Jetzt

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Es fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen. In dem Moment, als ihre Lippen aufeinander trafen, stand die Welt um sie herum still. Nymeris Kopf war wie leer gefegt, während er alles auf einmal fühlte. Ein Chaos an Gefühlen explodierte in ihm, brachte jede Faser seines Körpers zum Glühen, bis die Hitze seinen ganzen Körper erfüllte. Sie pulsierte in seinen Adern, entfachte etwas in ihm, von dem er nicht gewusst hatte, dass es existierte.

Nys erschauderte, als Ash seine Arme um ihm legte, ihn an sich zog, sodass nichts mehr zwischen ihren Körpern Platz hatte, und festhielt, angetrieben von dem selben Verlangen, als hätte er Angst, dass der Wyvern erneut einen Rückzieher machte. Eine Hand legte sich zwischen seine Schulterblätter, dort wo seine Flügel austraten. Der Kontakt auf seiner nackten Haut, an dieser besonderen Stelle, jagte erneut einen Schauer durch seinen Körper, den er bis in die Flügelspitzen spürte. 

Verunsichert, was er mit seinen Händen anstellen könnte, legte er sie um Ashs Hals, vergrub sie in den schwarzen Strähnen und krallte sich dort fest. Der einzige Halt, den er im Moment hatte. Nymeris wehrte sich nicht, als die Seeschlange ihn auf dessen Schoß zog und ihre Körper noch enger aneinander gepresst wurden. Er schmiegte sich der Berührung entgegen, voller Sehnsucht und Verlangen. Er hinterfragte nicht, woher diese Gefühle kamen. Nicht jetzt. Jetzt zählte nur...jetzt.

Es war kein wilder, ungestümer Kuss, sondern vorsichtig und unsicher, als konnte keiner von ihnen wirklich glauben, dass das, was gerade passierte der Realität entsprach.
Er hatte keine Ahnung vom Küssen. Sein ganzes Wissen bestand darin, dass man seine Lippen bewegte und manchmal auch die Zunge ins Spiel kam. Sollte er das auch versuchen? Oder lieber nicht? Wie lange dauerte ein Kuss denn normalerweise? Sollte er damit aufhören?
Nicht nachdenken! Bloß nicht nachdenken! Einmal angefangen, könnte er nämlich nicht mehr damit aufhören.

Nys bewegte zögernd seine Hände. Legte sie an die Seiten von Ashs Hals. Es fühlte sich so verboten an, die Seeschlange so anzufassen. So, wie man eigentlich nur seinen Geliebten berührte.
Zumindest stand es so in den Büchern, die er für gewöhnlich las. Wie von selbst wanderten seine Gedanken zu dem schmutzigen Roman in der Kabine des Kapitäns. Kein guter Moment um an solche Dinge zu denken, wenn er auf dessen Schoß saß...

Er war gleichermaßen überrascht wie auch enttäuscht, als es Ash war, der sich von ihm löste und ihren Kuss unterbrach.
Die Frage ob er seine Zunge auch verwenden sollte, hatte sich damit wohl erledigt.

Nymeris öffnete seine Augen und senkte den Blick so schnell, dass er nur einen Hauch von Orange sah, ehe er auf die gebräunte Haut der Seeschlange starrte. Auf die Muskeln, die er durch das auf geknüpfte Hemd sah und auf die Narben dort.

,,Du hast meine Frage nicht beantwortet.", hörte er Ash sagen, leise und rau. Er spürte die glühenden Blick auf sich, wie eine unsichtbare Berührung. Seine Flügel zuckten, als Fingerspitzen über die empfindlichen Wurzeln strichen, beinahe so, als würden sie mit den winzigen Schuppen dort spielen. Das wären unfaire Mittel.

Welche Frage? Er sah noch immer nach unten, als er versuchte sich vorsichtig aus der Umarmung zu befreien, was jedoch bloß darin resultierte, dass er noch fester gehalten wurde. Noch enger an die harten Muskeln gepresst wurde.

Nymeris stieß ein verzweifeltes Wimmern aus. So nahe, nahm er den Geruch der Seeschlange noch viel stärker war. Er umspielte seine Nase und löste ein seltsames Gefühl in ihm aus. Wieder verspürte er dieses eigenartige Ziehen, das nicht bloß irgendwo in seiner Brust entsprang, sondern genau dort, wo sein Herz schlug.

,,Und...jetzt?"

Nach dieser Frage sah der Wyvern auf. Jedes Mal, wenn er in die Augen dieser Seeschlange schaute, war es als würde er in lodernde Flammen blicken. Er spürte, wie der Blick auf seiner Haut brannte, wie das Feuer, das jedes Mal in ihm lebendig wurde. Er fühlte sich in Ashs Gegenwart so lebendig, wie er sich noch nie zuvor gefühlt hatte. Dieses Gefühl, er stünde in Flammen, tauchte jedes Mal dann auf, wenn dieser König in seiner Nähe war, oder in berührte oder einfach nur ansah. Ein Teil von ihm, ein Teil der bisher irgendwo tief in ihm vergraben geschlummert hatte, von dem er nicht gewusst hatte, dass dieser Teil existiere, war geweckt worden und durch diesen Kuss nun völlig wach.

Nymeris musste den Blick wieder abwenden. Dieses Gefühl schien ihn zu überwältigen, sodass er keinen Ton hervorbrachte. Natürlich wusste er sowieso nicht, was er auf diese Frage antworten sollte.

,,Geht's dir gut?", Ash zwang ihn dazu, den Kopf zu heben. Nicht etwa grob, sondern besorgt.
Ja, es ging ihm gut. Er hatte sich noch nie zuvor besser gefühlt.
Das Heimweh, vor dem er sich so gefürchtet hatte, war nie gekommen. Er vermisste seine Familie, aber es schmezte ihn nicht, weil er sich aus unerklärlichen Gründen hier zuhause fühlte. Die Hitze war zwar nicht angenehm, aber er hatte sich viel schneller daran gewöhnt, als er erwartet hatte. Als jeder hier erwartet hatte. Nymeris fühlte hatte nicht einmal an sein Zuhause gedacht und war dabei traurig geworden. Seit er auf dem Schiff gewesen war. Nein. Seit er in Ashs Kabine gewesen war, seit sie sich dort bereits näher gekommen waren.

Er hatte an die Hauptstadt gedacht, aber nicht auf die Art und Weise, wie er daran denken sollte. Mit Schmerzen und Sehnsucht danach, stattdessen saß er hier am Strand, aß exotische Früchte und küsste, sehr attraktive, Seeschlangen.

In Ashs Gegenwart fühlte Nys sich aufgehoben, geborgen und in Sicherheit. Nicht zu vergessen, wie lebendig er sich dabei auch noch fühlte. Sein Leben hier, in den letzten vier Tagen war bereits so viel aufregender gewesen, als der Rest davon, den er in der Hauptstadt verbracht hatte.

Das Gefühl, zuhause zu sein, ging nicht von dieser Stadt, oder dem Palast oder den Küsten im allgemeinen aus. Es lag an Ash. Bei ihm fühlte er sich zuhause.

Aber warum? Fühlte es sich so an, verliebt zu sein? Sein Herz schlug jedes Mal schneller, wenn er die Seeschlange sah, mal ganz davon abgesehen wie er sich fühlte, wenn Ash ihn ansah oder berührte. Es musste einfach so sein. Sein Herz wusste bereits, was er fühlte, es wusste bereits was es wollte, was Nymeris wollte und habeb könnte, wenn sein Verstand ihm nicht im Weg stehen würde.

Langsam nickte er. Zaghaft und unsicher, als würde er selbst auch nicht wirklich glauben, dass es ihm gut ging. Aber seltsamerweise war das genau der Fall. Er fühlte sich so gut wie noch nie und das lag nicht an ihm oder an sonst etwas unbedeutendem, sondern an einer anderen Person. Er musste einfach verliebt sein. Gab es denn sowas wie Liebe auf den ersten Blick wirklich? War es rational diesem Gefühl nachzugeben oder sollte er nicht voreilig handeln?

Naja, dafür war es jetzt ja eh schon zu spät. Er hatte die Seeschlange geküsst, das ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Nicht, dass er es überhaupt wollte, aber die Konsequenzen davon musste er nun austragen.

,,Wirklich? Du siehst nicht aus, als würde es dir gut gehen.", er hörte die Unsicherheit aus der tiefen Stimme deutlich heraus.

Wieder nickte Nymeris, diesmal bestimmter, und ließ sich gegen den muskulösen Oberkörper sinken. Seinen Kopf legte er an die Stelle, wo Ashs Herz, genauso schnell wie sein eigenes, schlug und lauschte dem unregelmäßigen Herzschlag. Es erfüllte ihn mit einer Art Genugtuung, dass er denselben Effekt auf die Seeschlange hatte, der auch auf ihn wirkte.






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⏰ Letzte Aktualisierung: 6 days ago ⏰

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