2

102 6 1
                                    

Unruhig drehte ich mich von der einen Seite auf die andere. Die Matratze unter mir spendete nur wenig Schutz vor dem harten Boden und doch lag mein unruhiger Schlaf nicht an dem ungemütlichen Untergrund. Es waren die Gedanken, welche mich von der Ruhe abhielten. 

Nicht der Fernseher, welcher gerade ein Fußballspiel zeigte und somit die gesamte Wohnung mit Stimmen füllte. Nicht die Straße, auf welcher selbst jetzt noch die Autos fuhren und Menschen sich gegenseitig anschrien oder beleidigten. 

Es waren die Bilder, welche mich verfolgten. Seitdem Bucky wieder da war wurde es weniger, aber sie verschwanden nicht. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich die verschiedenen Gesichter meiner Opfer, während des Blips, vor mir. 

Ich hatte es wirklich geschafft die meisten Erinnerungen an HYDRA zu verarbeiten oder zu verdrängen. Albträume wegen HYDRA wurden seltener und verschwanden beinahe komplett, während die Erinnerungen an meine Jagd dafür klarer wurden. 

Jede Nacht sah ich die Momente vor mir, an welchen ich aus freiem Willen meine Waffe hob und den Menschen ein Loch in den Kopf schoss. Ich sah jedes Mal vor mir, wie ihr rotes Blut sich auf dem Boden verteilte und ihr Körper reglos in sich zusammen fiel. 

Die Erinnerungen an HYDRA verblassten nicht, aber ich wusste, dass diese Taten nicht meine freien Entscheidungen waren. Ich wusste zu dieser Zeit nicht wo oder wer ich war und was falsch und richtig überhaupt bedeutete. Aber ich wusste es, als ich diese Menschen wie Tiere gejagt und getötet hatte. 

Und ja, viele von ihnen hatten es verdient. Sie hatten für HYDRA gearbeitet oder wollten das Supersoldatenserum benutzen um neue Winter Soldier zu erschaffen. Niemand von ihnen durfte neue Supersoldaten erschaffen. Die Welt würde nur Leid erfahren, wenn es zu so etwas kommen würde.    

 Eine ruckartige Bewegung von Bucky ließ meine Gedanken verschwinden und meine gesamte Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. Er hatte nur wenige Meter entfernt von mir gelegen und saß nun schwer atmend auf dem kühlen Boden. Sein Blick war starr ins Leere gerichtet und ich konnte sehen, wie er versuchte langsam und ruhig zu atmen. 

Langsam setzte ich mich auf und lief zu ihm hinüber, um mich dort neben ihn zu setzen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen metallischen Arm und musterte ihn. Sofort drehte sich sein Kopf zu mir und ich realisierte erst jetzt, wie nah wir uns waren. 

Sein Gesicht war nur Handbreit von meinem entfernt und der Schock in seinen Augen verschwand langsam. Ich musterte ihn weiterhin und versuchte zu erkennen, worum es dieses Mal in seinen Träumen ging. 

"HYDRA?", fragte ich dann leise und er nickte nur langsam, bevor sich sein Blick senkte und er wieder zu Boden sah. Ich wusste, dass er nicht gerne darüber redete und ich wollte ihn nicht dazu zwingen. Jeder von uns hatte seine dunklen Seiten, welche wir nicht gegenüber dem anderen zeigen wollten. 

Vorsichtig lehnte ich mich nach vorn und umarmte ihn leicht. Meinen Kopf legte ich auf seiner Schulter ab und ich konnte spüren wie er sich kurz anspannte. Ich wusste, dass die gesamte Situation vielleicht seltsam aussah. Ich wusste auch, dass mein ich gerade meinen besten Freund umarmte, welcher oberkörperfrei vor mir saß und ich konnte nicht leugnen, dass ich etwas für ihn empfand. 

Was wusste ich nicht genau und ich verbot es mir ebenfalls darüber nachzudenken. Einige Sekunden vergingen und ich merkte, wie er sich immer mehr entspannte. Er würde es nicht zugeben wollen, aber er brauchte diese Umarmungen. 

"Danke.", murmelte er rau und ich löste mich widerwillig von ihm. Mein Blick fiel auf die kleine Uhr neben meinem Sofa, welche gerade 5 Uhr morgens anzeigte. 

"Wenn du nicht vorhast wieder zu schlafen könnten wir auch rausgehen und den Kopf freibekommen.", schlug ich vor und für einen Moment war Stille, bevor er schnell nickte. Langsam erhob er sich und lief zu unserem Schrank, aus welchem er sich ein schwarzes T-Shirt zog. 

Ich warf mir nur schnell meine schwarze Lederjacke über und wartete dann an der Tür auf ihn. Leicht lächelnd kam er zu mir herüber und öffnete die Tür, wofür ich ihn dankbar anlächelte. Schweigend liefen wir nebeneinander die Treppe zu der noch leeren Straße hinunter. 

Es war später Frühling und die wenigen Bäume an den Straßenrändern hatten schon grüne Blätter. Wie von selbst schlug ich den Weg zu dem großen Strand ein, an welchem ich Peter das erste Mal getroffen hatte. 

"Willst du mir erzählen wovon du geträumt hast?", fragte ich nach einer gefühlten Ewigkeit und sah zu Bucky, welcher seine Hände in seinen Jackentaschen vergraben hatte. Kurz sah er zu mir und ich konnte die Angst in seinen Augen sehen, dass er alles noch einmal erleben müsste. 

"Hey, du musst nicht reden.", sagte ich schnell und legte meine Hand auf seinen Arm, woraufhin er mich dankbar ansah. Dann schüttelte er leicht den Kopf und sah wieder zu Boden. 

"Ich habe von der Mission in Inessa geträumt.", fing er dann an und aufmerksam sah ich zu ihm. Ich war dankbar, dass er mir seine Ängste anvertraute. 

"In Russland, in den frühen 2000ern. Ich sollte eine Gruppe von HYDRAs Feinden beseitigen.", murmelte er und verstehend nickte ich. Ich war nicht bei dieser Mission gewesen, aber ich hatte von ihr gehört. 

Je länger wir bei HYDRA waren, desto seltener wurden unsere Aufträge. HYDRA hatte nicht viele Aufträge für uns, welche sie nicht selbst bewältigen konnten. Wir waren Waffen, aber wir wurden nicht immer benutzt. 

Dementsprechend konnte ich jeden über diese Mission reden hören und wusste auch, dass Bucky sie perfekt erledigt hatte. 

"Aber dort war dieser Mann.", erzählte er weiter und blieb mit dem Blick auf das Meer stehen. Ich wusste, wovon er erzählen wollte. Mein Blick wanderte kurz zu dem Sand unter meinen Füßen, bevor ich wieder zu Bucky sah. 

"Ich habe damals Nakajimas Sohn umgebracht und ich habe nicht einmal den Mut es ihm zu erzählen.", murmelte er und schnell schüttelte ich den Kopf. 

"Hey, Buck. Hör mir zu.", sagte ich ruhig und griff nach seiner Hand. Ich schloss meine Hände um das kühle Vibranium und sofort flog sein Blick zu mir. 

"Du kannst nichts für seinen Tod. HYDRA hat ihn umgebracht und du bist nicht mehr der Winter Soldier. Du bist frei und ich bin mir sicher, dass du es ihm irgendwann erzählen wirst.", sagte ich bestimmt und übte ein wenig Druck auf seine Hand aus. 

Leicht nickte er und griff mit seiner Hand nun auch fester um meine. Seine Augen wanderten kurz zu unseren Händen und ich war mir sicher, dass sie in diesem Moment leicht aufleuchteten. 

"Danke, Joye.", murmelte er.      

The Story of Winter IIII / Bucky FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt