Ein kleines Geschenk

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Auf dem Bild ist Daemon (natürlich mit Flügel)

Der Gegenstand lag schwer in seiner Hand, als Nymeris ihn herum drehte und versuchte herauszufinden, worum sich dabei handelte. Noch nie hatte er etwas auch nur ansatzweise ähnliches gesehen. Er war viel zu fasziniert davon, um sich noch Gedanken darum zu machen, weshalb Ash ihm dieses Geschenk gemacht hatte. 

Eine Kugel aus Gold mit Gravuren und Mustern, die eine unebene Oberfläche bildeten. Ein dünner Schlitz teilte die Kugel in zwei gleich große Teile. Nys versuchte vorsichtig sie zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. 

Der Wyvern durchsuchte die Schatulle und entdeckte etwas, das aussah wie ein Kugelhalter. Vorsichtig legte er die Kugel darauf und wartete einen kurzen Augenblick, in der Hoffnung, dass etwas passieren würde. Er entdeckte an der herausstehenden Kante einige Gravuren und Einlassungen, aber nichts das auch nur einen kleinen Hinweis darauf gab, um was es sich bei dieser Kugel handelte. Sie war sorgfältig verziert und verarbeitet worden und schien eine Dekoration zu sein. 

Nymeris schnaubte. Das war sicher ein Trick, um ihn dazu zu zwingen die Seeschlange aufzusuchen und zu fragen, was für ein Geschenk er da bekommen hatte. Ein Teil von ihm hoffte inständig, dass es sich dabei nicht um etwas unanständiges hielt. Resigniert stellte er die kleine Kugel auf den Tisch, neben die Schatulle in der er die Halskette von seinem Vater aufbewahrte und schlüpfte dann aus seiner Kleidung, bis er nur noch ein dünnes Seidenhemd mit Schnüren als Ärmel trug. 

Als Nys sich ins Bett legte und zur Seite drehte, fiel sein Blick wieder auf die Kugel, die im Mondlicht funkelte, als lachte sie ihn aus. Es konnte doch nicht so schwer sein, herauszufinden was dieser kleine Apparat sein sollte! Vielleicht dachte der Wyvern auch zu kompliziert und es handelte sich einfach nur um eine goldene Kugel. Weiter nichts. 

,,Verfluchte Seeschlange.", murrte er und drehte sich auf die andere Seite. 



,,Guten Morgen, kleiner Bruder.", begrüßte Daemon ihn, als Nymeris am nächsten Morgen seine Gemächer verließ. Er hatte diese Nacht kaum geschlafen. Auf der einen Seite, wegen der Forderung des fremden Königs und auf der anderen Seite, wegen dieser blöden Kugel, die ihn selbst im Schlaf noch ausgelacht hatte. 

Nys war aufgewacht und hatte sie wieder in die Schatulle gelegt. Aus den Augen, aus dem Sinn, zumindest hoffte er das. Mit etwas Glück war auch die Seeschlange schon abgereist und das Bündnis war sowieso schon ins Wasser gefallen. Zwar nagten noch immer Schuldgefühle an ihm, doch er wusste, dass niemand ihm einen Vorwurf deshalb machen würde. Es war seiner Mutter schon immer sehr wichtig gewesen, dass die Brüder ihre eigenen Entscheidungen trafen und zu nichts gezwungen wurden. 

,,Wo ist Rune?", normalerweise wurde er von zwei Wyvern abgeholt. Manchmal war noch ein Drache dabei.

,,Hat verschlafen.", antwortete Daemon schmunzelnd, während sie gemeinsam durch die Gänge liefen. Die Sonne war bereits aufgegangen und warf ihre ersten warmen Strahlen auf die Festung. Die Fensterscheiben reflektierten das Licht und an den dunklen Gestein der Wände tanzten hier und da ein paar bunte Lichter. 

,,Ich frage mich warum.", sie wusste beide genau, dass er vermutlich wieder bei Serafina gewesen war, der Tochter des Kochs. Auch wenn seine Eltern bereits mehrmals erwähnt hatten, dass Rune sich von der Wyverndame fernzuhalten hatte, da der Koch ausdrücklich darum gebeten hatte, trafen die beiden sich noch immer heimlich bei Nacht und trieben es miteinander. Auf die Frage, ob sein Bruder auch die Intention hatte, das Mädchen zu heiraten, kam immer dieselbe Antwort: ,,Himmel nein, bei dieser Sache geht es nur um ein wenig Spaß."

,,Ist er noch da oder schon abgereist?", selbst ohne Ashs Namen zu erwähnen, wusste Daemon genau wen er meinte. Als sein ältester Bruder stumm nickte, rutschte Nymeris' Herz eine Etage tiefer. Wie sollte er diesem Mann denn jetzt unter die Augen treten, nachdem er diesem nahezu deutlich gemacht hatte, dass er ihn auf keinen Fall heiraten wollte?!

,,Bevor du fragst: Ja, du musst zum Frühstück erscheinen. Vielleicht solltest du dir sein Angebot...", Nys unterbracht seinen Bruder, bevor dieser zu Ende sprechen konnte, indem er abrupt stehen blieb und sagte: ,,Nyx hat dasselbe gesagt! Habt ihr mich vielleicht schon an ihn verkauft?!"

,,Nys, du weißt, dass weder Mutter noch Vater das tun würden. Und Rune und ich schon gar nicht. Ich meine nur, dass du dir vielleicht erst anhören solltest, was er zu sagen hat.", erklärte der Älteste langsam und sachlich, als würde er mit einem kleinem Kind sprechen.

Nymeris schnaubte und schüttelte den Kopf. Waren denn alle verrückt geworden?! Er sollte alles aufgeben, um einen Fremden zu heiraten, seine Heimat verlassen, darauf verzichten jemals aus Liebe jemanden als Gefährten wählen und ewig ein Außenseiter aufgrund seiner Flügel sein, damit ein Bündnis entstand? 

Verlangte man doch von ihm, das alles zu tun, weil jeder wusste, wie sehr es ihn belastete, der Grund für ein gescheitertes Bündnis zu sein, dass in die Geschichte eingegangen wäre? 

Als die Tore zum Speisesaal geöffnet wurden, drehte sich dem jungen Wyvern der Magen um, als die Seeschlangen bereits am Tisch saßen. Der Tisch im Speisesaal war kleiner und bot nur Platz für zwölf Personen. Fünf auf jeder Seite und je einer am Anfang und am Ende. Nymeris setzte sich an den Tischanfang, neben Daemon, welcher neben Nyx Platz genommen hatte. Rune würde rechts von ihm sitzen. Wie immer. 

Die Seeschlangen saßen am Tischende. Wieder Ash in der Mitte und links und rechts eine Wache, welche bloß einen Stuhl weiter saß. Wo war Rune wenn man ihn brauchte? Hatte man ihn absichtlich so nahe an den fremden König gesetzt?! Er versuchte diesen mit allen Mitten zu ignorieren. 

,,Wo ist euer Bruder?", Nys lachte beinahe, als er den besorgten Blick seiner Mutter bemerkte. 

,,Er hatte eine lange Nacht. Als ich zu ihm gesehen habe, war er gerade wach geworden, er kommt vermutlich erst etwas später.", erklärte Daemon schief grinsend. Ihre Mutter schien sofort zu verstehen, was sein ältester Bruder damit meinte.

,,Diese Echse...Das hat er von seinem Vater!"

,,Irgendwie mussten drei kleine Wyvern zustande kommen.", meinte sein Vater nur leise und gab ein amüsiertes Grunzen von sich.

Darauf wollte Nymeris jetzt sicher nicht weiter eingehen. 

,,Esst, bevor der Tee kalt wird. Unser Sohn wird sich verspäten.", verkündete seine Mutter wenig später und warf ihm einen kurzen, undefinierbaren Blick zu. Nys griff nach der Teekanne und schenkte sich etwas von dem Zitronentee ein. 

Die Bediensteten stellten die Kanne aus gelben Porzellan immer vor ihn, sodass er sich nicht ausstrecken musste um sie zu erreichen. Sie wussten, dass nur er diesen sauren Tee gerne trank. Als Rune ein einziges Mal probiert hatte, hatte er den Tee sofort ausgespuckt. Danach war es zu einer Mutprobe geworden, den Tee zu trinken. Zumindest für seine Brüder und Nyx.

 Schon als Kind hatte er eine Schwäche für Zitrusfrüchte gehabt, eine Ausnahme bildeten Pfirsiche, auch wenn es sehr schwer war, sie in dieser Gegend zu bekommen. Es war viel zu kalt hier. Orangen, Mandarinen, Zitronen, Pfirsiche...alle samt Früchte, die im Süden gediehen. 

Vor einigen Jahren, als sie die Onkel seines Vaters im Süden besuchten, hatte er die köstlichsten Pfirsiche gekostet, die dieses Land einem bieten konnte. Saftig und herrlich süß. Nys mochte es, wenn sie noch nicht ganz ausgereift waren und einen leicht säuerlichen Geschmack behielten. 

Wobei er letztere am liebsten mochte. Nymeris bevorzugte kaltes Frühstück und überließ die gebratenen Eier und den Speck den anderen. Es fiel ihm schwer, gleich am Morgen viel zu essen, weshalb sein Frühstück eher karg ausfiel. Ein paar Früchte und Tee. Vermutlich war er genau deshalb so schlank und nahm weder Muskeln noch Fett zu...



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