Drachenherz

Anprobe

Auf dem Bild ist der Schneider (Kallas)

Nymeris konnte sein Glück kaum fassen, als kurz später jemand an den Türen zu seinen Gemächern klopfte und tatsächlich Ivy, Violet und der Schneider eintraten. Letzteren eine große Holztruhe tragend. Ivy stolzierte voran wie ein Schwan und knickste leicht als sie Ash bemerkte.

,,Mein König, der Schneider ist fertig mit der Kleidung für...den Wyvernprinzen. Es wird Zeit für eine Anprobe, wenn ich Euch bitten dürfte uns alleine..."

,,Er kann bleiben. Ich habe nicht dagegen.", schnitt Nymeris der Frau das Wort ab und machte ein paar Schritte auf die Dreiergruppe zu. Der Schneider war eine Seeschlange, deren Alter schwer zu schätzen war. Er sah aus wie etwa 30, strahlte aber etwas älteres aus. Seine Haare glänzten braun wie eine Kastanie in der Sonne und hier und da schimmerten einige Strähnen Bronze und Golden.

,,Meinetwegen auch. Der König darf gerne bestaunen, was ich geschaffen habe in so kurzer Zeit. Wieder einmal habe ich bewiesen, dass ich der beste Schneider an den Küsten bin.", die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem überheblichen Grinsen das zwei Reihen strahlend weißer Zähne entblößte.

Nymeris war sich nicht sicher, was er von dem Schneider halten sollte.

,,Du weißt, dass ich dich aus genau diesem Grund damit beauftragt habe, Kallas. Zeig uns deine Kreationen.", Ash setzte sich an den Bettrand und überschlug die Knöchel.

Violet und Ivy machten sich daran die Truhe in sein Ankleidezimmer zu tragen und Nys nutzte die Chance, um einen genaueren Blick auf Kallas werfen zu können. Er war attraktiv, groß und schlank, jedoch bezweifelte der Wyvern, dass die Seeschlange nicht genauso muskulös war, wie Ash.

,,Als Ivy mir deine Maße übergeben hat, dachte ich, ich musste ein Kind einkleiden. Deine Flügel haben mir starke Kopfschmerzen bereitet, aber ich bin mir sicher, dass ich eine gute Lösung dafür gefunden habe.", der Schneider ging um ihn herum und beäugte ihn wie ein neu entdecktes Tier. Vermutlich war er das in seinen Augen auch.

,,Wenn meine Flügel eine solche Schwierigkeit für dich waren, bist du vielleicht doch nicht der beste Schneider an den Küsten.", Nymeris merkte wie seine Flügel sich wie von selbst ein wenig anspannten, sodass sie größer und imposanter wirkten. Demonstrativ drehte er sich um, um Kallas die Ausschnitte seines Mieders zu präsentieren.

,,Das ist wahre Handwerkskunst. Vielleicht hätte ich einen Schneider mitnehmen sollen, der es dir beibringt.", Nymeris war niemand der gerne stritt, aber er liebte es Leute anzustacheln. Zumindest dann, wenn sie es verdient hatten. Das hatte er sich von Rune abgeschaut. Am liebsten hätte er laut losgelacht, als er Kallas Empörung sah. Sie stand ihm wortwörtlich ins Gesicht geschrieben.

Der Schneider reckte das Kinn und sah auf ihn hinab, eine Augenbraue nach oben gezogen und demonstrativ die Arme in die Hüfte gestemmt ehe er sagte: ,,Meine Kreationen werden dich umhauen. Ich gebe zu, das ist sehr beeindruckend, aber Nichts, das nicht auch ich ausführen könnte."

,,Gut, das hoffe ich. Ich werde nämlich nichts tragen, das mich nicht umhaut.", Nymeris schürzte die Lippen und sah dann an der Seeschlange vorbei, zu Ash, welcher vor sich hin grinste wie ein Idiot.

,,Was dauert das so lange!?", Kallas ließ ihn stehen und eilte davon, in Richtung Ankleidezimmer.

,,Du hast es tatsächlich geschafft, ihn nervös zu machen. Wenn du jetzt auch noch sagst, ein Teil gefällt dir nicht, stürzt er sich die Klippen runter.", der König lachte leise, ein ehrlich belustigtes Lachen, das ihn irgendwie mit Wärme erfüllte.
Unwillkürlich musste er schmunzeln.

,,Wir wären bereit für die Anprobe.", Violet stand im Raum und sah abwartend zwischen ihnen hin und her, bis Nys sich in Bewegung setzte.

,,Werft ihn ordentlich in Schale. Die Leute sollen ihre Blicke nicht mehr von ihm abwenden können.", grinste Ash in Richtung dem Mädchen.

,,Du kannst deinen Blick doch jetzt schon nicht mehr von mir reißen.", feuerte Nymeris zurück, was Violet ein leises Kichern entlockte.

,,Da liegst du verdammt richtig.", der Seeschlangenkönig machte es sich auf seinem Bett bequem und legte sich ein Kissen unter den Kopf.

Kallas und Ivy waren bereits damit beschäftigt, ein paar Teile miteinander zu kombinieren und heraus zu legen, als sie ihn sahen. Er hatte ganz vergessen, dass er noch immer bloß den Bademantel trug.

,,Zuerst einmal Unterwäsche, falls du weißt was das ist.", meinte der Schneider scheinbar gelangweilt und setzte sich auf den Frisiertisch.

Ivy scheuchte ihn hinter den Raumteiler und gab ihm dann seine Unterwäsche. Etwas, das er sehr schnell klar gemacht hatte: Seine Unterwäsche würde ihm niemand anderes anziehen... höchstens vielleicht ausziehen.

Dann schob sie den Teiler zur Seite und winkte Violet, die ein paar Kleidungsstücke in den Händen hielt, zu sich. Etwas das aussah wie eine Hose und ein Art Korsett mit Ärmeln.
Ivy half ihm erst dabei in die Hose zu schlüpfen, was sich als gar nicht so einfach erwies, denn die Hose bestand strenggenommen aus zwei Hosen. Eine aus blickdichten Stoff in dunkelblau, die bis ein Stück oberhalb seiner Knie reichte und ein wenig eng anlag, und eine weite aus Chiffon, eine Art von Seide wie er eben gelernt hatte, in einem helleren Blau, die bis zu seinen Knöcheln reichte und auf jeder Seite einen Schlitz hatte der dort begann, wo der Saum der unteren Hose endete, durch den diese sehr luftig und locker wurde. Am Bund waren zwei Bänder angenäht, durch die man keinen Gürtel mehr brauchte und die Hose auf jede beliebige Größe ändern konnte. Der blaue Chiffon glitzerte in der Sonne leicht. 

Auf der einen Seite war er sehr angetan von dieser Art von Mode, sie war neu, luftig und sehr schick. Andererseits kam es ihm ein wenig unschicklich vor, so viel Haut zu zeigen. er wollte keinesfalls, dass die Seeschlangen ihm für eine Hure hielten. 

Abgesehen von dem Teil, der das obere Stück seiner Brust bedecken sollte, war das Korsett tatsächlich durchsichtig. Komplett durchsichtig. Der Stoff, vermutlich auch wieder Chiffon, war weiß, und bestickt mit Mustern aus dunkelblauem Garn, bei denen es sich wohl um Lilien handelte. Die Lieblingsblumen seiner Mutter...

,,Was zieht man da drunter an?", eine andere Art zu fragen, ob man wirklich durchsehen können sollte. 

,,Nichts. Der Stoff ist so, dass du ihn ohne weiteres direkt auf der Haut tragen kannst, anders als bei herkömmlichen Korsetts. So wird dir nicht zu warm.", antwortete Kallas, offensichtlich erfreut darüber, dass Nys gefragt hatte. 

Violet hielt es ihm hin, sodass er bloß mit den Armen in die Ballonärmel hineinschlüpfen musste und Ivy die Schnürung, die bloß den unteren Teil seines Rückens einschloss, übernahm. Die Seeschlange zog die Schnüre so fest, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb. Ja er war schlank, aber er besaß noch lange nicht die betonte Taille einer Frau. 

,,Das ist viel zu eng. Wenn du mich umbringen willst, dann tu es zumindest schnell.", er wusste nicht genau warum, aber er mochte Ivy nicht besonders gern. Es war ihre kalte Art, die oft in Abweisung überging. Sie redet kaum mit ihm, interessierte sich auch nicht sonderlich dafür und war auch nicht immer bei Violet und Daisy dabei. Ein Glück vermutlich. 

Sie schnaubte und lockerte die Schnürung ein wenig. Violet warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und zuckte kaum merklich mit den Schultern. Es war ihr anzusehen, dass sie Ivy auch nicht besonders zu mögen schien...

Dann trat sie einen Schritt zurück, sodass er sich im Spiegel ansehen konnte. Tatsächlich sah es...hübsch aus. Die Farben passten gut zu seinen Flügeln, besonders die Lilien gefielen ihm besonders gut, auch wenn er sich nicht ganz mit der Tatsache abfinden konnte, dass man seinen Bauchnabel und alles drum herum sehen konnte. Die Ärmel konnte man entweder über die Schultern tragen oder weiter nach unten ziehen. Schick, das musste er zugeben. Nun aber zu der wichtigsten Sache...

,,Die Schnürung ist gut, aber nichts besonderes. Ich hoffe du hast noch mehr da drinnen, doch hat es mich nicht umgehauen.", Nymeris drehte sich zu Kallas um und zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen: Tut mir leid. 

Dann verließ er das Ankleidezimmer. Jetzt war er gespannt, was Ash wohl zu seiner neuen Garderobe sagen würde...