufhängten, Laternen und Blumenkränze und vieles mehr. Die Leute nickten Ash zu, oder winkten oder kamen sogar zu ihnen. Sie beäugten ihn meistens misstrauisch und ein wenig ängstlich, aber nie feindlich. Manche schnappten nach Luft, wenn der König ihn als seinen Verlobten vorstellte, andere wurden neugierig, was wohl so interessant an ihm war, dass er die Aufmerksamkeit des Seeschlangenkönigs auf sich zog. 

Ein paar Kinder saßen auf den Straßen und malten mit Kreiden die Steine an. Eine Stadt so lebhaft und...zufrieden zu sehne erfüllte ihn mit Freude und Ehrfurcht zugleich. Es war sicher nicht leicht, so etwas wunderschönes zu errichten und instand zu halten. Ash setzte all das aufs Spiel nur um ihn heiraten zu können. War er das denn überhaupt wert?

Die Hauptstadt wirkte trostlos und kalt im Vergleich zu all dem hier. Traurig und tot. 

Hier und da lief ihnen ein Hund oder eine Katze über den Weg. Sogar ein Springer kletterte die Wand eines Hauses hoch. Instinktiv griff er nach seinem Finger, in den das Reptil gebissen hatte. Lektion gelernt, beim nächsten Mal würde er besser aufpassen. 

Ash: 

Nymeris erstrahlte wie ein Stern in der Dunkelheit. Hell und wunderschön. Er hatte die Hauptstadt mit eigenen Augen gesehen, wie es dort aussah, wie die Leute lebten und miteinander umgingen. Es hatte nichts mit seinem Zuhause gemeinsam. Er schmunzelte, als Nys nach seinem Finger griff, während der Springer die Hauswand hochkletterte. 

Was würde er dafür geben, diese Finger halten zu dürfen? Viel zu viel. Jedes Mal wenn Nys' Handrücken seinen streifte erschauderte er. So nah und doch so fern. Er wollte den Wyvern jetzt nicht unter Druck setzten, wegen des Beinahe-Kusses. Nicht jetzt, wo Nymeris so glücklich aussah. 

Violets Hinweis auf den Spaziergang durch die Stadt hatte sich als perfekt entpuppt. Er würde ihr später danken müssen. Besonders jetzt, wo die Vorbereitungen für das Fest der Sommersonnenwende im Gange waren und auf den Straßen was los war. Er konnte es kaum erwarten. Schon als kleiner Junge hatte er dieses Fest geliebt. der längste Tag des Jahres war immer etwas besonderes gewesen für ihn. Nicht nur, weil sein Vater an diesem Tag Geburtstag hatte, sondern auch weil er dort immer seinen Kummer und seine Einsamkeit vergessen hatte. Seine Sehnsucht nach...mehr

Sie kamen an einem Obstladen vorbei, wo eine junge Seeschlange, Gwyn, gerade Kisten mit Erdbeeren auf einen der Verkaufstische stellte. Sie war eine der vielen Obstbauern an den Küsten. Pfirsiche, Orangen, Mangos, Himbeeren, alles wonach man sich sehnte gab es hier. 

Als Gwyn ihn erkannte, winkte sie ihn zu sich. Wer war er schon, um ein solches Angebot ausschlagen zu dürfen? Ash zog den Wyvern mit sich. 

,,Na sieh an wer wieder da ist und dieses Mal hast du uns ja etwas ganz exquisites mitgebracht, hm?", sie legte den Kopf schief und musterte Nymeris von oben bis unten. Gwyn war eine Frau, die niemanden verurteilte. Für sie zählte alleine das, was sie zu sehen bekam. 

,,Ich bin Nymeris.", besagter streckte seine Hand aus, um ihre zu schütteln, welche sie auch nach kurzem Zögern ergriff. Sie nickte im anerkennend zu. Nys wusste die Rolle des Prinzen bestens zu spielen. 

,,Gwenlain. Aber die meisten nennen mich Gwyn. Du kommst aus dem Herz des Landes richtig?"

,,Aus der Hauptstadt, ja."

,,Wie kann ein so kalter Ort, denn eine so schöne Blume hervorbringen?", sie stemmte die Hände in die Hüften und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Das hatte er sich auch schon gefragt. Aber anscheinend brachte diese Stadt nichts hervor ohne auch etwas dafür zu nehmen. Nys konnte nicht fliegen, wie er gestern gelernt hatte. Warum würde er noch herausfinden, wenn der Wyvern bereit dazu war, es ihm zu erzählen.

,,Lilien wachsen dort besonders gut.", meinte Nymeris, während er seinen Blick über die verschiedenen Obstsorten schweifen ließ. Vermutlich hatte er mehr als die Hälfte davon noch nie in seinem jungen Leben gesehen. 

,,Sagt was ihr möchtet, ich packe es für euch ein. Sieh es als ein Willkommensgeschenk an euch beide...Oder als Verlobungsgeschenk.", sie zwinkerte ihm schelmisch grinsend zu und griff nach einem Korb, in den sie ein dunkelblaues Stück Stoff legte.

,,Alles ist so...bunt und...eigenartig.", Nymeris Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er mehr als bloß ein bisschen überrascht, so viel verschiedenes Obst zu sehen. Vermutlich lag es hauptsächlich an den Formen und Schalen. Kiwis mit ihrer rauen, pelzigen Haut, die der von Pfirsichen überhaupt nicht ähnelte. Karambolen, Kinder nannten sie gerne auch Sternfrucht wegen ihrer Form, Kaktusfeigen und Drachenfrüchte, die ihren Namen ihrer schuppenartigen Schale verdankten. Die harten, pinkfarbenen Hüllen von Lichis und das satte Rot der Erdbeeren hatten es dem Wyvern wohl besonders angetan.

Gwyn packte ihm von allem etwas ein, nachdem sie sah, dass Nys keine Ahnung hatte was hier vor ihm lag. Sie legte auch noch eine Mango und zwei kleine Passionsfrüchte hinein zu den ganzen anderen Früchten und reichte ihm dann den schweren Korb.

,,Wie wird das alles so groß und schön? Die Früchte in der Hauptstadt gedeihen nur selten und wenn dann sind sie karg und klein. Meistens schmecken sie auch nach nichts.", Nys legte fragend den Kopf schief während er sich noch immer nicht von den Farben losreißen konnte.

Ash war mit all dem aufgewachsen, es war nie etwas besonderes gewesen, bis er die Hauptstadt besucht hatte und gesehen hatte, wie der Großteil an Drachen lebte. Natürlich gab es dort auch einige beeindruckende Dinge, die grünen Tannenwälder zum Beispiel, der blaue Wald, von dem er immer erwartet hatte nicht auf zu sein. Doch genau das war er gewesen. Er hatte schon viel in seinem Leben gesehen aber noch nie einen blauen Wald.

,,Das Klima hier ist ausgezeichnet. Und wir kümmern uns gut um die Felder. Die Bauern lieben ihre Arbeit und wir werden auch dafür belohnt. Wie ist die Hauptstadt so?", letztere Frage war wohl an sie beide gewandt.

Nymeris sah unsicher zu ihm auf. Sie beide hatten unterschiedliche Ansichten was das betraf. Der Wyvern nannte diese Stadt sein Zuhause, Ash hatte noch nie etwas derart hässliches gesehen. So leblos und ohne Einklang mit der Natur. Wie ein alles verschlingender, alles vernichtender Parasit.

,,Eigen. Die Natur ist dort nicht so... präsent.", antwortete Ash schließlich, langsam und vorsichtig, um Nys nicht zu kränken.

,,Im Gegensatz zu diesem Ort ist die Stadt kalt und leblos. Dort leben zwar Menschen aber es gibt keine Menschlichkeit. Drachen herrschen und unterdrücken. Warum habt Ihr die Hauptstadt als das Herz des Landes bezeichnet?", etwas an Nymeris Worten brach sein Herz. Ash lebte schon lange genug um den Grauen den Drachen verbreiteten, vor allem unter den Menschen, miterlebt haben zu können.

,,Herzen sind nicht immer gut, aber sie halten alles in Schach. Der Respekt den diese Hauptstadt ausübt, verhindert Kriege. Als Cobalt den Thron an seinen Sohn und einen Wyvern abgegeben hat, an deine Eltern, hat das Hoffnung geweckt. Selbst die Draken haben sich wieder aus ihren Höhlen getraut. Wenn Wyvern und Drachen Seite an Seite reagieren können, scheint ein friedvolles Miteinander nicht mehr so weit entfernt. Unser Volk hofft auch darauf, dass wir durch dich Unterstützung erhalten und unseren Teil zum Frieden beitragen. Es wäre nur fair, wenn unserem König das gelingt, woran der große Anführer gestorben ist."





DrachenherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt