Drachenherz

Fragen

Auf dem Bild ist Daisy

,,Was wenn ich nichts davon tun möchte? Was wenn du ein Dieb bist? Was macht jemand wie du überhaupt an diesem Ort?", die Seeschlange ging um ihn herum und beäugte ihn, wie man Ware auf einem Markt ansah. Prüfend und abschätzig. 

Nymeris senkte die ausgestreckte Hand und schnaubte ein weiteres Mal. Warum hatte er sich denn auch erwartet, überall auf Freundlichkeit zu treffen? Hier war er ein unerwünschter Eindringling. 

,,Dann wäre ich wohl kaum in der Bibliothek. Ich bin ein Gast deines Königs, von dem ich auch diese Kugel habe.", erklärte der Wyvern entnervt und drehte sich um, sodass er wieder in das Gesicht der Seeschlange blickte. Obwohl er die näher kommenden Schritte deutlich hörte, taxierte er den Mann vor sich und versuchte dabei auch nicht auf das schwarze Loch im Boden zu starren. Je näher sie diesem kamen, umso unwohler fühlte er sich. 

,,Ach tatsächlich? Warum sollte der König ein so wertvolles Objekt, jemandem deinesgleichen überlassen?", die Schlange mit den seltsamen Haaren hielt ihm die Kugel vors Gesicht, doch bevor Nys überhaupt danach greifen konnte, riss die Seeschlange den Arm nach oben, sodass Nymeris nicht mehr an die Kugel rankam. 

,,Bist du überhaupt ein Drache? Wenn ich mir deine Flügel so ansehe, sind die eher mickrig, wie die einer Fledermaus. Ich hab mal gehört, je größer die Flügel, umso größer der Schwanz, besonders groß scheint deiner dann ja nicht zu...", noch bevor der andere Mann hinter ihm diesen Satz beenden konnte, drehte Nys sich um und verpasste der Seeschlange einen ordentlichen Schlag mitten ins Gesicht, wie Daemon es ihm beigebracht hatte. 

Er wartete einen kurzen Moment, um sicher zu gehen, dass die Schlange auch auf dem Boden blieb. Auch wenn diese Handlung sicherlich Konsequenzen haben würde, verspürte der Wyvern ein kleines bisschen Stolz, als die Seeschlange tatsächlich liegen blieb und nur kurz ungläubig zu ihm aufsah. 

,,Es ist ein Verlobungsgeschenk. Jetzt gib mir diese Kugel."

Ohne auch nur eine Sekunde auf seinen Freund am Boden zu achten, trat der junge Mann vor ihm ein paar Schritte zurück, Richtung des Loches und streckte dann die Hand mit der Kugel über die Kante. Nymeris' Augen weiteten sich erschrocken, als der goldene Schimmer verräterisch über dem dunklen Abgrund funkelte, wie ein Köder, der ihn in den Tod locken würde. Der Wyvern schluckte schwer.

,,Wie schnell kannst du fliegen?", als die Seeschlange seinen Gesichtsausdruck wohl erkannte, breitete sich ein schiefes Grinsen auf dessen Gesicht aus: ,,Wenn du schnell genug bist, wirst du auch nicht nass."

,,Bitte tu das nicht, der König wird..."

,,...nicht begeistert sein, wenn du sein Geschenk verlierst. Also musst du schnell sein. Wir helfen dir auch dabei.", ehe Nymeris überhaupt die Bedeutung dieser Worte verstand, lösten sich die Finger der Seeschlange und die Kugel fiel vor ihm in die Tiefe. Und er mit ihr. 

Für einen kurzen Moment, für den Bruchteil einer Sekunde, hatte Nys das Gefühl zu fliegen. Er spürte den Wind unter seinen Flügeln, der ihn tragen sollte. Er glaubte endlich seine langersehnte Freiheit zu spüren, doch dann schlang sich das kalte Wasser um seinen Körper, wie Klauen und zog ihn nach unten. 

Jegliche Luft wich aus seinen Lungen und das Salzwasser brannte in seinen Augen. Eiskalte Panik kroch in ihm hoch, wie in seinen Träumen, sank er immer tiefer und tiefer hinunter, nach Luft ringend und blind vor Dunkelheit, bis auf einen einzigen, kleinen goldschimmernden Funken vor ihm. 

Wie in seinen Träumen, doch dieses Mal würde Ash ihn nicht retten. 

Ash. 

Ash.