Überraschung

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Sie statteten noch besagter Bäckerei, dem Kinderheim und einem Blumenladen einen Besuch ab. Die Inhaberin schenkte ihm einen Strauß blauer Lilien, Violets Eltern legten ihnen zwei Stücke Kuchen in den Korb und die Kinder begleiteten sie noch ein Stück weiter.

Es dauerte zwei Stunden, bis sie den Strand erreichten und Nymeris musste zugeben, dass die Hitze ihm doch mehr zuschaffen machte als ihm lieb war. Hier wehte zwar immer wieder eine halbwegs kühle Brise und es war spürbar kälter als in der Stadt, doch diese feuchte Wârme richtete ihn zugrunde. Der türkise Ozean erstreckte sich vor ihm wie eine funkelnde Decke. Möwen kreischten und zogen Kreise über ihnen und der Strand war übersäht mit Muscheln. Nymeris war dem Meer noch nie so nahe gewesen. Nicht freiwillig zumindest. Er überlegte ernsthaft, ob er nicht hinein gehen und sich abkühlen sollte. Wenn seine Angst nicht wäre...

Als er Anstalten dazu machte, seine Schuhe auszuziehen, hielt Ash ihn schnell auf: ,,Nicht. Du verbrennst deine Füße."

,,Wo ist denn jetzt meine Überraschung?", Nymeris war eigentlich sehr geduldig, aber wenn es um Überraschungen ging, bröckelte diese Geduld manchmal ein wenig. Besonders dann, wenn er keine Ahnung hatte, worum es sich handeln könnte. Vielleicht war die Überraschung auch bloß, dass Ash den Tag mit ihm verbrachte. Der König schien doch nicht so beschäftigt zu sein...

,,Ein kleines Stück noch. Wenn du nicht mehr kannst, trage ich dich. Ich weiß, dass die Hitze nicht einfach verschwindet, nur weil du jetzt passende Kleidung hast.", die Seeschlange blieb stehen und Nymeris wäre beinahe gegen ihn gerannt, den Blick stehts auf den Ozean gerichtet.

Sein Blick fiel auf den Korb, den der Seeschlangenkönig in der einen Hand trug, in dem auch der Blumenstrauß lag. Ash folgte seinem Blick und lachte leise, Ehe er sagte: ,,Für dich brauche ich nur einen Arm."

Er hätte gerne etwas freches darauf geantwortet, aber ihm fiel nichts ein, denn vermutlich hatte die Schlange recht. Mit diesen Muskeln und der Größe reichte vermutlich ein Finger aus, um den Wyvern hochzuheben.
Kurz haderte Nymeris mit sich selbst. War es denn eine gute Idee, Ash ein weiteres Mal so nahe zu kommen? Ein Teil von ihm wollte das, die Vernunft aber riet ihm, dass er nicht so voreilig handeln sollte. Irgendwann musste er eine Entscheidung treffen. Sein Zuhause verlassen oder Ash. Letzteres war ihm einfacher vorgekommen, bis jetzt zumindest. Es war seltsam sich vorzustellen, wieder zurück in die Hauptstadt zu kehren. Wenn er jetzt schon so dachtey würde das in den nächsten sechs Monaten nur noch schlimmer werden. Vielleicht hatte Ash das von Anfang an gewusst und ihm deshalb dieses Angebot unterbreitet.

Nys schnappte erschrocken nach Luft als er aus seinen Gedanken gerissen und und hochgehoben wurde. Er schlang die Arme um Ashs Hals um nicht rückwärts runter zu fallen und finsterte die Seeschlange dann an. Sein Herz überschlug sich wie wild in seiner Brust. 

,,Hättest du noch länger überlegt, hätten wir ein Zelt aufschlagen müssen, damit du keinen Sonnenbrand bekommst.", meinte dieser nur und drehte den Kopf zur Seite, sodass ihre Gesichter ein weiteres Mal nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Glücklicherweise war der König diesmal schlauer und drehte sich wieder weg, bevor Nys wieder das Verlangen überbekam, ihn zu küssen.

Nymeris widerstand dem Drang, die Konturen von Ashs Gesicht mit dem Finger bachzufahren. Die hohen Wangenknochen, die geschwungen Lippen, die schwarzen Augenbrauen und den Schwung dessen Nase.
Er wagte es jedoch, vorsichtig mit seinen Fingern über die verschlungenen Hörner zu streichen. Sanft, weil er nicht wusste, ob es bloß nervenlose Knochen waren, wie bei Drachen und Wyvern wenn sie ihre natürliche Gestalt annahmen.

Er folgte ihnen bis zur Spitze, und dann wieder zurück, bis sie in den schwarzen Haarsträhnen verschwanden. Sie glänzten wie polierter Obsidian im warmen Licht der Sonne. Er spürte die Wärme von Ashs Körper unter seinen Fingern, wo sie den Stoff des Hemdes zur Seite geschoben hatten und auf nackte Haut stießen. Er spürte, wie sich bei jedem Schritt die Muskeln darunter anspannten und bewegten. Nys biss sich auf die Unterlippe. Er hatte den Kopf auf der Schulter der Seeschlange angelegt und starrte auf dessen gebräunten Hals. Selbst dort zuckten hin und wieder Muskeln, vermutlich, wenn Ash die Zähne aufeinander biss...

Nymeris schloss die Augen und atmete tief ein. Er ließ sich einlullen von dem Geruch und schmiegte sich diesem unterbewusst entgegen. Warum hatte Ash diese Wirkung auf ihn? Er fühlte sich dermaßen zu diesem König hingezogen, dass es einfach nicht normal sein konnte...vielleicht aber fühlte sich verliebt sein einfach so an. Wahnsinnig und leidenschaftlich. Aber er konnte doch nicht jetzt schon in Ash verliebt sein. Er kannte die Schlange doch kaum. Sie hatten nicht wirklich viel Zeit miteinander verbracht, abgesehen von den gemeinsamen Essen und zwei oder drei Spaziergängen. Trotzdem schien dieser Mann immer genau zu wissen, was Nymeris brauchte, wie er sich fühlte und vor allem wann er in Schwierigkeiten steckte. 

Die Nacht auf dem Schiff, die Bibliothek. Ash war immer sofort da gewesen und hatte ihn gerettet. Es war schwer zu wissen wie er seine Gefühle deuten sollte, wenn er niemanden hatte, den er dabei um Rat fragen konnte. Seine Brüder waren auch noch nie ernsthaft verliebt gewesen. Er wünschte sich, seine Mutter wäre hier. 

,,Wir sind da, kleiner Prinz.", Ash war stehen geblieben, weshalb der Wyvern sich wieder aufrichtete und blinzelte. 

,,Ein Picknick?", er blickte auf eine überdachte Liegecouch, die mit Kissen und Decken ausgestattet war. Vier Pfosten hielten das Dach über ihnen, an welchen Vorhänge befestigt waren, sodass man auch etwas Privatsphäre haben konnte. Der Boden bestand aus Holzdielen und Teppichen. Überall, auf dem Boden und von der Decke hängend, leuchteten Laternen. Ein großer Korb stand neben der Couch und ein kleiner Beiwagen, auf dem Getränke und Geschirr standen. Dieser Platz musste bei Nacht wunderschön sein. Das Rauschen des Meeres begleitete die salzige Luft wie ein Gesang. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. 

,,Soll ich dich runter lassen, oder schmiegst du dich lieber weiter an mich?", die Seeschlange drehte den Kopf so, dass Nys das schiefe Grinsen sehen konnte und das feurige Funkeln in dessen Augen. 

Ohne auf eine Antwort zu warten wurde er abgesetzt und sah dabei zu, wie Ash seine Stiefel aufschnürte und sie auszog. Er stellte den Obstkorb auf den Holzboden und ließ sich dann ausgestreckt auf die Couch fallen. Nymeris schlüpfte aus seinen Sandalen und trat dann vorsichtig auf das warme Holz. Der weiche Teppich kitzelte seine Fußsohlen, aber dafür blieb jetzt keine Zeit. Das Dach spendete glücklicherweise ausreichend Schatten. 

,,Was ist das hier?", er setzte sich an den Rand der Couch und sah auf den Ozean hinaus. Wie konnte etwas so schönes, bloß so furchteinflößend sein? 

,,Ein Picknick, wie du schon so schlau kombiniert hast. Wir haben den ganzen Tag Zeit, auch die ganze Nacht, wenn du willst. Ich dachte mir, so haben wir die Chance, einander ein wenig kennenzulernen, auch das, nur falls du möchtest. Wir können auch schwimmen gehen, essen und schlafen.", Ashs Oberkörper richtete sich auf und er stützte sich mit den Ellbogen hinter seinem Rücken ab. Nymeris war sich zwar nicht ganz sicher, was die Seeschlange sich erhoffte, musste aber zugeben, dass es sich hierbei um keine schlechte Idee handelte. Er hoffte nur, dass das Essen nicht allzu karg sein würde, er hatte nicht gefrühstückt. Nichts außer den Keksen. 

,,Klingt nach einer guten Idee."


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