Die Meerengen

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Auf dem Bild ist Rune als Wyvern


Die Sonne ging bereits unter, als sie am zweiten tag endlich die steinernen Meerengen erreichten. Die kleine Hafenstadt war bereits ruhig und nur noch ein paar Fischer und Seemänner trieben an den Stegen ihr Unwesen. Sie hatten sich etwas entfernt von der Stadt verwandelt und waren den Rest zu Fuß gegangen.

Das Meer glitzerte in wunderschönen rosa und orange Tönen. Die Meerengen waren schön und gefährlich zugleich. Eng und steinig. Nur die erfahrensten Kapitäne schaffen es heil hinein und wieder hinaus.

Der salzige Geruch des Meeres vermischte sich mit dm Gestank der Meeresfrüchte und empfing sie. Er rümpfte die Nase.

Vor ihm erstreckte sich ein riesiges Schiff aus dunklem Holz mit hellblauen Segeln. Als sie den Steg betraten wurde die Gruppe sofort empfangen. Eine dunkelhäutige Frau mit schwarzen Zöpfen kam auf sie zu.
,,Ich hätte deine Ankunft erst in ein paar Tagen erwartet.", sprach sie lachend und blieb vor Ash stehen.

,,Wir wurden eskortiert.", erklärte die Seeschlange und trat zur Seite, sodass der Blick der Frau nun auf ihnen lag. Ihr Lächeln verschwand augenblicklich und etwas anderes trat in ihr Gesicht.
Nymeris musterte sie mit demselben Blick. Sie trug seltsame Kleidung aus Fetzen, die nicht annähernd zusammenpassten. Es sah so aus, als hätte sie einfach irgendwelche Stoffstücke gefunden und diese zusammen genäht. Auf eine seltsame Art und Weise sah es an ihr gar nicht schlecht aus.
,,Nymeris und seine Leibwachen werden uns begleiten.", Ash nickte in seine Richtung und zeigte dann auf die Drachen und Wyvern, die hinter ihnen standen.
,,Bis morgen ist alles fertig. Wir können im Morgengrauen auslaufen.", sagte sie nur und drehte sich dann um. Es schien sie nicht zu interessieren warum er überhaupt mitkam.

,,Ich bedanke mich für die einmalige Erfahrung zu fliegen. Wir werden uns sicher bald wieder sehen.", Ash deutete eine Verbeugung vor seinen Brüdern an und lief dann den Steg entlang, bis er zu einer Planke kam, die auf das Schiff führte. Gefolgt von den Wyvern, die seine Truhen trugen und alles andere, was sie eben mitgenommen hatten.

Unsicher drehte Nymeris sich um. Jetzt kam es also zu diesem Teil.

Rune umarmte ihn als erster.
,,Du kannst noch immer mit uns zurück kommen.", murmelte Rune so leise, dass nur es es hören konnte. So verlockend dieser Gedanke auch war, Nys war niemand der seine Meinung so schnell änderte. Er hatte sich entschieden.
,,Ich kann jederzeit zurück kommen.", korrigierte er seinen Bruder und trat einen Schritt zurück.
,,Wir werden zu seinem Geburtstag da sein.", versprach Nyx und drückte ihn so fest an sich, dass alle Luft für einen Moment aus seinem Körper wich. Drachen hatten eindeutig mehr Kraft als Wyvern...
,,Pass gut auf dich auf.", Daemon war den ganzen zweiten Tag ruhig gewesen und hatte kaum ein Wort gesagt. Nymeris wusste, dass sein ältester Bruder es sich zwar nicht anmerken ließ, aber innerlich genau dasselbe spürte wie er. Angst, Trauer, vielleicht ein wenig Sorge.

Noch nie hatte man die drei Brüder von einander getrennt. Daemons Umarmung war so oft ein Zufluchtsort für ihn gewesen, an dem er Bestätigung und Verständnis gefunden hatte.
,,Ihr auch."

Es fühlte sich an, als würde er gegen eine unsichtbare Macht ankämpfen, die ihn an Ort und Stelle festhielt, als er sich umdrehte und gehen wollte.
Am Fuß der Planke erblickte er tatsächlich Ash, der auf ihn wartete, als hätte er bereits befürchtet, dass Nymeris einen Rückzieher machte. Er straffte die Schultern und hob den Kopf.

Ganz sicher würde er seinen Stolz nicht ablegen. Nicht hier und nicht heute.

Als er vor der Planke stand, drehte Nys sich noch einmal zu seinen Brüdern um und winkte ihnen ein letztes Mal zu. Selbst von weitem, sah er ihre Enttäuschung und ihren Kummer, er spürte ihn, als wäre es sein eigener.

Nymeris' Kehle schnürte sich zu, als er der Seeschlange die Planke hinauf folgte und das Hauptdeck des Schiffes betrat. Zahlreiche Gestalten wuselten herum und bereiteten alles für den Auslauf vor.
,,Ich zeige dir, wo du schlafen wirst."

Das Schiff war erstaunlich groß und luxuriös. Seine Kabine, war tatsächlich ein richtiges Schlafzimmer. Ein großes Bett, eine Badewanne, seine Truhe und ein kleiner Tisch standen in dem Zimmer dessen Wände aus dunklem Holz bestanden. An der Decke hing ein Kronleuchter aus Kristall und er hatte sogar eine Fensterfront, vor der eine Couch stand. Auf dem Boden lag ein hellblauer Teppich. Nymeris setzte sich auf das Bett und faltete die Hände am Schoß. Er hörte das Rauschen des Meeres, die Wellen die am Holz des Schiffes brachen und es zum schaukeln brachten. Alles hier war so fremd und kalt. Selbst wenn er aus dem Fenster blickte, sah er nur den  dunklen Abgrund, den das Meer bildete. Keine Stadt. Kein Garten. Nichts.

Auf einmal fühlte er sich plötzlich schrecklich einsam. Hier gab es nichts und niemanden, den oder das er kannte. Nymeris bemerkte die stummen Tränen erst, als sie auf den Stoff seiner Ärmel tropfte. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen? Es fühlte sich auf jeden Fall nicht richtig an.
Niemand hatte ihn hierzu gezwungen, es war seine eigene Verantwortung. Nys schluckte das Schluchzen hinunter und atmete zittrig aus.

Er zuckte zusammen, als jemand klopfte. Schnell sprang er auf und trocknete seine Tränen. Nymeris öffnete die Knöpfe der Jacke und zog sie aus. Der Wyvern warf das Kleidungsstück auf die Couch und drehte sich erst um, als die Türe geöffnet wurde. 
Ein Junge kam herein, vielleicht so alt wie er, mit einem goldenen Tablett in den Händen, auf dem sich kleine Schalen und ein Krug mit Wasser befanden. Vermutlich bemerkte er gar nicht, dass er den Wyvern anstarrte.
,,Der König schickt mich. Ich soll Euch etwas zu essen bringen.", hastig stellte er das Tablett auf den kleinen Tisch und schenkte etwas von dem Wasser in ein Kristallglas.
Auch ohne Flossen und Hörner wusste Nys, dass der Junge eine Seeschlange war.
,,Danke."

Mit einem Knicks huschte der Bursche wieder davon. Nymeris atmete tief durch. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Er musste sich schnell daran gewöhnen allein zu sein. Nys setzte sich an den Tisch und begutachtete die kleinen Schalen. Er schmunzelte ein wenig, als er die geschnittenen Pfirsiche und Orangen sah. Ein seltsam dünnes Brot lag neben einer kleinen Schüssel, in der sich ein roter Brei befand. Er roch daran und augenblicklich brannte es in seiner Nase. Es musste sich um etwas scharfes handeln. Daneben stand eine Suppe.

Erst jetzt bemerkte der Wyvern seinen Hunger. Immerhin war er beim Essen abgelenkt.

Während das Gemüse in der Suppe nichts neues war, schmeckte der rote Brei...einzigartig. Tomatenartig und scharf. Nicht zu scharf, sondern angenehm. Das Brot war weich und eher geschmacklos und Nymeris kam auf die Idee, den roten Brei darauf zu verteilen. Über die Früchte freute er sich am meisten.
Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, seit er zum letzen mal Pfirsiche gegessen hatte. Sie schmeckten herrlich süß und waren saftig. Zumindest etwas, auf das er sich freuen konnte: Seine liebsten Früchte gab es an den Küsten zu genügen.

Er räumte das Geschirr sauber zusammen und schälte sich dann aus seiner getragenen Kleidung. Nymeris schlüpfte in eine dünne Stoffhose und ein langärmeliges Oberteil in derselben Farbe, dass einen Streifen Haut an seinem Bauch frei ließ.

Die Matratze des Bettes war viel zu hart für seine Flügel, sodass er seitlich oder auf dem Bauch liegend schlafen musste. Nys schlug das Buch auf seinem Schoß zu und legte es auf das kleine Kästchen neben dem Bett.
Der Wyvern löschte die Kerzen des Kronleuchters und schlüpfte dann unter die Bettdecke. Es war ein wenig kälter hier als in der Hauptstadt, was wohl an der flachen Landschaft lag, die keinen Schutz vor dem Wind bot.

Nymeris schloss die Augen und versuchte seine aufgewühlten Gedanken ein wenig zu ordnen. Die nächsten Tage würden sicher interessant werden.

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